Einbrecher brauchen nur ein paar Minuten für ihr Werk. Foto: Fotolia

Stuttgart steht verstärkt im Visier von Wohnungseinbrechern. Die Fälle sind um über 20 Prozent gestiegen. Die Täter sind so aktiv wie seit 16 Jahren nicht mehr. Vermutet werden vorwiegend reisende Tätergruppen, die gut organisiert nur schwer zu fassen sind.

Stuttgart steht verstärkt im Visier von Wohnungseinbrechern. Die Fälle sind um über 20 Prozent gestiegen. Die Täter sind so aktiv wie seit 16 Jahren nicht mehr. Vermutet werden vorwiegend reisende Tätergruppen, die gut organisiert nur schwer zu fassen sind.

Stuttgart - Die Mieterin merkt nicht gleich, dass eben noch Einbrecher in ihrer Wohnung waren. Es ist 19 Uhr, als die 49-Jährige mit ihrem Sohn in ihre Wohnung auf der Gänsheide im Stuttgarter Osten zurückkehrt. Nach zweieinhalb Stunden Abwesenheit scheint alles wie immer zu sein. Doch dann das: „Ich gehe ins Wohnzimmer, und die Terrassentür steht offen“, sagt die 49-Jährige. Die Spur führt ans andere Ende des Flurs: Schlafzimmer durchwühlt, Schubladen und Schränke rausgezogen, das Fenster offen. Einbrecher waren hier am Werk – und dann übereilt geflüchtet. Jetzt wird der Mieterin mulmig: „Wir müssen die beim Reinkommen gestört haben“, stellt sie erschrocken fest, „warum sonst sind die hier umständlich aus dem Fenster geklettert?“

Die 49-Jährige ist eine von mehr als 1000 Wohnungseinbruch-Opfern – so viele jedenfalls droht es in diesem Jahr in Stuttgart zu geben, wenn sich der aktuelle Trend fortsetzt. Im November hat sich die Lage so zugespitzt, dass die derzeitige Steigerungsrate mehr als 20 Prozent beträgt. Die Ermittler stöhnen: „Wir kommen kaum mehr hinterher“, sagt einer. Mehr als 1000 Wohnungseinbrüche: So viele hatte es in Stuttgart zuletzt im Jahr 1997 gegeben.

Die Lage ist in den Stadtbezirken unterschiedlich. Während es in der Innenstadt und in Stuttgart-Ost weniger Fälle gibt, schlagen die Täter in den Innenstadtbezirken West, Nord und Süd deutlich häufiger zu – mit zweistelligen Steigerungen. In Weilimdorf, letztes Jahr noch mit 19 Fällen im grünen Bereich, hat sich die Zahl der Fälle mehr als verdoppelt. Sillenbuch, Möhringen, Zuffenhausen und Wangen verzeichnen ebenfalls einen gestiegenen Trend.

„Reisende Banden spielen eine große Rolle“

„Wir sind verstärkt mit uniformierten und zivilen Streifen unterwegs“, sagt Polizeisprecherin Daniela Waldenmaier, „nicht nur auf der Suche nach Verdächtigen, sondern auch nach gekippten Fenstern oder anderen Tatgelegenheiten.“ Dann werde auch schon mal geklingelt oder ein Mängelbericht als Flugblatt in den Briefkasten geworfen. Weil die Streifen nicht planlos durch die Stadt ziehen sollen, sammelt eine Koordinierungsstelle Daten über die Einbrüche, erstellt einen tagesaktuellen Tatort-Atlas, um mögliche Schwerpunkte zu erkennen – oder dieselben Handschriften einer Tätergruppe. „Reisende Banden spielen eine große Rolle“, sagt Polizeisprecherin Waldenmaier.

Die Bürger sind offenbar sensibler geworden. Die Zahl der Hinweise steigt. In der Kleemannstraße in Bad Cannstatt etwa melden Bewohner eines Mehrfamilienhauses, dass zwei verdächtige Fremde an der Haustür geklingelt hätten, um eingelassen zu werden. Die Polizei umstellt das Gebäude – und findet zwei Wohnungslose, die nur ein warmes Plätzchen für ihr Bierchen finden wollten. In der Elfenstraße in Möhringen wird nachts ein verdächtiges Auto gemeldet, mit polnischem Kennzeichen, in dem zwei dunkel gekleidete Männer sitzen. Die Männer werden kontrolliert, aber sie haben nichts dabei, was auf Einbrüche hindeuten könnte. Die beiden können glaubhaft machen, dass sie im Wagen übernachten wollten und Kapuzenpullis und schwarze Mützen zu ihrer Alltagskleidung gehören.

„Auch solche Fälle bestimmen unsere Arbeit, auch wenn nichts dabei herauskommt“, sagt Polizeisprecherin Daniela Waldenmaier. Die Polizei sei dennoch auf schnelle Hinweise angewiesen: „Nur dann gibt es die Chance, bei einer Kontrolle einen Treffer zu landen.“ Wie im Frühjahr, als ein Fahrzeug mit zwei Frauen und zwei Jugendlichen in Untertürkheim ins Netz ging. Mit Einbruchswerkzeug, größeren Mengen Bargeld, Plastikkarten für Türschlösser. Reisende Täter, teils mit Haftbefehl gesucht. Ins Netz gingen auch Verdächtige aus Bosnien, Serbien, dem Kosovo, Litauen, Bulgarien. Die Aufklärungsquote steigt – das ist auch nötig. 2012 waren es nur 6,1 Prozent.

Immerhin: Die Einbrecher scheitern immer öfter. Fast jeder Einbruch ist nur ein Versuch – die Quote liegt in Stuttgart derzeit bei etwa 40 Prozent. Die 49-jährige Mieterin im Stuttgarter Osten kann das wenig trösten. Die Täter dürften wenig erbeutet haben, Ohrringe, Armbändchen, nichts Wertvolles jedenfalls. Die Polizei soll auch recht zufrieden gewesen sein. Weil immerhin Fingerspuren gesichert werden konnten – was sonst eher selten der Fall ist. Die Betroffene will sich nun mehr Gedanken über zusätzliche Sicherungen machen – und hofft: „Zu uns werden die wohl nicht mehr kommen.“