Mitgefühl Die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) haben Verständnis für Oliver Manlik (Barnaby Metschurat), der sein altes Leben zurückhaben will. Foto: SWR/Benoît Linder

„Der Welten Lohn“, der neue „Tatort“ aus Stuttgart, führt in die Wirtschaftswelt und zeigt, wie Macht und Geld die Menschen verändern. Das muss der ehemalige Manager eines Zulieferbetriebs am eigenen Leib erfahren.

Stuttgart - Er stört. Deshalb wäre Oliver Manlik am besten einfach im Gefängnis geblieben, irgendwo weit weg in Amerika. Man braucht ihn nicht mehr, weder seine Firma, in der er einst Schlüsselkunden betreute, noch seine Frau, die sich längst ein neues Leben aufgebaut hat. Nicht einmal der Sohn, dem Malik an der Schule auflauert, will noch mit ihm zu tun haben – „lass es einfach, Papa“.

Es ist eine armselige Figur, die im Zentrum des neuen Stuttgarter „Tatort“ steht. Einst war er im mittleren Management tätig, hat gutes Geld verdient und sich für die Firma ins Zeug gelegt. Jetzt kehrt er nach mehr als drei Jahren Gefängnis gebrochen nach Stuttgart zurück – und will Wiedergutmachung. Denn er musste im Korruptionsskandal seiner Firma den Kopf hinhalten. Als aber plötzlich die Personalchefin des Unternehmens tot im Wald gefunden wird, liegt für alle auf der Hand: Malik muss es gewesen sein.

Der Stuttgarter „Tatort“ hat wieder ein aktuelles Thema aufgegriffen

Immer wieder verhandelt der Stuttgarter „Tatort“ auf raffinierte Weise aktuelle Themen. Mal ging es um die Spätfolgen der RAF, mal um den Stau im Kessel oder um die Schattenseiten der Künstlichen Intelligenz. „Der Welten Lohn“ führt dagegen mitten ins Wirtschaftsleben zu einer Firma, wie man sie selbstverständlich im Land finden könnte. Rückert-Brenner ist ein Zulieferbetrieb mit Standort in Stuttgart-Möhringen und Geschäftskunden in der weiten Welt. Doch der Markt ist hart umkämpft, weshalb manchmal nur noch Korruption hilft, um den Laden am Laufen zu halten. Wie sagt es der Vorstandsvorsitzende (Stephan Schad) so treffend: „Wirtschaft ist Kampf“.

Hintergrund dieses neuen „Tatorts“ ist das amerikanische Antikorruptionsgesetz FCPA, das erlaubt, auch deutschen Firmen in den USA den Prozess wegen Korruption zu machen, selbst wenn dort gar keine Schmiergelder geflossen sind. „Deutschland ist nach dem, was ich bei Recherchen gehört habe, als Exportweltmeister ganz groß in der Korruption im Ausland“, sagt Boris Dennulat, der das Drehbuch zu „Der Welten Lohn“ geschrieben hat. Allerdings ging es ihm weniger um den Korruptionsfall an sich oder um Kritik an dieser Praxis. „Uns interessierten die Folgen daraus“, sagt Dennulat, „wozu führt es, wenn man sich auf diese Bedingungen einlässt? Was macht es mit den Leuten?“

Wie eine tickende Zeitbombe streift der Ex-Manager durch Stuttgart

Oliver Malik hat es in jedem Fall das Genick gebrochen. Er wurde verhaftet, als er mit seiner Familie in Florida Urlaub machen wollte. Mutter und Sohn kehrten ohne ihn heim, und seine Frau wendet sich ab von dem Mann, der ohnehin immer nur für die Karriere gelebt hatte. Für die Rolle des gescheiterten Mitarbeiters aus dem mittleren Management wurde Barnaby Metschurat engagiert. Mit kurz geschorenem Schädel und starrem Blick spielt er den armen Kerl und lotet gekonnt eine Mischung aus Aggression, Selbstüberschätzung und Bedürftigkeit aus. Wie eine tickende Zeitbombe streift er durch Stuttgart und haust in einer schäbigen Pension. Er will Geld von der Firma, lauert seinem ehemaligen Chef in der Tiefgarage auf und fordert acht Millionen Euro Wiedergutmachung für sein ruiniertes Leben. Vor allem aber will er eben dieses Leben zurückhaben, die Frau und den Sohn, der inzwischen groß geworden ist.

Der arrogante Firmenchef weist die Polizei in ihre Schranken

Rückblenden erinnern immer wieder an diese besseren Jahre. Der Regisseur Gerd Schneider spielt aber auch mit Zeitlupe und setzt verwischte Bilder ein, die das Innenleben der Figuren ahnen lassen. Auch die Schnitte sind interessant und machen „Der Welten Lohn“ sehenswert. Die Dialoge verzichten weitgehend auf die üblichen Krimi-Plattitüden à la „Wo waren Sie gestern Abend. Ich muss Sie das fragen“. Stattdessen bringt vor allem der Vorstandsvorsitzende der Firma die Gnadenlosigkeit des Wirtschaftslebens pointiert zum Ausdruck. Dieser Joachim Bässler, den Stephan Schad spielt, mag ein wenig zu kaltschnäuzig und herzlos daherkommen, ist aber doch eine dankbare Figur. Gleich zu Beginn weist Bässler die Kommissare in die Schranken und macht sich mit dem Satz „Sie werden von meinen Steuergeldern bezahlt“ vor allem beim hitzigen Sebastian Bootz (Felix Klare) unbeliebt. Auch in den Verhören ist er um keine Antwort verlegen. Wie kann ein einzelner Mitarbeiter so viel Geld für Bestechungen abzweigen? „Eklatantes Versagen der Buchhaltung“. Punkt.

Am Schwäbisch muss noch gefeilt werden

„Da ist etwas oberfaul in dem Laden“, konstatiert Bootz schon nach dem ersten Besuch in der Firma, was die Zuschauer freilich auch bald ahnen, schließlich ist man im „Tatort“, in dem in der Regel alle Dreck an irgendeinem Stecken haben. So traut man auch dem Sicherheitschef des Unternehmens nicht über den Weg. Andreas Klaue, den man in Stuttgart vor allem von der Bühne und aus vielen komischen Rollen kennt, spielt ihn als dumpfen, ruppigen Typen.

Übrigens kommt dieser Stuttgart „Tatort“ fast ganz ohne Schwäbisch aus. Auf die wenig überzeugenden Versuche von Diana Marie Müller hätte man ehrlich gesagt dann auch verzichten können. So ist es zwar eine feine Idee, dass die Mitarbeiterin der KTU schwäbelt, aber bitte nicht so bemüht auswendig gelernt.

Ein Fall für Stuttgart

Team
Was bringt Menschen in Gewissenskonflikte? Das ist ein Thema, das den Regisseur Gerd Schneider besonders interessiert. Er ist 1974 geboren worden und hat Theologie studiert. Schon in seinem Spielfilm „Verfehlung“ (2015) zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche beschäftigte er sich mit dem inneren Zwiespalt von Menschen. Am Drehbuch zu „Der Welten Lohn“ habe ihn besonders die Eskalationsspirale gereizt, so Schneider.

Ausstieg
In „Der Welten Lohn“, dem 25. Fall der Stuttgarter Kommissare, ist die Staatsanwältin Emilia Álvarez nicht mehr im Team, was die beiden bedauern. Als sie Ärger wegen einer unerlaubten Hausdurchsuchung riskieren, sagt Bootz: „Mit Frau Álvarez wäre das okay gewesen!“

Termin
„Der Welten Lohn“ läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten und steht danach in der Mediathek.