Jens Wischnewski (links) dreht derzeit seinen ersten „Tatort“ in Stuttgart. Weitere „Tatort“-Regisseure mit Diplom aus Ludwigsburg finden Sie in unserer Bildergalerie. Foto: SWR-Presse/Bildkommunikation

Für viele Fernsehzuschauer ist er die Krönung der Sonntagabendunterhaltung: Der „Tatort“ im Ersten. Unter den Regisseuren finden sich dabei immer häufiger Absolventen der Filmakademie in Ludwigsburg.

Ludwigsburg - Wenn Jens Wischnewski daran denkt, ist er immer noch ein wenig aufgeregt. „Es ist eine unglaubliche Ehre, nach seinem Debütfilm einen ‚Tatort‘ drehen zu können“, sagt der 36-Jährige. Vor drei Jahren hat er an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg sein Regie-Diplom abgeschlossen, 2017 lief sein Spielfilm-Debüt „Die Reste meines Lebens“ im Kino und begeisterte Publikum wie Kritiker. Und jetzt steht er in diesen kalten Tagen in Stuttgart hinter der Kamera und dreht sein „Tatort“-Debüt „Schande“. Darin untersuchen die Kommissare Lannert und Bootz, ob eine Altenpflegerin möglicherweise einen ihrer Patienten getötet haben könnte.

Wischnewski ist damit der aktuellste Fall einer Liaison, die es seit fast 20 Jahren gibt: junge Talente von der Filmakademie, die Regie führen bei Deutschlands erfolgreichster Krimi-TV-Serie. 13 Absolventen gibt es, die zumindest bei einem „Tatort“ einmal Regie geführt haben – manche, wie Claudia Garde oder Sebastian Marka, sind geradezu auf das Format abonniert. Insgesamt sind es 40 „Tatort“-Filme, bei denen ein Regisseur mit Diplom aus Ludwigsburg hinter der Kamera stand. „Damit können wir von unserer Seite aus zufrieden sein“, sagt Thomas Schadt, der Leiter der Filmakademie in Ludwigsburg. Diese „positive Kennzahl“ habe ihn zu Beginn auch überrascht. „Für unser Institut ist das ein Aushängeschild.“

Der „Tatort“ bietet alles, was ein junger Regisseur sich wünscht

Und für die Absolventen ist es laut Schadt eine große Chance. „Der ‚Tatort‘ ist ein Feld, in dem viele talentierte Regisseure versuchen, sich für den TV-Markt zu etablieren“, sagt er. Die Aussichten dafür stehen gut. Denn der „Tatort“ bietet laut Schadt alles, was ein junger Regisseur sich wünschen kann: eine garantiert hohe Quote, ein eingespieltes Team vor und hinter der Kamera und die Möglichkeit, in einem geschützten Raum Neues auszuprobieren. „Da wird noch mehr experimentiert als beispielsweise beim Mittwochabendfilm“, sagt Schadt. Heraus kommen dann von der Kritik gefeierte, ungewöhnlich erzählte Kunstkrimis wie „Im Schmerz geboren“ (2014) von Florian Schwarz oder Streifen mit politisch brisante Themen wie „Hydra“ (2015) von Nicole Weegmann, wo es um Rechtsradikalismus geht.

Weegmann kam im Jahr 2003 an ihren ersten „Tatort“ wie die Jungfrau zum Kinde. „Das hat sich einfach so ergeben“, sagt die Regisseurin. Zwischen zwei Langfilmen bekam sie die Anfrage vom SWR, den Krimi „Romeo und Julia“ zu drehen. „Das war natürlich eine Super-Chance, da sollte niemand zögern“, sagt sie – aber das Drehbuch sollte zum Profil des Regisseurs passen.

Viele Absolventen drehen erst Jahre nach ihrem Abschluss einen „Tatort“

In der Regel fragen die bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zuständigen Redaktionen bei Regisseuren an, ob sie einen bestimmten „Tatort“ filmen wollen. Die Auswahl basiert auf bisherigen Produktionen der Filmemacher. Die Filmakademie kann also nur indirekt etwas dafür, dass ihre Absolventen in der Krimireihe so gut vertreten sind. Nach Angaben von Thomas Schadt spielt der „Tatort“ auch keine hervorgehobene Rolle im Studium, obwohl die Reihe für einen Regisseur „gute Butter aufs Brot“ sein könne. Vielen Absolventen wird erst Jahre nach dem Spielfilmdebüt die Ehre eines „Tatort“ zuteil, wie etwa bei Sebastian Marka, der 2005 sein Diplom in Ludwigsburg im Bereich Kamera abschloss. Manche, wie Jens Wischnewski oder Oliver Kienle, drehen gleich nach ihrem Debüt einen Film der Krimireihe.

Besonders engagiert in der Nachwuchsförderung wird an der Filmakademie der SWR wahrgenommen. „Was das sogenannte Debüt im Dritten angeht, ist der Sender für uns maßgeblich“, sagt Schadt. Unter dieser Reihe verbergen sich abendfüllende Erstlings-Spielfilme von Nachwuchsregisseuren. Bei den „Tatorten“ fällt der SWR jedoch wieder ab: Nur vier von 40 Produktionen kommen aus dem Südwesten.

Filmakademie-Absolventen sind gefragt auf dem TV-Markt

Dahinter stecke kein System, sagt Brigitte Dithard. Die Redakteurin ist beim SWR verantwortlich für den „Tatort“ aus Stuttgart: „Filmakademie-Absolventen sind gefragt. Manchmal kriegen wir sie gar nicht.“ In den vergangenen Jahren habe sich ein Trend entwickelt, junge Talente für etablierte TV-Formate zu engagieren. „Der ‚Tatort‘ ist eine Möglichkeit, die Absolventen in den Markt zu bringen“, sagt Dithard. Dass Filmakademie-Absolventen auch außerhalb des SWR beim „Tatort“ zum Zuge kommen, spreche ja für die Qualität der Ausbildungsstätte.

Auf Jens Wischnewski wurde Dithard noch in seiner Zeit an der Akademie aufmerksam. Sie hat federführend für den SWR seinen Diplomfilm koproduziert, ebenso seinen Debütfilm.

Trotz der engen Beziehung zwischen SWR und Filmakademie wird es eine Sache in Zukunft wohl dennoch nicht geben: einen „Tatort“, der in Ludwigsburg spielt. „Wir sind auf Stuttgart festgelegt“, sagt Dithard, „alles andere würde sich polizeirechtlich schlecht vermitteln lassen.“