Immer wieder Schauplatz von Polizeikontrollen: Die Autobahnraststätte Sindelfinger Wald Foto: SDMG

Nachdem an der Autobahn-Raststätte Sindelfinger Wald bei Stuttgart ein Wohnmobil-Aufbrecher zugeschlagen hat, stellt sich für die Ermittler die Frage: Hat Ernad wieder zugeschlagen? Nach dem Mann wird seit zwei Jahren gefahndet.

Stuttgart - Wie Ernad mit Nachnamen heißt, weiß die Polizei nicht so genau. Den Behörden liegen sechs verschiedene Versionen vor. Wahrscheinlich auch deshalb ist der 49-jährige Tatverdächtige, nach dem seit über zwei Jahren gefahndet wird, spurlos verschwunden. Für die Polizei ist er das Autobahn-Phantom, das seit 2015 an Autobahn-Raststätten eine Vielzahl von Wohnmobilen aufgebrochen hat – während die Reisenden darin schliefen. Nachdem jetzt wieder ein Autoknacker an der Raststätte Sindelfinger Wald zugeschlagen hat, fragen sich die Ermittler unwillkürlich: Und wo steckt eigentlich Ernad?

Zum jüngsten Fall gibt es keine heiße Spur. Frühmorgens am vergangenen Freitag war an der Raststätte Sindelfinger Wald ein Wohnmobil aufgebrochen worden – abseits in einer dunklen Ecke am Waldrand. Die schlafenden Eheleute aus Trier merkten nicht, wie der Täter Wertsachen aus dem Fahrerbereich an sich brachte und verschwand. Es gibt keine Zeugen, keine Hinweise auf verdächtige Personen, nichts.

Die Serie begann im April 2015

Doch dass Phantome auch nur Menschen sind, wissen die Ermittler der Autobahnpolizei nur zu gut. Und sie kennen auch die Handschrift der Wohnmobilknacker – denn einen der Tatverdächtigen haben sie längst identifiziert. Er soll für eine Serie im Jahr 2015 im Großraum Stuttgart, in Pforzheim und in Hessen verantwortlich sein. „Nur sein Aufenthaltsort ist nicht bekannt, nach ihm wird immer noch gefahndet“, sagt Michael Wernthaler, Leiter der Verkehrspolizeidirektion Ludwigsburg, die für die Autobahnstrecken rund um Stuttgart zuständig ist.

Die Serie hatte im April 2015 an der A 81, Raststätte Schönbuch in Nufringen (Kreis Böblingen), mit zwei Wohnmobilaufbrüchen begonnen. Dann schlugen die Täter an der A 8 auf der Rastanlage Denkendorf zu, fanden bis Mai bei drei Fällen an der Raststätte Sindelfinger Wald weitere Opfer. Anfang Juni wurde eine fünfköpfige Familie am Rastplatz Höllberg bei Rutesheim in ihrem Wohnwagen bestohlen. Dabei verschwand unter anderem ein Samsung-Mobiltelefon.

Polizei stoppt Verdächtige im schwarzen Golf

Drei Tage später, am 8. Juni 2015, geriet das Phantom in die Fänge der Polizei. Die hessische Polizei hatte nach einem Wohnmobilaufbruch eine Fahndung ausgegeben: Gesucht wurde ein schwarzer VW Golf mit Tübinger Kennzeichen. Beamte der Pforzheimer Autobahnpolizei konnten den Wagen bei Rutesheim anhalten. „Die Verdächtigen hatten unterwegs eine Tasche mit Utensilien aus dem Aufbruch in Hessen weggeworfen“, sagt Wernthaler, „die Beamten haben sie aber sicherstellen können.“ Beim Fahrer und Hauptverdächtigen handelte es sich um einen bosnischen Asylbewerber, gemeldet in einer Unterkunft in Rottenburg (Kreis Tübingen), sowie um einen 21-jährigen Begleiter. Bei der Durchsuchungsaktion in der Unterkunft wurde aber nichts gefunden. Die Verdächtigen kamen auf freien Fuß.

Eine Sackgasse? Als ein Ermittler den Verdächtigen später nochmals in Rottenburg aufsuchte, war der damals 47-Jährige nicht zu Hause – dafür steckte aber ein Samsung-Handy im Ladegerät. War es etwa jenes von der Tat am Rastplatz bei Rutesheim? „Leider hatte der Besitzer der Polizei die Gerätenummer des Handys nicht mitgeteilt“, sagt Wernthaler. Als die Daten Tage später eintrafen – es war dieselbe Nummer –, war es bereits zu spät. „Der Verdächtige war weg“, sagt Polizeidirektor Wernthaler. Wie übrigens auch der 21-Jährige.

Leider wussten die Bayern nichts davon...

Dass der Fall des Ernad mit den sechs verschiedenen Nachnamen die Strafverfolgungsbehörden zweier Bundesländer beschäftigte, erwies sich als nicht unbedingt förderlich für die Ermittlungen. Denn offenbar gab es niemanden, der den Verdächtigen mit Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben hätte. Das rächte sich: Als der Bosnier im Januar 2016 nach einem versuchten Wohnungseinbruch im Großraum München erwischt wurde und für einen Tag hinter Gittern saß – reagierte niemand. In Bayern war von dem mutmaßlichen Wohnmobilknacker nichts bekannt – und der Einbruchsversuch allein gab offenbar keine Untersuchungshaft her. Ernad wurde freigelassen. Seither ist er spurlos verschwunden.

Hat er nun wieder zugeschlagen? „Wir haben von ihm alles gespeichert, die Fingerabdrücke, DNA, alle Aliasnamen“, sagt Michael Wernthaler. „Wenn er jetzt wieder hier auftauchen würde, das wäre dann doch etwas zu dreist.“