VW-Chef Oliver Blume plant tiefe Einschnitte, um Kosten zu sparen. Foto: Michael Kappeler/dpa/Michael Kappeler

Die Verhandlungen bei VW zeigen, wie schwer es ist, sich von satten Zeiten zu verabschieden, meint Kommentator Klaus Köster.

Immerhin, die Konzerntochter Porsche wird nun nicht mehr verantwortlich gemacht für die schwierige Lage des Volkswagen-Konzerns. Das ist bemerkenswert, denn noch vor kurzem hatte die IG Metall Wolfsburg die wirtschaftlichen Probleme des Gesamtkonzerns bei Porsche verortet. Nun aber legen IG Metall und Betriebsrat von Volkswagen eigene Sparvorschläge auf den Tisch und erkennen damit faktisch an, dass es ein Problem tatsächlich gibt. Das ist überfällig.

 
VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo rügt die Sparpläne des Managements. Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Der VW-Konzern verliert auf dem wichtigsten Markt der Welt, in China, dramatisch an Boden. Erst im vergangenen Jahr musste die Kernmarke Volkswagen die Marktführerschaft abgeben; nur ein gutes Jahr später hat Marktführer BYD bereits den gesamten Konzern mit all seinen Marken eingeholt. Die Entwicklung ist in vollem Gang.

E-Flucht aus dem Dieselskandal

Mit den E-Modellen bringt VW in China keinen Fuß auf den Boden – und nicht nur dort. Das Management stürmte nach dem Dieselskandal so begeistert Richtung E-Auto, dass man die Risiken vernachlässigte. Gescheitert ist auch die überambitionierte Strategie, eine konzernweite Software-Plattform aufzubauen, die zu jahrelangen Verzögerungen bei neuen Modellen führte.

Es spricht also einiges für die Aussage von Betriebsratschefin Daniela Cavallo, die Belegschaft dürfte nicht mit hohen Einsparungen für Fehler des Managements verantwortlich gemacht werden. Weniger laut sprechen die Arbeitnehmervertreter allerdings darüber, dass bei VW das Management wesentlich stärker mitbestimmt ist als bei anderen Unternehmen. In guten Jahrzehnten haben sich Kostenstrukturen etabliert, die zuweilen wirken, als seien sie in einer anderen Welt entstanden. 84 000 Euro beträgt das Einstiegs-Jahresentgelt im Tarif plus, in dem Zehntausende beschäftigt sind.

Diess musste gehen, die Probleme bleiben

Schon der frühere Konzernchef Herbert Diess wollte massiv beim Wolfsburger Konzern sparen und brachte die Beschäftigten gegen sich auf. Am Ende waren jedoch die teuren Strukturen beständiger als der Job von Diess. Anders als ein Konzernchef lassen sich die Probleme allerdings nicht vom Hof jagen. Im Gegenteil – die Lage verschlechtert sich nun derart, dass Diess-Nachfolger Oliver Blume, alles andere als ein Gewerkschaftsfresser, auf einen noch schärferen Sparkurs einschwenkt. Mit der Kündigung der Jahrzehnte alten Jobsicherung und der Ankündigung möglicher Werksschließungen übertrat er nach Aussicht von IG Metall und Betriebsrat gleich mehrere rote Linien.

Während sich bei VW die Betriebsparteien beharken, gehen chinesische Wettbewerber nun systematisch die Eroberung des europäischen Markts an. Rivale BYD hat gerade ein Modell auf den Markt gebracht, dessen niedrige Kosten nicht nur VW-Manager schwer in Bedrängnis bringen dürften. Und das ist möglicherweise erst der Anfang.

Gefährliche Nabelschau

VW ist eine Ikone der deutschen Wirtschaft, in der sich wie in einem Brennglas gefährliche Entwicklungen für die deutsche Wirtschaft bündeln. Man betreibt eine Nabelschau, die blind macht für Gefahren. Dass die Arbeitnehmerseite bei VW sich nun bewegt und ein Angebot vorgelegt hat, ist immerhin ein gutes Zeichen – auch wenn der Vorschlag, die geforderten Tariferhöhungen für mehr Flexibilität zu verwenden, auf eine Nullrunde bei reduzierten Arbeitszeiten hinausläuft. Zudem zeugen Drohungen mit einem „Arbeitskampf, wie in die Republik nicht erlebt hat“, von einer Einstellung, die bisher wenig Hoffnung auf die notwendige Geschlossenheit macht. Die eigentliche Bedrohung kommt allerdings nicht aus dem eigenen Unternehmen, sondern von tektonischen Verschiebungen des Marktes. Diese spielen bei den Verhandlungen bisher eine viel zu geringe Rolle.