An diesem Freitag plant Verdi neue Protestaktionen im Einzelhandel. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ungeachtet eines verbesserten Lohnangebots des Handelsverbandes Baden-Württemberg will Verdi die Warnstreiks intensivieren. Schon an diesem Freitag sollen viele Geschäfte im Land lahmgelegt werden.

Im baden-württembergischen Tarifkonflikt des Einzelhandels weist die Gewerkschaft das verbesserte Angebot der Arbeitgeber als „völlig unzureichend“ zurück. Stattdessen ruft Verdi für diesen Freitag, also am Brückentag, in mehreren Regionen des Landes zu ganztägigen Warnstreiks auf, um für die 15-Prozent-Forderung einzutreten. Angesprochen sind Beschäftigte in Stuttgart und Umgebung, im Raum Mannheim-Heidelberg, in Karlsruhe, Pforzheim, Heilbronn und Schwäbisch Hall.

Betroffen sind unter anderem Kaufland, H&M, Ikea, Galeria, Primark und ein Lagerstandort der Drogeriemarktkette dm. In Karlsruhe werden rund 350 Streikende zu einem Demonstrationszug durch die Innenstadt mit anschließender Kundgebung erwartet. Erste Protestaktionen hatte es Anfang Mai gegeben. Die Streikenden von Galeria wollen in einer separaten Tarifrunde einen Tarifvertrag erreichen, der die Tarifbindung an die Verträge des Einzel- und Versandhandels herstellt.

7,5 Prozent in drei Stufen über 24 Monate

Am Mittwoch hatten die Arbeitgeber nachgelegt: In der zweiten Verhandlungsrunde boten sie eine Lohnerhöhung von insgesamt 7,5 Prozent in drei Stufen über 24 Monate – nach fünf Prozent in der ersten Runde. Zudem wollen sie den rund 490 000 Beschäftigten im Südwesten eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von insgesamt 1000 Euro zahlen.

Als „absolutes Novum“, so heißt es, werde die Möglichkeit für ein tarifliches Basisentgelt eröffnet. Demnach sollen die Stundenlöhne unmittelbar mit der ersten Lohnerhöhung auf mindestens 13 Euro angehoben werden. Am Ende der Laufzeit werde sich der unterste tarifliche Stundenlohn auf 13,59 Euro entwickelt haben, so die Arbeitgeber – damit sei er auch nach Gewerkschaftsvorstellungen armutsfest.

„Tragfähige Lösung auch für die anderen Tarifgebiete“

„Wir befinden uns nach intensiven internen Abstimmungen im Zeitraffer-Modus und setzen mit diesem Angebot alles daran, schnell eine Verhandlungslösung herbeizuführen“, betonte Philip Merten, Vorsitzender der Tarifkommission der Arbeitgeber. Ziel sei ein Abschluss noch im Mai gewesen. „Darum haben wir trotz der massiv gestiegenen Kosten für den Einzelhandel und der extrem schwierigen wirtschaftlichen Ausgangslage unser Angebot so erheblich erhöht, dass es bei etwas gutem Willen zu einer Tarifeinigung führen sollte.“ Dies könne „eine tragfähige Lösung auch für die anderen Einzelhandelstarifgebiete der Republik werden“.

„Noch nie in der Tarifgeschichte“ hätte sich die Arbeitgeberseite „so schnell von allen Ritualen verabschiedet und mit ungeheurer Geschwindigkeit auf den Sozialpartner zubewegt“, sagte Merten. „Wir gehen bereits einen Schritt über die Schmerzgrenze vieler Händlerinnen und Händler hinaus, aber die ungewöhnliche Ausgangslage erfordert mutiges Handeln.“

Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes würden die schwierige Lage unterstreichen, so der Verhandlungsführer des Verbandes. Demnach hätten die Einzelhandelsumsätze im März real 8,6 Prozent unter den Umsätzen des Vorjahresmonats gelegen. Der Lebensmittelbereich habe gar den stärksten Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahresmonat seit 1994 erlebt.

Dass Verdi den Weg für eine Lösung freimachen wolle, sei bisher nicht zu erkennen. „Wir können uns nicht vorstellen, dass die Gewerkschaft dauerhaft mauert und beharrlich an der unrealistischen Ausgangsforderung festhält“, sagte Merten. Die Türen für Verhandlungen blieben aber offen. Die dritte Verhandlungsrunde wurde für den 23. Juni vereinbart.