Sie hätten zu wenig Zeit für ihre Patienten, sagen drei von vier Klinikärzten. Foto: dpa

Die 52 500 Ärzte an den kommunalen Kliniken dürfen sich über ein fünfprozentiges Lohnplus freuen – allerdings verteilt auf eine lange Laufzeit von 28 Monaten. Die Arbeitsbelastung des medizinischen Personals kann der Tarifabschluss ohnehin nicht mindern.

Stuttgart - In rekordverdächtigem Tempo und ohne Aufsehen haben Arbeitgeber und Gewerkschaft einen Tarifabschluss für die 52 500 Ärzte an 550 kommunalen Kliniken erzielt. Nach der Einigung bereits in der zweiten Runde steigen die Gehälter in drei Stufen um insgesamt fünf Prozent: zum 1. September 2016 um 2,3 Prozent, ein Jahr später um 2,0 Prozent und im Mai 2018 um weitere 0,7 Prozent. Nach 28 Monaten läuft der Tarifvertrag Ende 2018 aus.

Entsprechend legen die Stundenentgelte der Bereitschaftsdienste zu. Zudem vereinbarten die kommunalen Arbeitgeber und der Marburger Bund eine Eigenbeteiligung der Ärzte bei der zusätzlichen Altersvorsorge, ähnlich dem öffentlichen Dienst. Bei Pflichtversicherten in der Zusatzversorgungskasse (ZVK) wird ein Beitrag von 0,2 Prozent des Gehalts erhoben, der bis 2018 auf 0,4 Prozent ansteigt. Die Arbeitgeber beziffern die Mehrkosten der Tarifeinigung mit insgesamt 460 Millionen Euro.

Skepsis beim Landesverband im Südwesten

Der Vorsitzende des Marburger Bundes in Baden-Württemberg, Frank J. Reuther, sprach gegenüber dieser Zeitung von einem „annehmbaren Ergebnis“ beim Entgelt. Die Einschnitte bei der ZVK seien jedoch eine „Kröte“ – gerade im Südwesten, wo die Mitglieder anders als in weiteren Bundesländern direkt von den erhöhten Arbeitnehmerbeiträgen betroffen seien. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll genutzt werden, um dessen Weiterentwicklung vorzubereiten – vorausgesetzt, das Verfassungsgericht kippt das Gesetz der Bundesregierung zur Tarifeinheit im Betrieb. Ein Urteil könnte eventuell noch dieses Jahr ergehen. Der Marburger Bund gehört zu den schärfsten Kritikern des Gesetzes.

„Der eigentliche Verbesserungsbedarf liegt nicht im reinen Entgeltbereich“, sagt Reuther mit Blick auf die gerade veröffentlichten Ergebnisse einer großen Gewerkschaftsumfrage. Demnach geben drei Viertel der Klinikärzte bundesweit wegen oft monatelanger Unterbesetzungen in den Abteilungen an, zu wenig Zeit zur Behandlung ihrer Patienten zu haben. 50 Prozent der Befragten arbeiten 49 bis 59 Stunden pro Woche inklusive Überstunden und Bereitschaftsdiensten, 23 Prozent gar noch mehr. Jeder Zweite stuft seine derzeitigen Arbeitsbedingungen als „mittelmäßig“ ein.