Die Verhandlungsführer Roman Zitzelsberger (links) und Harald Marquardt besiegeln die Tarifeinigung. Foto: dpa/Marijan Murat

Metallarbeitgeber und IG Metall einigen sich in Ludwigsburg nach gut elfstündigem Ringen auf einen zweistufigen Tarifabschluss bis Ende September 2024. Zudem wird die Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro in zwei Tranchen ausgezahlt.

In einem elfstündigen Verhandlungsmarathon haben sich die Tarifparteien der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie in der Nacht zu Freitag in Ludwigsburg auf einen Pilotabschluss geeinigt. Das Abkommen soll nach der Übernahme durch die anderen Tarifgebiete für annähernd vier Millionen Beschäftigte gelten. Demnach steigen die Entgelte zum 1. Juni 2023 um 5,2 Prozent und zum 1. Mai 2024 um weitere 3,3 Prozent.

Zudem erhalten die Beschäftigten eine steuerfreie Inflationsprämie in Höhe von 3000 Euro. Diese wird in zwei Schritten ausbezahlt: 1500 Euro im Januar oder Februar 2023, weitere 1500 Euro im Januar/Februar 2024. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 24 Monaten bis zum 30. September 2024.

Zwischenzeitlich am Rande des Scheiterns

Beide Seiten lobten im Anschluss die Einigung, betonten aber auch, dass die Verhandlungen zwischenzeitlich am Rande des Scheiterns und damit kurz vor einem Arbeitskampf gestanden hätten. Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf nannte den Tarifabschluss ein „hartes Stück Arbeit“. In einem Umfeld von Rezession, Preisdruck, Corona und Krieg habe man langfristige Planbarkeit für alle Beteiligten geschafft. Die Höhe des Abschlusses sei zwar eine große Belastung für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung – ein Arbeitskampf hätte aber noch größeren Schaden verursacht und wäre ein fatales Signal für den Standort gewesen. „Wir haben immer herausgestellt, dass die Beschäftigten beteiligt werden, wenn es Wachstum gibt“, so Wolf. Damit sei dieser Abschluss ein „Vorschuss auf das Wachstum, auf das wir ab 2024 wieder hoffen“.

„Viele Ziele zumindest mit Abstrichen erreicht“

Der Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite, Harald Marquardt, bewertete den Kompromiss als „sicherlich in vielen Punkten schmerzhaft und absolut an der Grenze dessen, was wir für die Mehrzahl unserer Mitglieder gerade noch für tragbar halten“. Er sei nur akzeptabel, weil er auch Entlastungsmöglichkeiten für Firmen in schwieriger Lage enthalte und Planungssicherheit bis weit in das Jahr 2024 hinein gebe. „Wir haben damit viele unserer Ziele in dieser Tarifrunde zumindest mit Abstrichen erreicht“, sagte der Verbandsvize.

Sein Pendant, IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger, betonte: „Die Kolleginnen und Kollegen bekommen nun endlich die dauerhafte prozentuale Entgelterhöhung, die ihnen zusteht.“ Gemeinsam mit der Inflationsprämie entstehe ein Gesamtpaket, das helfe, die Belastungen abzufedern. Insbesondere die unteren Entgeltgruppen profitierten überproportional von dem Ergebnis. Den Angaben zufolge kann ein durchschnittlich verdienender Facharbeiter über die gesamte Laufzeit ungefähr 8500 Euro mehr erhalten – inklusive Inflationsbonus.

„Stütze für die Konjunktur in Deutschland“

In der großen Tarifkommission sei die erste Bewertung dennoch sehr unterschiedlich ausgefallen – es habe Belegschaftsvertreter gegeben, die sich hätten mehr vorstellen können. Er selbst hätte sich frühere Zeitpunkte für die Lohnerhöhungsstufen gewünscht – also nicht erst im Juni nächsten und Mai übernächsten Jahres. „Mehr geht immer“, sagte Zitzelsberger.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann unterstrich die „gerechte Lastenverteilung“ in diesem „verantwortungsvollen Abschluss“ und betonte: „Die Beschäftigten haben demnächst deutlich mehr Geld in der Tasche – und zwar dauerhaft.“ Es sei in einer äußerst herausfordernden Zeit gelungen, die Beschäftigten spürbar zu entlasten, Einkommen nachhaltig zu stabilisieren und die Kaufkraft zu stärken. „Das Tarifergebnis stützt somit auch die Konjunktur in Deutschland“, versicherte er. Den Erfolg führte er auch auf die bundesweit rund 900 000 Metaller zurück, die sich an den Warnstreiks beteiligt hätten.

Möglichkeiten der Differenzierung geschaffen

Im Vorfeld der fünften Verhandlungsrunde hatten die Arbeitgeber auf eine automatische Differenzierung gedrungen, wonach Unternehmen in wirtschaftlichen Nöten ohne weitere Verhandlungen entlastet werden sollten. Erreicht wurde dies nur begrenzt: So können die Betriebsparteien per freiwilliger Betriebsvereinbarung die Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie zu anderen Zeitpunkten festlegen. Eine frühere Auszahlung ist jederzeit möglich. Es müssen jedoch mindestens 750 Euro im Januar 2023 ausbezahlt werden.

Und es soll – wie bereits im vorigen Tarifabschluss – beim sogenannten tariflichen Zusatzgeld eine Differenzierung geben. Bei einer Nettoumsatzrendite unter 2,3 Prozent kann es sowohl 2023 als auch 2024 verschoben, gekürzt oder gestrichen werden. Das Zusatzgeld wird dabei von derzeit rund 400 auf 600 Euro erhöht. Zugleich entfällt im nächsten Jahr die geplante Erhöhung des sogenannten Transformationsbausteins (Trafobaustein) – stattdessen wird dieser im Februar in Höhe von 18,4 Prozent des Monatsentgelts ausgezahlt.

Für den Fall einer Energienotlage haben sich die Tarifparteien auf einen Prozess verständigt, der sicherstellt, dass jederzeit flexibel während der Laufzeit des Tarifvertrags darauf reagiert werden kann.