Andrea Gern ist Tanz-Botschafterin. Foto: die arge lola

Andrea Gern, die neue Geschäftsführerin der Tanzszene Baden-Württemberg, will auch abseits der städtischen Zentren für den zeitgenössischen Tanz begeistern.

Stuttgart - Tanz ist eine Kunstform für Städter. In ländlicheren Regionen fehlt es dagegen an Erfahrungen damit, vor allem auch mit zeitgenössischem Tanz. Andrea Gern, seit Beginn des Jahres Leiterin der Interessengemeinschaft Tanz in Baden-Württemberg, möchte als Botschafterin für den Tanz neue Publikumskreise erschließen und plant daher, mit drei Choreografen Entwicklungsarbeit zu leisten.

Frau Gern, Sie sind seit Februar Geschäftsführerin der Interessengemeinschaft Tanz – Tanzszene Baden-Württemberg. Machen Sie gerade wie der Tanz auch Sommerpause?
Nein, gar nicht. Wir sind mitten in den Vorbereitungen für die Internationale Tanzmesse in Düsseldorf, die vom 31. August bis 3. September stattfindet. Die Tanzszene Baden-Württemberg hat dort seit sechs Jahren einen Stand. Düsseldorf ist in erster Linie ein Branchentreff für den internationalen zeitgenössischen Tanz, es gibt ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm mit großen Produktionen, aber auch kleineren Formaten. Für die Tanzszene sind die Netzwerkarbeit und der fachliche Austausch vorrangig.
Warum ist es wichtig für Sie, dort vertreten zu sein?
Uns geht es darum, als Tanzregion wahrgenommen zu werden. Im Ausland kennt man natürlich die Berliner Szene, das Ruhrgebiet. Aber Baden-Württemberg? Das ist für die Tanzschaffenden ein weißer Fleck auf der Landkarte – in Spanien beispielsweise hat man uns nicht auf dem Schirm, vom Stuttgarter Ballett einmal abgesehen. Deshalb ist es für unsere Netzwerkarbeit sehr wichtig, dort vertreten zu sein.
Sie machen also auf der Messe die hiesige Tanzszene sichtbar, das ist ja eine der zentralen Aufgaben Ihres Vereins. Wie werden Sie sich präsentieren?
Wir haben einen Flyer sowie eine DVD mit kurzen Videodemos. Darauf sind 25 Tanzensembles und Häuser, beispielsweise das Nationaltheater Mannheim oder das Theater Pforzheim sowie Choreografen vertreten. Außerdem werden Künstler bei uns am Stand sein, die Ausschnitte aus ihrer Arbeit zeigen.
Was ist das Besondere der Tanzszene in Baden-Württemberg?
Baden-Württemberg ist ein Flächenland. Klar, Tanzbegeisterte fahren auch von weiter her mal in die Landeshauptstadt zum Stuttgarter Ballett. Aber wie bringen wir Menschen in entlegeneren Regionen mit zeitgenössischem Tanz in Berührung? In Baden-Württemberg haben wir, was den Tanz angeht, eine hervorragende Mischung. Auf der einen Seite die großen Leuchttürme wie das Stuttgarter Ballett oder das Badische Staatsballett, feste Ensembles mit einem klaren Profil. Auf der anderen Seite gibt es eine große Zahl an Tanzschaffenden in den Gemeinden und Regionen mit sehr vielfältigen künstlerischen Ansätzen. Die Leuchttürme sieht man sehr gut, die anderen sind noch nicht so sichtbar. Um auch sie sichtbar zu machen, braucht es die Vernetzung und gemeinsame Aktionen.
Hierfür dienen unter anderem auch die Runden Tische, die Sie regelmäßig veranstalten.
Ja, denn da sitzen dann der neue Ballettdirektor von Pforzheim, jemand vom Stuttgarter Ballett wie auch ein Vertreter einer inklusiven Tanzkompanie aus Lahr zusammen. Das Besondere an unserem Verein ist ja, dass darin sowohl die festen Ensembles und Choreografen von Stadt-, Landes- und Staatstheatern als auch freie Tanzschaffende vertreten sind. So kommen die Leute miteinander in Berührung.
Was unternehmen Sie, um den Tanz abseits der städtischen Zentren als Kunstform in den Fokus zu rücken und die Leute mit ihm in Berührung zu bringen?
Wir wissen, dass es im ländlichen Raum große Hürden gibt, wenn es um zeitgenössischen Tanz geht. Wir haben bereits vor einigen Jahren mit Hilfe unserer Erhebung „Bühnen für den Tanz“ versucht herauszufinden, welche Einrichtungen Interesse hätten, zeitgenössischen Tanz zu zeigen und was sie daran hindert. Das ist nun durch eine umfangreiche Studie vom Landesverband der freien Theater, LAFT, zur kulturellen Bildung im ländlichen Raum erweitert worden. Das Fazit in puncto Tanz: Viele Kultureinrichtungen glauben, dass Tanz mit enormem Aufwand verbunden ist. Ich habe die Technik nicht, ich kenne mich nicht so gut aus, ich weiß nicht, wen ich einladen kann – diese Vorstellungen sind verbreitet. Dem wollen wir nun mit einem Projekt gegensteuern.