Am Samstagnachmittag gingen die Stuttgarter auf der ersten Tanzdemo für Subkultur und Freiraum auf die Straße. Die Veranstalter zeigen sich zufrieden und sprechen von mehr als tausend tanzenden Demonstrierenden.
„Lebende Subkultur statt leerer Beton“. Die Straße vor der Johanneskirche am Feuersee füllt sich um 15 Uhr nach und nach mit Menschen, Gelächter und selbst gebastelten Schildern. Ein Traktor und weitere kleine mit Discokugeln und Blumen dekorierte Wägen stehen schon bereit. Natürlich spielen auch verschiedene DJs – immerhin soll es ja eine Tanzdemo werden. Und diese passt mit ihrem Themenschwerpunkt rund um die Stuttgarter Subkultur ziemlich gut zu den aktuellen Geschehnissen in der Stadt: der Konflikt um die Freitreppe am Stadtpalais, das Ende von der Open Air-Veranstaltung „Palais Après“ oder das drohende Aus der Rakete-Bar im Theater Rampe.
Viele Stuttgarter zeigen sich bestürzt und damit hat die friedliche Tanzdemo für Subkultur und Freiraum noch mal eine neue Bedeutung bekommen. „Mit unserer Tanzdemonstration möchten wir friedlich auf aktuelle Probleme und Missstände aufmerksam machen. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung und der Politik wollen wir Lösungen entwickeln, die die (Sub-)Kulturen bewahren und stärken“, heißt es auf der Webseite der Tanzdemo Stuttgart.
Tanzdemo von Interessenverbund verschiedener Kollektive
Dahinter steckt das sogenannte interkollektive Meetup, ein Interessenverbund bestehend aus unterschiedlichen Stuttgarter Veranstaltungskollektiven. Seit 2023 treffe und tausche man sich regelmäßig aus – unter anderem in einer großen Telegram-Gruppe. Justus Bartlewski, einer der Organisatoren der Demo, erklärt: „Noch haben wir keine formelle Struktur, diese ist aber im Aufbau.“ Als Vorbild und Inspiration für die Tanzdemo nennt Bartlewski Veranstaltungen wie „Mehr Lärm für München“ oder die „krachparade Aachen“.
Mehrere hundert bis tausend Menschen
An diesem Samstagnachmittag folgen dem Aufruf zum Tanzen laut Polizei „mehrere hundert“ Menschen, die Veranstalter schätzen sogar knapp zweitausend. Angemeldet war die Demonstration für 500 Personen.
Bevor sich der Demozug vom Feuersee über die Rotebühlstraße in Richtung Stadtmitte in Bewegung setzt, verlesen die Veranstalter ihre Forderungen bei einer Startkundgebung. Diese lauten: „Schutz und Ausbau von Kultur- und Freiräumen, geeignete Flächen für Musikveranstaltungen im Freien, Erhöhung und Zugänglichkeit öffentlicher Fördermittel und Konzepte zur Vermittlung bei Lärmkonflikten.“
Die Redebeiträge und Zwischenkundgebungen an diesem Tag drehen sich unter anderem um die Notwendigkeit von Raum für Mensch, Natur und Subkultur, aber auch das „Feiern nach 22 Uhr“ wird thematisiert.
Nachtmanager Nils Runge hebt vor allem hervor, wie wichtig die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure des Nachtlebens sei. Pauschalisierungen und Boykott sein dabei nicht zielführend. Weitere Beitragende sind Klaus-Peter Graßnick (Kultdiak Stuttgart e.V.), Jan Marvin Wickert (Kollektiv Waldtraut Lichter), Lilou Prochazkova (Art:al Kollektiv) sowie Marcel Roth (Bündnis 90/Die Grünen) und Thorsten Puttenat (Die Stadtisten).
Nach der Forderungsübergabe an die anwesenden Gemeinderatsmitglieder wird das Ende der Demo auf dem Marienplatz gefeiert. Die Stimmung ist friedlich und ausgelassen, auch wenn die Lage der Subkultur in Stuttgart weiterhin ernst bleibt. Das wissen auch die Veranstalter und zeigen sich zwar zufrieden, aber denken bereits vor Ort über eine mögliche Fortsetzung nach.