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Wer mit dem Rovos-Zug von Daressalam nach Kapstadt fährt, legt mehr als 6.000 Kilometer zurück.

Plötzlich sind sie da. Von allen Seiten kommen sie angerannt, tauchen unvermittelt aus der Dämmerung auf, lösen sich aus dem Schatten dichter Büsche und Bäume. Sie johlen, sie winken, sie lachen und sie rufen uns unverständliche Worte zu – Kinder, große und kleine, barfuß und zerzaust, im Sonntagsstaat oder halbnackt. Überall sind sie zur Stelle, wenn der lange Lindwurm heranschnauft und sein lautes Rattern und Tuten die Stille Afrikas durchbricht.

Grünlackiert mit eindrucksvollen Wappen, feinen Vorhängen und blickdichten Holzläden ist der berühmte "Pride of Africa" für die Betrachter draußen mindestens so exotisch wie Tiere, Dörfer und Landschaften für die Passagiere drinnen. Der stolze Zug, mit edel restaurierten historischen Speise- und Salonwagen, mit einer offenen Aussichtsplattform und elegant ausgestatteten Abteilsuiten, beginnt seine vierzehntägige Tour zwischen Daressalam und Kapstadt entsprechend stilvoll: Während das Polizeiorchester ein Ständchen spielt, servieren die Zugbegleiter Champagner.

Gloria, die in den Tagen an Bord für unser Wohlbefinden zuständig ist, bringt uns in unseren Wagen. Im Deluxe-Abteil Delagoa sind geschickt verstaut auf elf Quadratmetern zwei Betten, Tisch und Stühle, Regale, Schränke und alle Annehmlichkeiten zu finden, die sich Reisende nur ausmalen können: Getränke nach Wunsch, flauschige Bademäntel und Pantoffeln, Reisetaschen im Rovosgrün für unsere Ausflüge, feine Toilettenartikel, Heizdecken und Klimaanlage. Gloria wird immer zur Stelle sein, sie wird uns abends das Bett aufdecken, im Bad die Handtücher ordnen, unsere Wäsche mitnehmen und Insekten verscheuchen.

Draußen jauchzt der Radetzky-Marsch über den Perron, Bahnhofs-Mitarbeiter winken, und der grüne Zug setzt sich knarzend in Bewegung. Und da sind sie auch schon, die winkenden Kinder, die bis Kapstadt 6.100 Kilometer lang, immer wieder auftauchen, aus dem Busch, aus Dörfern, aus dem Nirgendwo und uns begeistert ein kleines Stück Wegs begleiten. Wir werden zurückwinken, zurücklachen, zurückrufen – auf Englisch, werden gestikulierend erklären, warum wir ihnen weder Geld, noch Kugelschreiber und Süßigkeiten aus den Fenstern reichen. Die drei Reiseleiter und der Bordarzt mahnten schon vor dem Einsteigen, dass unsere Gaben zu blutigen Auseinandersetzungen führen, wenn einige etwas ergattern und andere über sie herfallen. Unsere kleinen Mitbringsel überlassen wir also der Zugmanagerin, die sie gezielt verteilen lässt. Die Kinder scheinen sich trotzdem über die seltsamen Musungus, wie die weißen Fremden hier heißen, in ihrem rollenden Märchenschloss zu freuen. Und so machen wir weiter füreinander Faxen.

Bis Emily mit ihrem Marimba-Gong durch die langen Gänge geht und zum Essen ruft. Im klimatisierten Speisewagen erwartet uns dreimal am Tag Gourmet-Küche der Spitzenklasse, begleitet von den erlesensten südafrikanischen Weinen, die eigens für diese Reise ausgewählt wurden. Das Porzellan mit Rovos-Wappen, das Silber, die Kristallgläser und die Blumenbouquets – alles erinnert an vergangene Zeiten als Reisen immer mit Eleganz und mit großem Luxus verbunden war. Dabei wurde Rovos Rail erst 1989 von Rohan Vos in Pretoria gegründet, mit dem Ziel historische Züge wieder zum Leben zu erwecken und quer durch Afrika auf stilvolle Reisen zu schicken.

Heute sind drei Rovos-Züge auf verschiedenen Routen unterwegs, wobei das Schienennetz meist marode und vorwiegend für den Gütertransport gedacht ist. Das tut dem Vergnügen keinen Abbruch, auch wenn unser Zug gelegentlich über schiefe Schwellen holpert. Dafür zieht Afrika bei Geschwindigkeiten von 25 bis maximal 60 Stundenkilometern mit vielen Details an uns vorbei wie kühn beladene Fahrrädern, einfache Ziegelbacköfen, bizarre Baumskulpturen und die große Wäsche am Fluss. Entspannt sitzen die Gäste mit einem Sundowner im Aussichtwagen am Ende des Zuges, genießen den lauen Abendwind, der fremde Gerüche herbeiweht, und beobachten, wie in wenigen Minuten die Sonne hinter Baobabs, Akazien und Euphorbien versinkt. Dann blitzen die Sterne wie Diamanten auf und das Rätseln um das Kreuz des Südens beginnt. Unter den 45 Mitreisenden sind Geschäftsleute, Ingenieure, Sozialarbeiter, Priester, Ärzte, Beamte – die kostspielige Luxusreise wird bei den deutschen Veranstaltern von einem gemischten Publikum gebucht, das weniger am Dresscode interessiert ist als am behütet-stilvollen Reisen durch fünf Länder mit abwechslungsreichen Landschaften.

Bahn frei für Afrika

Auf der Kapspur schlängelt sich der grüne Wurm durch tropischen Wald ins tierreiche Selous-Wildreservat, wo die ersten Giraffen über die Gleise staksen. Durch wenig zugängliche Gebiete ohne Straßen, an Bergketten entlang über das Great Rift Valley nach Sambia, wo wir 1.300 Meter Höhe erreichen. Ab Kapiri Mposhi fährt der Rovos auf der alten Kolonial Bahnstrecke weiter, die nach Cecil Rhodes Plänen gebaut wurde. Unter anderem über die spektakuläre Victoria-Falls-Brücke nach Simbabwe. Durch die Matabele-Provinz nach Botswana und schließlich durch Südafrika über Pretoria und Kimberley, die karge Karoo und das üppige Hexriver-Valley nach Kapstadt.

Um nicht die Orientierung zu verlieren, bereiten die Reiseleiter ihre Gäste mit Bordvorträgen zu Landeskunde, Geografie und Geologie auf die Welt außerhalb des Zuges vor. Denn wir sehen Afrika nicht nur durch das Abteilfenster, sondern unternehmen Ausflüge auf den Markt von Makambako, zu den Viktoriafällen, gehen im Madikwe Wildreservat auf Safari und auf eine große Chobe-Flussfahrt. Auch eine Rinderfarm mit Picknick, das Diamantenmuseum von Kimberley und das Rovos-Hauptquartier mit alten Loks und Waggons gehören zu unseren Zielen – die Reise ist prall gefüllt mit Eindrücken und doch haben wir immer Zeit und Muse zum Schauen und Genießen.

Der vielleicht nachhaltigste Stopp unseres heimeligen Gefährts ist kurz vor Lusaka im sambischen Dorf Ngwerele. Am Sonntagmorgen um sieben Uhr stapfen wir mit steifen Gliedern und warmen Jacken durch die Maisfelder auf schmucklose graue Baracken zu. Die Schule. Etwa hundert Kinder erwarten uns fröstelnd in der kühlen Morgenluft. Sie singen für uns "You are welcome" und die sambische Nationalhymne "Gott beschütze Afrika". Eng aneinandergedrückt in Reihen stehen die Jungen und Mädchen vor der Fahne auf dem Versammlungsplatz. Sie singen hell und laut, lachen, machen Quatsch vor den Kameras und wirken unbekümmert. Die Wirklichkeit, erzählt ihr Mathematiklehrer Alfred, sieht so aus: 1300 Kinder werden von 25 schlecht bezahlten Lehrern in zwei Schichten unterrichtet, weil nicht genug Platz für alle da ist. Viele Kinder sind Aids-Waisen, sie bekommen höchstens eine Mahlzeit am Tag, in der Schule kann nicht gekocht werden. Es gibt keinen Strom, kein Trinkwasser, keine Klos. Manche Kinder trinken aus Pfützen und werden krank.

Deshalb hält der Zug hier, deshalb singen die Kinder am Sonntagmorgen, deshalb spenden wir Geld für einen Brunnen, für sanitäre Einrichtungen und Kochmöglichkeiten. Der deutsche Reiseveranstalter hat den Stopp initiiert und das Schul-Projekt ins Leben gerufen, weil viele Touristen angesichts der Not helfen wollen. Nach einem Rundgang übers Gelände ziehen wir betreten ab, steigen ein in unsere warmen schönen Wagen – und sind wie betäubt beim üppigen Frühstück.

Am Abend tauschen einige Gäste ihre Afrika-Erfahrungen aus, erzählen von Hilfsprojekten, bei denen sie sich bereits engagieren oder geben zu, dass ihnen die Tränen kommen, angesichts des Kontrastes zwischen Luxus drinnen und Armut draußen. So ist die Reise für viele keine dekadente Tour, sondern ein Zugang zum südlichen Afrika, zu diesen beeindruckenden, vielschichtigen Ländern.

Wie schön wir es im Zug haben, wissen wir auch nach unseren Exkursionen. Wenn wir in unser rollendes Zuhause zurückkehren, stehen Gloria und ihre Kollegen freundlich Spalier, überreichen feuchte Tücher und Getränke. Die Betten sind dann frisch bezogen und ein Präsent liegt bereit. Nirgends war das Essen so gut wie das aus der schaukelnden engen Kombüse unseres Zuges, nirgends die Abende mit vorbeiziehender Landschaft so stimmungsvoll wie auf den Schienen. Und nirgends haben wir so viele Kinder kennengelernt, die plötzlich auftauchen und fassungslos staunen, wenn Musungus jodeln.

Info Die Sonderzugreise von Daressalam nach Kapstadt (und umgekehrt) mit Rovos wird im Exklusivcharter von Lernidee Erlebnisreisen veranstaltet. Die nächste Schienenkreuzfahrt findet vom 28.8. bis 14.9.2010 statt (27.8. bis 13.9.2011) und kostet zwischen 9.680 und 16.620 Euro pro Person. Im Reisepreis sind Flüge, zwei Übernachtungen in Daressalam, eine Übernachtung in Kapstadt, Lodge-Aufenthalte, mehrere Safaris, Ausflüge, Transfers, die All-inklusiv-Versorgung im Luxuszug sowie Bordarzt und deutschsprachige Reiseleitung enthalten. Das Programm und weitere Zugreisen gibt es bei Lernidee, Telefon 030 / 7 86 00 00, http://www.lernidee.de. Auch bei Venter Tours (Tel. 03 95 / 5 55 31 85, http://www.ventertours.de) kann man diese Bahnreise buchen. Gebeco (Tel. 04 31 / 5 44 60, http://www.gebeco.de) hat Afrika-Zugreisen wie den Shongololo-Express im Programm.

Der Rovos-Zug Pride of Africa hat maximal 22 Waggons, mit zwei Speise- und zwei Salonwagen sowie einem offenen Aussichtswagen. 72 Passagiere können in drei Kabinenkategorien untergebracht werden (7, 11 und 16 Quadratmeter, alle mit Duschbad und Toilette oder mit Badewanne). Voll ausgelastet ist der Zug etwa einen halben Kilometer lang. Mit Rovos-Zügen sind auch Zugreisen durch Namibia, verschiedene Südafrika-Trips, eine Golf-Safari und eine Kapstadt-Kairo-Tour buchbar. Info: Rovos Rail, Pretoria, Tel. 00 27 21 / 3 15 82 42, http://www.rovos.com.

Das Schulprojekt der Robert Dean Schule von Ngwerele kann man über Lernidee Erlebnisreisen unterstützen.