Quarterback Tom Brady (re.) und Tight End Rob Gronkowski gewinnen mit Tampa Bay den Superbowl – die beiden Profis eint eine lange Geschichte. Foto: AFP/MIKE EHRMANN

Bei den Tampa Bay Buccaneers wird nicht nur der Traum von Tom Brady und Rob Gronkowski wahr – auch Headcoach Bruce Ariens schreibt Geschichte, und Bürgermeisterin Jane Castor bekommt ein Luxusproblem.

Stuttgart/Tampa - Tom Brady telefoniert per Video mit Rob Gronkowski, mit dem er bei den New England Patriots drei Superbowl-Siege gefeiert hat. „Gronk“ genießt mittlerweile den Ruhestand, spielt gerade Golf, schwärmt über die stressfreie Zeit und rät Brady, es ihm gleichzutun. Doch weil die Verbindung immer wieder unterbricht, glaubt der Quarterback, der zu den Tampa Bay Buccaneers gewechselt ist, dass sein Kumpel mit ihm ein weiteres Mal in den Superbowl einziehen will. Brady kündigt auf einer Pressekonferenz an, dass Gronkowski zurückkehren wird – was der auf der Couch vor dem Fernseher völlig perplex registriert. Dann ruft er: „Mom! Wo sind meine Footballhosen?“

Ob die Wiedervereinigung von Tom Brady und Rob Gronkowski bei den Buccaneers tatsächlich so ins Rollen gekommen ist, wie in dem Werbeclip des Telekommunikationsanbieters, darf bezweifelt werden. Aber manchmal liegen Illusion und Realität, Wunsch und Wirklichkeit näher beieinander als man vermutet. Denn am 7. Februar haben die Quarterback-Legende und dessen Lieblings-Tight-End im Superbowl zum vierten Mal gemeinsam triumphiert – und nach dem souveränen und überraschend deutlichen 31:9-Erfolg über Titelverteidiger Kansas City Chiefs ist Tom Brady mit sieben Superbowl-Triumphen endgültig der erfolgreichste Profi der NFL-Geschichte.

Gronkowski fängt sechs Pässe von Brady

Am Sonntagabend im Raymond-James-Stadion in Tampa, das mit knapp 25 000 Fans wegen (oder trotz) Corona nur zu einem Drittel gefüllt war, harmonierten der 43 Jahre alte Quarterback und sein 31-jähriger Mitspieler wie einst in ihren besten Tagen im Trikot der New England Patriots – so gut, dass selbst Brady ins Schwärmen kam. „Gronk ist ein unglaublicher Spieler, Mitspieler, Talent“, sagte der Spielmacher, „seit er hier ist, hat er alles auf die richtige Art und Weise gemacht.“ Der Mann auf der Position des Tight Ends hatte zwei Touchdowns erzielt und war bester Passempfänger der Piraten – sechs Pässe erhielt er von Brady für den Raumgewinn von 67 Yards. Der 1,98 Meter große und 120 Kilogramm schwere Angreifer war einer der entscheidenden Faktoren für den zweiten Triumph der Bucs im Superbowl nach 2002. „Hierher zu kommen und Superbowl-Champion zu sein, das ist surreal, Mann“, sagte Robert Paxton Gronkowski, der im Frühjahr 2019 dem Football das „last farewell“ (Lebewohl) verkündet und eine nicht ganz ernste Kurzkarriere als Wrestler begonnen hatte.

Als Brady mehr als ein Jahr danach erneut rief, ihm sozusagen einen verbalen Pass warf, konnte Gronkowski nicht anders, als diesen Spielzug auszuführen und sich nach Tampa aufzumachen – es sind ziemlich beste Freunde, nicht nur auf dem Spielfeld. Jedoch benötigte der ehemalige Sportrentner etwas Anlaufzeit. In den ersten Spielen fiel der reaktivierte Tight End eher als Blocker denn als Passempfänger auf. Seine Bilanz bis zu seinem ersten Gala-Auftritt im Bucs-Trikot gegen Green Bay Ende Oktober: kein Touchdown, nur 140 Receiving Yards. Gegen die Packers setzte Headcoach Bruce Arians wieder auf die Fangqualitäten des Routiniers – „Gronk“ wurde die zuverlässige Anspielstation für Brady, die er von 2010 bis 2018 so erfolgreich bei den Patriots gewesen war. Der 31-Jährige mit dem Hang zum Verrückten und einer Vorliebe für Partys bekam vom Ex-Team aus Foxborough einen spaßigen Ratschlag für die Feierlichkeiten. „Gronk, sei vorsichtig mit der Trophäe“, twitterten die Patriots. In der Vergangenheit hatte der Hüne den Pokal schon brachial als Baseballschläger missbraucht – und eine Delle in die Vince-Lombardi-Trophy geschlagen.

Arians erfüllt sich mit 68 Jahren einen Traum

Nicht nur für das Duo Brady/Gronkowski erfüllte sich ein sportliches Märchen an jenem 7. Februar 2021, auch für Bruce Arians wurde ein Traum wahr, den er für nahezu unerfüllbar hielt. Als Assistenztrainer hatte er 2005 und 2008 mit den Pittsburgh Steelers im Superbowl gesiegt, doch als Headcoach fehlte ihm dieser Titel noch in der Vita. Und wenn einer 68 Jahre alt ist, kommen nicht mehr allzu viele Chancen. Dass es dieses Jahr so weit sein würde, darauf hätte er wohl keinen Cent vor der Saison gesetzt. Die Bucs mit der Vince-Lombardi-Trophy? „Ich hätte schon etwas Illegales rauchen müssen, um mir das vorstellen zu können“, sagte Arians, der nun der älteste Headcoach eines Superbowl-Gewinners ist. Als er die Trophäe in Händen hielt, grüßte er zuerst seine 95 Jahre alte Mutter Kay, die das Finale live im Stadion verfolgt hatte. An diesem Abend wurden kleine Wunder wahr.

Dann ist da noch die Geschichte rund um die Stadt Tampa. Bürgermeisterin Jane Castor war schon vor dem Triumph von Tom Brady begeistert wie ein Teenager, die 60 Jahre alte Verwaltungschefin hatte versprochen, die Stadt im Falle des Sieges der Buccaneers im Superbowl in Tompa Bay umzubenennen. „Wir sehen uns am Montag in meinem Büro, um darüber zu diskutieren“, schickte Jane Castor via Twitter in die Richtung des Quarterbacks. Sie hätte vorsichtiger sein sollen, manchmal trennen Illusion und Wirklichkeit nur ein paar Nanometer.