Bei Markus Lanz ging es am Dienstagabend um die US-Präsidentschaftswahlen und um die deutsche Innenpolitik. (Archivbild) Foto: dpa/Markus Hertrich

Starker Doppelschlag von Moderator Markus Lanz: Erst lobt er Joe Biden über den Klee, dann zwiebelt er die Grünen-Dissidentin Melis Sekmen. Die gerät ins Schwimmen.

Also eine Hälfte USA, eine Hälfte deutsche Innenpolitik und beide spannend und unterhaltsam am Dienstagabend bei Markus Lanz im ZDF. Zunächst einmal schilderte der aus den USA zugeschaltete ZDF-Studioleiter in Washington, Elmar Theveßen, den Auftritt von Donald Trump beim Nominierungsparteitag in Milwaukee. Lanz konfrontierte ihn mit Interviewaussagen eines der Fotografen, die die berühmten Fotos von Donald Trump kurz nach dem Attentat von ihm geschossen haben. Trump sei seinem politischen Instinkt gefolgt, der ihn mit einer Geste reagieren ließ, die ihn zum „Märtyrer oder Helden“ werden lasse. Andererseits habe Trump auch schwach, alt, müde und kaputt gewirkt – was angesichts der Situation sicher kein Wunder ist. Aber auch in Milwaukee hält der Eindruck noch an: „Trump wirkt angeschlagen, ein Stück weit fragiler und nahe am Wasser gebaut“, berichtete Theveßen.

Hat das Attentat ihn verändert?

Angesichts eines gerade überstandenen Anschlags könne man Trump dies nicht verdenken und dass er noch im Moment nach dem Schuss eine politische Botschaft ausgesendet habe, komme in der Bevölkerung „sehr gut an“. Seine Fans sprechen von „einem Wunder“ und dem „Willen Gottes“. Aber sehr spannend werde sein, wie Trump seine für Donnerstag geplante Nominierungsrede ausrichten wird, so Theveßen. Hat das Attentat ihn verändert? Werde er sich da „staatsmännisch-großmütig“ geben oder wieder Tiraden loslassen und Vergeltung fordern? Hinweise auf eine Eskalation der Spannungen in den USA geben kleinere Übergriffe – etwa die Demolierung eines Wahlkampfbüros der Demokraten – und immerhin acht Prozent der Amerikaner hielten Gewalt als Mittel der Politik für legitim, sagte Theveßen. Zumindest personell bleibt Trump mit der Verkündung von James David Vance als seinem Vizepräsidenten auf Kurs: Vance sei ein „Hardliner“, ein Vertreter des rechten Flügels in Sachen Abtreibung, Stopp der Ukraine-Hilfen, Deal mit Putin sowie Strafzöllen gegen China und andere. Mit seiner früheren Kritik an Trump („Hitler Amerikas“) und seiner späteren Hinwendung zu ihm habe Vance eine Kehrtwende vollzogen, wobei unstrittig in der Runde war, dass Vance ein gutes Buch über seine Herkunft aus einer Arbeiterfamilie geschrieben hat: die „Hillbilly Elegy“ sei eine „berührende Aufsteigergeschichte“ musste auch Studiogast Hubertus Heil (SPD), der Bundesarbeitsminister, anerkennen, der im übrigen die Hoffnung aussprach, dass die „Hasserfülltheit“ zwischen den Parteien in den USA sich abkühlen werde.

Moderator überrascht

Etwas überraschend sprach Moderator Lanz dann eine ganz andere Hoffnung aus: die auf Joe Biden, denn die Wahl sei ja noch nicht entschieden und in den USA könne die Stimmung auch in kurzer Zeit umschlagen. Biden habe in seiner Reaktion auf das Trump-Attentat den „guten, alten Präsidenten“ gezeigt, den die Leute sehen wollten. Und in einem für einen Moderator unüblich langen Wortbeitrag schilderte Lanz dann, wie ungerecht er die mediale Konzentration auf einen einzigen Versprecher Bidens bei der Nato-Pressekonferenz fand: Biden habe da eine lange Rede gehalten, sich dann eine Stunde lang den Fragen der Journalisten gestellt, sich sehr klar als Transatlantiker geäußert, seine Haltung zu China und zur Hightech dargelegt, die exzellenten Wirtschaftsdaten geschildert. „Er hatte als 81-jähriger die Zahlen, Daten und Fakten drauf“, so Lanz, die Medien hätten aber nur über seinen Versprecher berichtet. Ihm falle zu Biden das Wort des SPD-Politikers Franz Müntefering ein: „Wir Alten sind nicht mehr so schnell, aber wir kennen die Abkürzungen.“

Biden – ein Stotterer

Auch US-Korrespondent Theveßen bemerkte, man dürfe Biden „nicht unterschätzen“. „Materiell“ sei der immer noch einer der besten Präsidenten der USA und wenn man Pressekonferenzen von Biden und Trump vergleiche, fänden sich Fehler und Unkenntnis bei letzterem. Bei der Beurteilung von Biden müsse man im übrigen wissen, dass er ein Stotterer gewesen sei, „das wird er nie ganz los“.

Von den USA nach Deutschland war es dann ein harter Schnitt, und wie in vielen Talkrunden, in denen SPD-Vertreter sitzen, musste sich auch hier Hubertus Heil anhören, dass die Sozialdemokraten die Arbeiter aus den Augen verloren hätten. Michael Bröcker von Table Media bemerkte, dass bei der Europawahl nur noch neun Prozent der Arbeiter die Kanzlerpartei gewählt hätten, die setze inzwischen nur noch auf Transfersysteme und missachte die Interessen der Arbeitnehmer. Durch die Übernahme von Energie- und Mietkosten sei das Verharren im Bürgergeld für viele attraktiver als zu arbeiten: „Die fragen sich: Mache ich eine 40 Stunden Woche oder nehme ich besser Bürgergeld und mache noch etwas Schwarzarbeit.“ Hubertus Heil bemerkte, das „BAT“ – bar auf die Tatze“ – tatsächlich in der Kombination mit der Grundsicherung ein Problem sei. Tatsache sei aber auch, dass der Mindestlohn seit 2015 stärker gestiegen sei als die Grundsicherung und dass 800.000 „im Bürgergeld“ auch Arbeitnehmer seien, die aufstocken müssten. Es seien übrigens die Grünen gewesen, die die Sanktionen im Bürgergeld komplett abschaffen wollten, nicht die SPD.

Einfach „rüber“ zur anderen Partei?

Zumindest die Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen wollte davon nichts mehr wissen. Sie hat kürzlich die Grünen-Fraktion verlassen, war der CDU beigetreten und hatte bei Lanz flugs auch ein Beispiel für soziale Unausgewogenheit parat: Sie habe einen Gastronomen gesprochen, bei dem ein Jobbewerber abgesagt habe mit der Begründung, wenn er bei ihm arbeite, hätte er monatlich 100 bis 200 Euro weniger als mit Bürgergeld. Ziemlich ausführlich ist Sekmen dann von Lanz verhört worden, warum sie die eigene Partei – die sie vor der Wahl noch engagiert vertreten hatte mit Worten wie „Grün macht den Unterschied – für Klimaschutz und grüne Sozialpolitik!“ – eigentlich verlassen habe. „Dafür sind Sie gewählt worden“, meinte Lanz. Und wo man denn hinkomme, wenn alle nach einer Wahl einfach „rüber“ gingen zu einer anderen Partei: „Da sind ja die Fraktionen bald halb leer.“ Ihn interessiere dass jetzt mal „demokratietheoretisch“ ebenso wie die Frage, warum sie nicht ihr Mandat zurückgebe, sie habe das einmal vom Parteiwechsler Thomas Hornung, einem Grünen-Stadtrat in Mannheim, der zur CDU ging, auch gefordert. Sekmen sagte, beim Hornung sei das anders, der sei auf eine gut dotierte Stelle gewechselt. Sie begründete ihren Wechsel zur CDU mit der fehlenden „Debattenkultur“ in der grünen Bundestagsfraktion, wenn man für eine Steuerung der Migration eintrete, werde man schon in die faschistische Ecke gedrängt. Im übrigen sei sie von den Bürgern „als Mannheimerin gewählt worden, die die Interessen meiner Stadt vertreten soll“. Dann könne sie doch zurück in die Kommunalpolitik gehen, meinte Lanz, „wenn Ihnen das so wichtig ist“. Da entgegnete Sekmen vage, dass man beim Vertreten einer eigenen Meinung „immer gleich eins auf den Deckel“ bekomme. Der Publizist Bröcker merkte an, dass er bei den Grünen jetzt keine „inhaltliche Entwicklung“ habe herauslesen können, der einen Austritt verstehbar mache. Aber Sekmen sei eine frei gewählte Abgeordnete, was sie getan habe sei „ein legitimer Prozess“.