Hinterließen beim Trainingsauftakt des VfB einen guten Eindruck (von links): Stürmer Thomas Kastanaras (19), Torhüter Dennis Seimen (16) und Mittelfeldspieler Laurin Ulrich (17). Foto: Pressefoto Baumann

Gleich drei Hoffnungsträger aus dem eigenen Nachwuchs sind derzeit Teil des VfB-Profikaders. Sie sollen schrittweise an das Bundesliga-Team herangeführt werden.

Die ungewohnteste Aufgabe an seinem ersten Tag bei den Profis wartet auf Laurin Ulrich ganz am Ende. Als das Auftakttraining des VfB Stuttgart schon vorüber ist, geht es für die Spieler noch raus an die Seitenlinie zu den wartenden Fans. Autogramme und Fotos sind gefragt, auch von Youngster Ulrich. Der hat vermutlich noch nie in seinem Leben so viele Unterschriften auf einmal verteilt wie an diesem Montagmittag und muss sich an den ganzen Trubel erst noch ein bisschen gewöhnen.

 

Viele Anhänger kennen den 17-Jährigen schon, manche werfen einen prüfenden Blick auf seinen Rücken und den Nachnamen auf dem weißen Jersey. Ulrich lächelt und dreht sich leicht zur Seite, ein wenig zögerlich allerdings noch. Im Trainingsspiel davor ist von dieser Zurückhaltung kaum etwas zu sehen. Im Mittelfeld setzt Ulrich viele Akzente – er will den Ball, bekommt den Ball, verteilt den Ball. Seinem Trainer gefällt das alles schon ziemlich gut. „Laurin macht einen guten Eindruck“, sagt Pellegrino Matarazzo über das dribbelstarke und körperlich robuste Talent. „Er hat gezeigt, dass er auf diesem Niveau mithalten kann. Man sieht, welches Potenzial er hat.“

Kastanaras und Ulrich sollen die gesamte Vorbereitung mit den Profis absolvieren

Ulrich ist damit in guter Gesellschaft. Neben ihm trainieren derzeit noch zwei weitere vielversprechende Youngster aus der eigenen Jugend mit den Profis: Mittelstürmer Thomas Kastanaras (19) und Torhüter Dennis Seimen (16). Während Seimen zunächst den aufgrund einer Corona-Infektion fehlenden etatmäßigen dritten Torhüter Florian Schock ersetzt, sollen Ulrich und Kastanaras die komplette Vorbereitung mit dem Bundesliga-Team absolvieren und sich anbieten.

Kastanaras’ Trainingsauftritt am Montag verläuft dabei ähnlich verheißungsvoll wie der von Ulrich: Er führt sich gleich mal mit einem Pfostenknaller ein, an den sich Matarazzo nach Trainingsende noch gut erinnert. „Das war kein Zufall. Er weiß, in welchem Moment er in die Tiefe laufen muss.“ Der Schnellste sei er zwar nicht, sagt der VfB-Trainer über den griechischen Juniorennationalspieler. „Aber Timing ist da auch ein sehr wichtiges Element.“

Dennis Seimen gilt als größter Hoffnungsträger im VfB-Tor seit Jahren

Und Seimen? Hat mir seinen 16 Jahren ja noch reichlich Zeit zu reifen, ist aber längst auf dem Radar der VfB-Verantwortlichen. „Wir wissen, dass Dennis ein Toptalent im Tor ist“, sagt Matarazzo über den gebürtigen Heilbronner, der als größter Hoffnungsträger zwischen den VfB-Pfosten seit vielen Jahren gilt. Auch wegen seiner fußballerischen Veranlagung: Mehrere Jahre spielte der beidfüßige Keeper in der Jugend im Feld. „Er wird auf jeden Fall seinen Weg bei uns gehen, das ist nur eine Frage der Zeit“, sagt Matarazzo.

Es ist fraglos schon eine ganze Weile her, dass beim VfB gleich mehrere aussichtsreiche Talente aus der eigenen Jugend mit Nachdruck an die Profitüre geklopft haben. Vor rund 20 Jahren sorgten Kevin Kuranyi, Andreas Hinkel und einige andere ligaweit für Furore, die „Jungen Wilden“ wurden zur Marke. Beim VfB hätten sie nichts dagegen, wenn sich wieder eine Generation an Eigengewächsen oben festspielen und die Identifikation der Fans mit dem Team ganz bestimmt festigen würde.

Einsätze in der U21 sind weiter eine Option

„Alle drei sind gute Jungs“, sagt Matarazzo, „sonst wären sie hier nicht mit dabei. Die Türe ist offen, jeder darf sich zeigen.“ Zugleich aber tritt der Coach auch ein wenig auf die Bremse: „Wir werden sehen, wie weit die Jungs sind, wenn die Saison beginnt.“ Auch regelmäßige Einsätze in der U 21 sind ein Thema, sollte sich der Sprung anfangs doch als ein zu großer erweisen. Denn, darauf legt auch Sportdirektor Sven Mislintat wert: Der Herrenfußball ist in Sachen Physis nochmals eine andere Hausnummer. Er verweist auf Kastanaras’ Einsätze in der U 21 in der Vorsaison: „Wir haben da schon gesehen, dass er noch ein bisschen was draufpacken muss.“

Der Plan mit den Talenten ist also relativ klar umrissen: Auf keinen Fall sollen sie zu früh verheizt, sondern über viel Spielpraxis sukzessive aufgebaut werden. Weniger eine sportliche Soforthilfe also, eher ein langfristiges Versprechen für die Zukunft. Vertraglich haben sie beim VfB in zwei von drei Fällen schon entsprechend vorgearbeitet. Kastanaras ist mit einem Profivertrag bis 2025 ausgestattet, Seimen sogar mit einem Arbeitspapier bis 2027 – das eine automatische Umwandlung in einen Profivertrag mit dem 18. Geburtstag vorsieht.

Der FC Bayern zeigt Interesse an Laurin Ulrich

Ulrichs Vertrag dagegen läuft im kommenden Sommer aus, dem FC Bayern wurde mehr als nur einmal akutes Interesse nachgesagt. Mislintat aber ist zuversichtlich: „Ich bin mir sicher, dass er länger bei uns bleibt. Wie übrigens bei vielen anderen des 2005er-Jahrgangs.“ Sollte das gelingen, stünden die Chancen auf ein VfB-Profiteam mit mehreren Talenten aus der eigenen Jugend gar nicht so schlecht.