Einer der drei Träger der Gemeindepsychiatrischen Zentren in Stuttgart: Das Klinikum Stuttgart Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die acht Tagesstätten für psychisch kranke Menschen in Stuttgart sind eine wichtige Anlaufstelle. Doch es fehlt an Personal. Die Träger fordern deshalb eine Aufstockung.

Stuttgart - Für Anton (Name von der Redaktion geändert) ist die Tagesstätte im Gemeindepsychiatrischen Zentrum (GPZ) der Caritas in der Stuttgarter Sophienstraße etwas Besonderes. „Das ist meine zweite Heimat, hier habe ich meinen Freundeskreis“, sagt er. Seit elf Jahren besucht der 55-Jährige die Einrichtung nun schon, in der Woche kommt er bis zu fünfmal vorbei.

Anton hat das Borderline-Syndrom, eine Persönlichkeitsstörung. In der Einrichtung der Caritas könne er sein, wie er ist, sagt der Stuttgarter: „Hier weiß ich, dass jeder andere auch ein Handicap hat. Hier muss ich mich nicht verstellen.“ Pro Woche kommen durchschnittlich rund 80 Menschen in die Tagesstätte im Heusteigviertel. Sie ist eine von insgesamt acht Anlaufstellen für psychisch kranke Menschen im Stadtgebiet. „Als niederschwellige Form der Begegnung nehmen die Tagesstätten eine sehr wichtige Rolle ein“, sagt der Bereichsleiter Sozialpsychiatrische Hilfen des Stuttgarter Caritasverbands, Klaus Obert. Sie seien oft der erste Schritt für Betroffene, um wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Doch es gibt ein Problem: Die Besucher werden während der Öffnungszeiten von Montag bis Freitag (9 bis 17 Uhr) zunehmend seltener von Fachkräften betreut.

Bisher finanziert die Stadt Stuttgart 0,3 bis 0,55 Personalstellen pro Tagesstätte. Die drei Träger der Tagesstätten – der Caritasverband, das Klinikum Stuttgart und die Evangelische Gesellschaft (Eva) – empfinden das als zu wenig. Das liegt daran, dass das Fachpersonal mittlerweile auch organisatorische Aufgaben übernehmen muss. Das berichtet die betroffene Sozialarbeiterin Agnes Lipps-Fichtner. Wegen des Zuverdienstangebots sitze sie inzwischen „sehr viel am Schreibtisch“.

Hoffnung auf eine weitere halbe Stelle

Früher habe sie sich auch einfach mal im Aufenthaltsraum zu den Menschen setzen und einen Zeitungsartikel besprechen können. Diese Zeiten seien aber längst vorbei. Lediglich einmal pro Woche eine Strickgruppe biete sie derzeit noch an. Für weitere Angebote fehle ihr einfach die Zeit. Das Mittagessen werde von den Praktikanten gekocht, die anderen Angebote von denselben begleitet oder von den Klienten selbst organisiert. Dabei zeige die Erfahrung, sagt Lipps-Fichtner, dass „die Leute nur kommen, wenn auch ein Mitarbeiter da ist“.

Die drei Träger hoffen daher, dass der Gemeinderat eine weitere halbe Stelle pro Tagesstätte bewilligt. Konkret sollen dafür Ergotherapeuten in Teilzeit angestellt werden. Eine entsprechende Mitteilungsvorlage liegt vor. „Was die Menschen in der Tagesstätte brauchen, sind dauerhafte Ansprechpartner während der Öffnungszeiten“, sagt Friedrich Walburg, Abteilungsleiter Dienste für seelische Gesundheit bei der eva. Nur dann könne man auch Menschen anlocken, die bisher selten aus ihrer Wohnung kommen. Jene bräuchten „einen geschützten Raum, wo sie sich aufhalten können, etwas tun können – aber nicht tun müssen“, ergänzt Obert von der Caritas.

Anton sieht die jüngsten Entwicklungen unterdessen mit Sorgen. Früher habe es häufige Tages- und Nachmittagsausflüge mit einem Mitarbeiter gegeben, dann eine Weile immerhin noch mit einem Praktikanten. „Und inzwischen gibt es sie so gut wie gar nicht mehr“, sagt er, „das ist schade.“