Martina Klopfer führt das Publikum durch eine Renaissance-Villa in der Abelstraße, die von dem Apotheker Julius Keller 1894 erbaut worden ist. Foto: factum/Weise

Landesweit haben sind am Sonntag 8000 Denkmäler zugänglich – eines davon ist eine historische Vorstadtvilla in Ludwigsburg. Ihr Besuch zeigt, warum der Denkmaltag so wichtig ist.

Ludwigsburg - Im ganzen Land konnten die Menschen am Sonntag Denkmäler besichtigen. Kirchen, Schlösser – oder auch alte Stadtvillen. So auch in Ludwigsburg, wo man sich eine der vielen, schönen Vorstadtvillen ausgesucht hat, die von Industriellen oder Kaufleuten im 19. Jahrhundert zum Wohnen und Repräsentieren erbaut wurden. „Viele wollten sich ein Denkmal setzen und auch in der Zukunft zeigen, dass hier jemand Bedeutendes gewohnt hat“, sagt der Ludwigsburger Baubürgermeister Michael Ilk zum Auftakt schmunzelnd.

Die 1894 vom langjährigen Inhaber der Zentral-Apotheke auf dem Marktplatz errichtete Villa ist ein Stilmix verschiedener Epochen. „Es handelt sich um den späten Historismus“, erklärt Martina Klopfer ziemlich ausführlich den gut 70 Besuchen den Architekturstil. Backsteine in drei verschiedenen Farben, ein Treppenhaus Zierfachwerk und ein sechseckiges, pyramidenartiges Schieferdach, Steinmauern und Erker – Julius Keller hatte sich den renommierten und in der Barockstadt häufig beauftragten Architekten Albert Bauder ausgesucht. Ihm haben etwa auch die Musikhalle und die Villa Frank ihr Aussehen zu verdanken.

Ein Zeichen des Aufschwungs im Kaiserreich

So reiht sich das Gebäude ein in eine Zeit des Aufbruchs in der Stadt nach der Gründung des Kaiserreiches. Die so genannte Gründerzeit führte in Ludwigsburg zu einem Bauboom. „Ein Wohngebiet von der Leonberger Straße bis zum Bahnhof wurde in den 1890er-Jahren erschlossen“, erzählte Martina Klopfer.

Die Zuschauer hörten nicht nur zu, sondern wussten auch so manches Detail ganz genau. Dass etwa das heutige Staatsarchiv an der Mathildenstraße „Zeughaus“ genannt wurde. „Sie müssen das schon richtig sagen“, ermahnte ein Besucher. Eine andere Dame kannte sogar noch die nicht weit entfernte Villa Feyerabend in der Solitudeallee – ebenfalls von Albert Bauder geplant. So entstand ein Dialog lebendiger Stadtgeschichte. Die Ludwigsburger sind nicht nur stolz auf ihre Geschichte, sondern kennen sie auch sehr genau.

Später zog das Frauenhaus dort ein

Und das ist dann auch der tiefere Sinn des Tag des offenen Denkmals, der rund 8000 Zeugen der Zeit landesweit zugänglich macht. Dass Geschichte lebendig bleibt und gelebt wird. Die schöne Vorstadtvilla in der Abelstraße war vor diesem Tag sicherlich nur wenigen bekannt. Ihre spätere Geschichte zeigt auch den Wandel der Epochen: So zog zunächst eine Außenstelle des Ulanen-Offizierskasinos dort ein, das war im Jahr 1913. Dazu wurde auch ein Vorbau errichtet – ein weiterer Stil kam hinzu.

Schließlich hatte die Arbeiterwohlfahrt dort ihre Geschäftsstelle und betrieb das Frauenhaus, bis sie in der Talstraße ein neues Zentrum bezogen hatte. Die Villa in der Abelstraße gehört längst der Stadt – die 2006 den Verein „Frauen für Frauen“ darin untergebracht hat. „Als ich zum ersten Mal davon gehört habe, da habe ich gefragt: Und wovon träumst du nachts?“, berichtete Adelheid Herrmann über ihre erste Begegnung mit dem Gebäude. Die Mitarbeiterin des Vereins ist restlos begeistert von der Immobilie, in der es Konfliktberatung und Hilfsangebote für Frauen gibt. Im Erdgeschoss ist zudem noch immer die Kita der Awo beheimatet.

Das Denkmal des Apothekers Julius Keller

Hatte sich das der wohlhabende Apotheker Julius Keller einst träumen lassen? Für ihn war es eine Frage der Repräsentation, aber auch wie für viele andere ein Geschäftsmodell, Mehrfamilienhäuser im wachsenden Baugebiet zu erreichten. Inzwischen sind die historischen Mauern mit neuem Leben erfüllt, zum dritten Mal mit einem völlig neuen Zweck.

Im vergangenen Jahr war übrigens die Villa Franck beim Denkmaltag zu besichtigen. Die Ansiedlung ihrer Zichorienfabrik hatte den Anstoß für den industriellen Aufschwung der Stadt gegeben – und für den bis heute für wahrzunehmenden charakteristischen Röstkaffee-Geruch. Auch die Franck-Familie hat sich ein Denkmal gesetzt – so wie später Julius Keller.