Der Tankturm wurde mit einem Preis ausgezeichnet. Foto: Thomas Ott

In Heidelberg haben Architekten und Musiker einen ehemaligen Tankturm der Bahn saniert und in Besitz genommen. Zum Tag des offenen Denkmals am 11. September ist er zu besichtigen.

Heidelberg - Seit Jahrzehnten begrüßt der markante Ziegelbau kurz vor dem Hauptbahnhof Reisende, die mit dem Zug nach Heidelberg kommen. Als eines der letzten Industriedenkmale erinnert der 30 Meter hohe Turm neben den Gleisen an den ehemaligen Güterbahnhof am Rand der Innenstadt. Dieser war 1997 stillgelegt worden, um einem modernen Stadtteil, der Bahnstadt, und somit auch neuen Bewohnern Platz zu machen.

330 Kubikmeter fasste der Betonbehälter unter dem Kupferdach des Turms, aus dem einst die Dampflokomotiven der Züge mit Wasser versorgt wurden. Als die Bahn in den 70er Jahren dann die letzten Exemplare ausrangierte, verlor der Bau seine Hauptfunktion. Einige Jahre später wurden auch die Werkstätten stillgelegt, die in den Seitenflügeln untergebracht waren. Fast 40 Jahre stand das seit 1989 unter Denkmalschutz befindliche Gebäude anschließend leer.

Seit Beginn dieses Jahres herrscht wieder Leben hinter seinen Mauern. Im östlichen Flügel hat die Arbeitsgemeinschaft der Heidelberger Architekten Armin Schäfer, Stephan Weber und Stefan Loebner Büros für ihre 25 Mitarbeiter eingerichtet, im westlichen Teil hat das Heidelberger Klangforum mit seinem Vokal- und Instrumentalensemble ein festes Domizil erhalten. Der große Saal im Erdgeschoss kann für Veranstaltungen genutzt werden. Im Turm selbst gibt es auf vier Etagen großzügige Räume, die ebenfalls vermietet werden.

Das Rathaus zeigte sich den Vorschlägen gegenüber aufgeschlossen

Vor zwei Jahre hatten die Architekten beschlossen, mit ihrem Büro unter ein eigenes Dach zu ziehen. „Dabei war uns von Anfang an klar: Wir wollten etwas Altes mit industriellem Charme ausbauen“, sagt Stephan Weber. „Bei der Besichtigung des Wasserturms wussten wir nach zehn Minuten, das ist das Richtige für uns.“ Im Heidelberger Rathaus und bei der Entwicklungsgesellschaft (EGH) für den neuen Stadtteil, stießen sie auf offene Ohren. „Die neue Nutzung passt hundertprozentig an den Standort, der Turm ist eine richtige Landmarke für die Bahnstadt“, sagt Georg Breithecker, der Verkaufsbeauftragte der EGH.

Zwei Jahre hat die Sanierung gedauert. „Trotz des langen Leertands war das Gebäude in einem sehr guten Zustand. Es waren noch alle Fenster da, die Türen, viele alte Heizkörper. Nur das Dach war an zwei Stellen undicht und durchgefault“, berichtet Weber. Die Seitenflügel wurden gedämmt und mit einer Fußbodenheizung versehen, das Dach hat einen schmalen Lichtschlitz bekommen, außerdem wurde ein Aufzug in eine Turmwand eingebaut, dazu eine Feuertreppe und zwei Fluchtbalkone für den Brandschutz. Im alten Tankturm, wie er nun heißt, sind mittlerweile großzügige und überaus stimmungsvolle Räume entstanden. Dafür wurde der Tank ein Stück weit aufgeschnitten. Statt Wasser gibt es dort nun einen offenen Kamin.

Die Bauherren bekamen einen von fünf Heimatpreisen

Für das Resultat ihre Arbeit wurden die Bauherren jüngst mit einem von fünf Denkmalpreisen ausgezeichnet, die der Schwäbische Heimatbund und die Badische Heimat vergeben. Eine Besonderheit war der Heidelberger Turm aber von Anfang an. Er wurde zwischen 1925 und 1927 anstelle eines schlichten Hochbehälters zusammen mit einem Betriebswerk für Lokomotiven errichtet. Im Gegensatz zu den meisten Wassertürmen ist er viereckig und hat in den Seitenflügeln Platz für Werkstätten sowie für Büros und sonstige Räume. Das alte Meisterzimmer mit solidem Eichenparkett ist bis heute ein absolutes Schmuckstück. Den Architekten dient es nun als Besprechungszimmer und Bibliothek. „Die handwerkliche Qualität, mit der damals so ein Nutzbau gemacht wurde, begeistert uns bis heute“, sagt Stephan Weber.

Von der Gründerzeitvilla bis zum Eiskeller – Auswahl aus dem Programm

Etwa 850 Denkmäler in ganz Baden-Württemberg öffnen an diesem Sonntag beim 16. bundesweiten Denkmaltag ihre Pforten – mehr als je zuvor. Die Liste beginnt in Allmendingen im Alb-Donau-Kreis, wo eine historische Wasserversorgungsanlage für Bauernhöfe zu besichtigen ist, und endet im Zollernalbkreis mit der Klosterkirche St. Johannes der Täufer.

Wie im ganzen Land haben auch rund um Stuttgart die Liebhaber historischer Bauten und Anlagen die Qual der Wahl. „Unbedingt“ solle man einen Ausflug nach Esslingen in Erwägung ziehen, rät Martin Hahn vom Landesdenkmalamt, denn dort wird am Denkmaltag der Weinerlebnisweg des Staffelsteiger-Vereins eröffnet. Er führt mit mehreren Stationen durch die historischen Steillagen am Neckar, deren Weine einst den wirtschaftlichen Erfolg der Stadt begründeten. „Das wird sicher etwas Schönes“, sagt Hahn.

Zu den herausragenden Programmpunkten der an historischen Bauten überreichen Stadt zählen zudem der Dicke Turm, ein Teil der Burg und das älteste bis heute erhaltene Kino im Land, das Centraltheater aus dem Jahr 1913. Im Landesdenkmalamt, das in Esslingen seinen Sitz hat, gibt es Einblicke in die Restaurierungswerkstätten und verschiedene Vorträge – unter anderem über die eiszeitlichen Höhlen zwischen Lone und Ach auf der Schwäbischen Alb und deren weltweit einmalige Kunstwerke, die vor rund 40 000 Jahren entstanden sind.

In Tübingen empfiehlt Hahn, das aufwendig sanierte Rathaus zu besuchen sowie das Observatorium auf der Nordbastei von Schloss Hohentübingen. „Das ist immer wieder spannend“, findet der Denkmalschützer. In Ludwigsburg steht nicht nur das weithin bekannte Residenzschloss, eines der größten bis heute erhaltenen Barockbauwerke, sondern auch noch eine – von ehemals zwei – der gründerzeitlichen Villen der Familie Franck. Die Familie hat von 1868 an in der Stadt eine Zichorienfabrik betrieben und den Kornkaffee Lindes sowie den Caro-Pulverkaffee hergestellt. Bei Führungen wird das Leben der Unternehmerfamilie nachvollziehbar gemacht.

Die Eröffnung des Denkmaltags findet in diesem Jahr fernab der Landeshauptstadt schon am Samstag von 19 Uhr an statt – mit einer Nacht des offenen Denkmals in Schwetzingen, der einstigen Sommerresidenz der Kurfürsten der Pfalz. Schloss und Park sind bis 24 Uhr geöffnet, vom Eiskeller bis zum historischen Wasserwerk sind viele Anlagen zu besichtigen, die einst die Annehmlichkeiten der Herrschaften ermöglichten.