Auch im Ballungsraum gewinnt das Fahrrad an Fahrt – die Volkswirtschaft und die Industrie profitieren Foto: dpa

Weltweit gibt es laut ADFC schätzungsweise eine Milliarde Fahrräder, doppelt so viele wie Autos. In Deutschland fahren mehr als 50 Millionen Menschen regelmäßig Rad. Das Fahrrad beeinflusst immer mehr unseren Alltag – nicht nur am Europäischen Tag des Fahrrads an diesem Mittwoch.

Stuttgart - Vier von zehn Bundesbürgern steigen regelmäßig aufs Fahrrad – für Sport, Einkäufe oder den Weg zu Arbeit. Die Freude über die Bewegung auf zwei Rädern ist allerdings getrübt, wie eine neue Umfrage belegt. In einer aktuellen Befragung erklärten 38 Prozent der Radfahrer, größtes Ärgernis beim Radeln seien Autofahrer. 17 Prozent stören sich dagegen an Schildern, Ampeln und schlechten Radwegen – und 14 Prozent an anderen Radfahrern, wie das Meinungsforschungsinstitut You Gov bei der Befragung von 1174 Bundesbürgern herausfand. Rundum zufrieden äußerten sich 15 Prozent der Radler.

Lebensqualität

Lärm, Feinstaub, Abgase und Enge – Autos beeinträchtigen die Lebensqualität in den Innenstädten. Fahrräder entlasten die Ballungsräume von diesen Problemen. Um das Radfahren attraktiv und sicher zu machen, setzen die Planer zunehmend auf Shared Space – Straßenraum, den sich Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer teilen. Dadurch wird das Tempo langsamer, der Stressfaktor sinkt, die Rücksichtnahme wächst, die Lebensqualität steigt. Städte wie Kopenhagen machen vor, wie eine moderne Städteplanung der Fahrrad-City Vorschub leistet: Dort nutzen bereits 38 Prozent der Pendler das Fahrrad.

Gesundheit

Radeln beugt Herzrhythmusstörungen vor, senkt den Blutdruck, baut Cholesterin ab und mildert Rückenleiden. Für Menschen, die oft im Sitzen arbeiten, ist ein Ausgleich für die großen Hauptgelenke an Knien, Hüften und Schultern wichtig. Schon relativ kurze Belastungszeiten ab zehn Minuten nützen. Pro Stunde werden mehr als 600 Kalorien verbrannt. Fettverbrennung braucht aber Sauerstoff – wer zu schnell radelt und aus der Puste kommt, verbrennt weniger Fett. Es geht nicht um sportliche Hochleistungen, sondern um „mäßig, aber regelmäßig“. Bei Radlern sinkt so das Risiko für einen Herzinfarkt und Herz-Kreislauf-Erkrankungen um bis zu 50 Prozent.

Volkswirtschaft

„Radelnde Mitarbeiter sind gesünder und haben deswegen weniger Fehltage am Arbeitsplatz. Deshalb hat das Radfahren auch auf die Volkswirtschaft positive Effekte“, sagt Michael Obert, Bürgermeister von Karlsruhe und Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen (AGFK). Der im Rahmen des Internationalen Transportforums (ITF) in Leipzig vorgestellte Kostenrechner zeigt, dass bei einer Investition von einem Euro in den Radverkehr ein volkswirtschaftlicher Gewinn von drei bis vier Euro herausspringt. Dies ist unter anderem auf den geringeren Krankenstand und die Fitness bis ins hohe Alter zurückzuführen.

Tourismus

Für die Urlaubsregionen und Tourismus-Manager gilt: Sie müssen den Nerv der Zielgruppe treffen. Denn Mountainbiker etwa wünschen sich – auch schmale – Naturböden mit Steigungen, Rennradler wollen asphaltierte, anspruchsvolle Strecken, Familienradler wenig Steigungen, aber Einkehrmöglichkeiten. Die mehr als 5500 Bett-und-Bike-Betriebe in Deutschland setzen auf Service und bieten etwa eine sichere Unterstellmöglichkeit für das Rad sowie Trockenräume für nasse Kleidung.

Industrie

Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) beziffert den Umsatz bei Fahrrädern und E-Bikes auf 2,16 Milliarden Euro – eine Steigerung von 9,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland werden jährlich rund vier Millionen Fahrräder verkauft. 68 Prozent der Räder werden im Fachhandel erworben. Insgesamt erwirtschaftet die Fahrradbranche in Deutschland jährlich einen Umsatz von 16 Milliarden Euro. Die Branche bietet in Deutschland 278 000 Arbeitsplätze. Der Bau von einem Kilometer Radweg kostet 200 000 Euro – gegenüber zehn Millionen Euro für einen Kilometer Autobahn.

E-Bikes

Kraft sparen beim Radeln: Anfang 2014 waren laut dem Statistischen Bundesamt 1,6 Millionen E-Bikes auf Deutschlands Straßen unterwegs. Demnach besitzen 1,2 Millionen Privathaushalte mindestens eines der motorisierten Fahrräder. Auf 100 Haushalte kommen 4,3 Elektrofahrräder. In 81 Prozent der Privathaushalte wird in Deutschland in die Pedale getreten – mit oder ohne Unterstützung durch den elektrischen Hilfsmotor. 188 Fahrräder kommen demnach auf 100 Haushalte. Das sind rund 68 Millionen Drahtesel mit und ohne Motor in den privaten Haushalten.