Sie gelten als Glücksbringer – für Obstbäume sind sie jedoch eine Gefahr: Misteln. Foto: picture alliance/dpa-Zentralbild//Bernd Wüstneck

Sie sind schön anzusehen, aber stellen ein großes Problem dar: Misteln. Der Halbschmarotzer entzieht den Bäumen Flüssigkeit und Nährstoffe. Doch was macht man auf den Fildern gegen die Ausbreitung?

Auf einem Feld unweit des Echterdinger Industriegebiets sind die Obstbäume immer grün. Auch im Winter. Der Grund ist nicht etwa ein Naturphänomen, Schuld sind die Misteln. Sie haben die Obstbäume besiedelt. Die Mistel breitet sich auch im Kreis Esslingen stark aus und führt auch auf der Filderebene zu Problemen für die Streuobstbestände.

Der Mistel spricht man magische und auch geheimnisvolle Kräfte zu. Für Obstbäume ist die Mistel kein Glücksbringer, sondern ein tödlicher Parasit. Obstbäume, die stark von Misteln befallen sind, verlieren an Vitalität und Fruchtbarkeit. Die weibliche Mistel bildet viele kleine, weiße Beeren. Vögel, die die Frucht mit dem klebrigen Saft fressen, verbreiten den Samen weiter. Mangelnde Pflege der Bäume, aber auch das sich hartnäckig haltende Gerücht, dass Misteln geschützt seien, sind der beste Nährboden für den Schmarotzer.

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Die Mistel breitet sich weiter aus

Auf den Fildern gehören Streuobstwiesen zum typischen Landschaftsbild. Auf der Gemarkung von Filderstadt finden sich rund 250 Hektar der wertvollen Fläche, die der Naturschutzbund Deutschland auch als „Hotspots der biologischen Vielfalt“ bezeichnet. Die Stadt Filderstadt bemüht sich seit Jahrzehnten intensiv um die Streuobstflächen. Über Aufpreisinitiativen bekommen Stücklebesitzer mehr Geld fürs Obst, durch die Streuobstbörse wird mehr abgeerntet. Es gibt Schnittkurse, die Hochstammförderung, den Museumsobstgarten.

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Trotz aller Bemühungen breitet sich die Mistel aber weiter aus. Mittlerweile seien auf Filderstädter Gemarkung je nach Gewann zwischen 10 und 60 Prozent der Streuobstbäume von dem Halbschmarotzer befallen, sagt die Umweltreferentin Claudia Arold. „Besonders auffallend ist auch, dass sich die Anzahl der Misteln auf einem Baum stark erhöht hat und damit der Stress für die Bäume deutlich zunimmt.“ Zudem habe man festgestellt, dass zunehmend immer öfter andere Baumarten von der Mistel befallen seien. Nicht nur Obstbäume.

Auch in Leinfelden-Echterdingen versucht man, der Schädlinge Herr zu werden. Dort gibt es auf einer Fläche von rund 158 Hektar Streuobstwiesen. „Davon sind zwischen 20 und 30 Prozent der kartieren Apfelbäume von Misteln befallen“, erklärt Martin Frick vom Amt für Umwelt, Grünflächen und Tiefbau. Allerdings sei die Gesamtübersicht noch nicht abgeschlossen, betont er. Die Gesamtsituation könne daher noch nicht beurteilt werden. Auf den ersten Blick seien die Bereiche Echterdingen Süd-Ost sowie zwischen Oberaichen und Musberg besonders von Misteln betroffen.

Die Stadt unterstützt die Baumpflanzung finanziell

Auch in Leinfelden-Echterdingen unterstützt die Stadt die Streuobstwiesenbesitzer. So kann man dort für die Pflege seiner Obstbäume Motorstangensägen ausleihen. Die Stadt fördert die Neupflanzung von Streuobstbäumen mit 20 Euro pro Baum, und über ein Aufpreismodell bekommen Eigentümer mehr Geld für ihr Streuobst, das zu lokalem Saft verarbeitet wird. Seit 2020 werden Misteln zudem auch auf privatem Gelände von der Stadt entfernt. Bislang seien auf privatem Grund knapp 200 Obstbäume durch die Stadt gepflegt worden, erklärt Frick. Das ist kein geringer Aufwand, denn zuerst müssten die Flächen kartiert und die Eigentümer der Streuobstwiesen ermittelt und angeschrieben werden. Schließlich wird ein Baumpfleger beauftragt, die Misteln zu beseitigen, und dann müsse das Schnittgut noch entfernt werden, beschreibt Frick den Ablauf.

Prinzipiell sei es immer möglich, Misteln aus dem Baum zu entfernen. Aber solange der Baum keine Blätter habe, seien die Misteln besser und leichter zu erkennen, sagt der Experte. Auch die Beweidung durch Schafe bietet die Stadt teilweise an. Früher war es noch selbstverständlich, dass bereits kleine Misteln aus dem Baum entfernt und der Rasen gepflegt werden, heute wird die Baumpflege immer seltener.

Die letzte Option ist es, denn Baum zu fällen

In Filderstadt ist die Mistel fast flächendeckend verbreitet. „Es gibt keine besonderen Hotspots“, so Claudia Arold. „Es wird versucht, die Misteln großflächig rauszuschneiden, allerdings gelingt das nicht immer. Oft lässt sich die Mistel nicht vollständig entfernen und treibt später wieder aus“, erklärt die Umweltreferentin.

Es gebe so viele Misteln, dass man die Entfernung kaum bewältigen könne, sagt sie. „Ohne die regelmäßige Pflege durch die Eigentümer der Streuobstwiesen bekommt man das Problem nicht in den Griff“, ist sie sich sicher. Viele Streuobstwiesen sind auch überaltert und daher anfälliger für Mistelbefall. Wenn nicht rechtzeitig eingegriffen wird, stirbt der Baum allmählich ab. Ab einem gewissen Befall, lohnt es sich nicht mehr, die Misteln zu entfernen. Dann bleibt nur eine Möglichkeit: den Baum zu fällen.