Peter Pipiorke berichtet aus der Stuttgarter Waldheimgeschichte. Foto: Lichtgut/Hoschek

Stadtgeschichte hat zurzeit Konjunktur, berichten die Verantwortlichen des Stadtarchivs, das jeder Stuttgarter nutzen kann. Am Samstag ging es etwa um den SV Spartania Kraftsport, der einst viele Olympioniken hervorbrachte und dessen Ende ungeklärt ist.

Stuttgart - Bereits seit den 80er Jahren nutzt die Associazione Recreativa Culture d’ Europea e Sport, kurz Arces, das Sportgelände an der Lohäckerstraße in Möhringen. Kaum jemand erinnert sich, dass dort einst der SV Spartania Kraftsport betrieb. Was wurde aus dem Club, der seinerzeit zahlreiche Olympioniken stellte? Diese Frage konnte der 12. Tag der Stadtgeschichte nicht klären. Zumindest aber wurden Besucher der diesjährigen Auflage auf eine Menge interessanter Details und mögliche Zusammenhänge rund um die Historie des Stuttgarter Vereinswesens hingewiesen.

„Eine umfassende Vereinsgeschichte auf Makroebene ist noch nicht machbar“, erklärt Koordinator Helmut Doka von der Initiativgruppe Stadtgeschichte Stuttgart. „Wir leisten im Moment Grundlagenarbeit.“ Spannend gestaltet sich der Einblick in die bisherige Sammlung von Teilaspekten, die am Samstag vorgestellt wurden, allemal. Peter Pipiorke, der Führungen und Radtouren zu geschichtlichen Themen in der Region Stuttgart anbietet, widmet sich der Stuttgarter Waldheimgeschichte, Mascha Riepl-Schmidt den Stuttgarter Frauenvereinen in der Weimarer Republik. Ulrich Gohl vom Museumsverein Stuttgart-Ost, Muse-o, wiederum führt in das Thema Gleichschaltung von Vereinen im Nationalsozialismus ein. „Ich wollte nicht einfach einen weiteren Vereinstyp porträtieren“, sagt er. Lieber begann er in Unterlagen zu wühlen, die aus seiner Zeit als freier Mitarbeiter im Stadtmuseum stammen. Das Ergebnis ist ein mit biografischen Splittern gespickter Abriss zu einem unrühmlichen Kapitel lokaler Vereinsgeschichte. So erinnerte Gohl an die „Stuttgarter Erklärung“ von 1933, in der 14 süddeutsche Fußballclubs, darunter die Stuttgarter Kickers, ihre Absicht bekundeten, jüdische Mitglieder auszuschließen. Dabei hatten die Blauen damals mit Fritz Kerrsogar einen jüdischen Trainer. Er kehrte 1951 trotz der bitteren Vorgeschichte nochmals für eine Saison zum Verein zurück.

14 Fußballclubs erklärten Ausschluss von Juden

Der historische Austausch in Bad Cannstatt bietet nicht nur Gelegenheit zur Begegnung zwischen Fachleuten aus den einzelnen Stadtteilen. Er ist auch eine Einladung an die Bürger, das Stadtarchiv zu besuchen, wie dessen Leiter, Roland Müller, zu verstehen gibt: „Vielfach wird immer noch angenommen, wir stünden nur für Historiker offen. Das ist aber ein Irrtum. Unser Archiv kann jeder nutzen.“ Gut möglich, dass dies künftig häufiger geschehen wird. „Stadtgeschichte hat zurzeit Konjunktur“, sagt Doka. „Das Interesse am neuen Stadtmuseum ist beispielsweise immens.“ – „Wir überlegen derzeit, den Tag der Stadtgeschichte künftig alternierend dort und hier im Stadtarchiv stattfinden zu lassen“, blickt Müller in die Zukunft. Es ist der Veranstaltungsreihe zu wünschen, dass so noch ein bisschen mehr öffentliche Resonanz erreicht werden kann.