Die Stuttgarter Fotografin Conny Wenk hat mit einem ihrer Bilder in Brüssel einen Preis gewonnen. Die Geschichte hinter dem fröhlichen Foto „Philipp & Moritz“ hat einen ernsten Hintergrund.
Stuttgart - Als das Foto entstanden ist, war Philipp zwei Jahre alt. Die Familie war bei einem Sommerfest: Der blonde Junge hält ein Stück Keks in der Hand, hinter ihm auf der Decke liegt sein älterer Bruder Moritz. Was auf dem Foto nicht zu sehen ist: Philipp hat die seltene Glasknochenkrankheit, Osteogenesis imperfecta im Fachbegriff. Nach seiner Geburt gaben ihm die Ärzte eine Chance von 20 Prozent, die ersten zwei Jahre zu überleben. Heute ist Philipp fast vier.
Das Foto „Philipp & Moritz“ von der Stuttgarter Fotografin Conny Wenk hat nun den zweiten Preis beim sogenannten Eurordis Black Pearl Photo Award gewonnen. Eurordis, das steht für Europäische Organisation für seltene Krankheiten, eine Non-Profit-Organisation. Der Fotopreis wird einmal jährlich in Brüssel verliehen. Immer Ende Februar, kurz vor dem Tag der seltenen Krankheiten. Ziel des Preises sei es, das Bewusstsein für eben solche Erkrankungen zu erhöhen und Betroffene aus der Isolation zu holen, heißt es auf der Webseite. Und: Die Fotos sollen die Realität des alltäglichen Lebens mit einer seltenen Krankheit zeigen.
Bilder sollen helfen, den Menschen Vorurteile und Berührungsängste zu nehmen
„Bilder haben eine ungeheure Macht“, sagt Conny Wenk. Das Foto der beiden Jungen zeige zwei kleine Helden: Philipp, weil er ein Kämpfer sei. Und Moritz, weil die Krankheit des Bruders für Geschwister auch eine Herausforderung sei. „Man sieht, wie stolz der große auf den kleinen Bruder ist.“
Conny Wenk selbst hat eine Tochter mit Down-Syndrom. Sie hat das Engagement für Menschen mit „einem Chromosom mehr“ mittlerweile zu ihrer Hauptaufgabe gemacht: Für Fotobände, Kalender und Plakate hat sie Mütter, Väter, Geschwister mit Kindern mit Down-Syndrom abgebildet. Es sei wichtig, auf das Thema, auf seltene Krankheiten, aufmerksam zu machen – und den Menschen so Vorurteile und Berührungsängste zu nehmen, sagt Wenk. „Das Bild von Philipp und Moritz zeigt, wie viel Glück und Freude uns unsere Kinder geben, auch wenn sie eine Krankheit haben.“
Die Forschung sei bei seltenen Krankheiten für die Pharmaindustrie nicht lukrativ
Ende Mai wird Philipp vier Jahre alt. Er sei nun schon ein großer Junge, sagt seine Mutter Stefanie Palm. „Es geht ihm wirklich gut: Er spricht, singt und unterhält sich und die ganze Welt.“ Schwere Phasen gibt es trotzdem immer wieder. In den letzten Wochen waren sie noch häufiger als sowieso schon mit Philipp im Olgäle, dem Stuttgarter Kinderkrankenhaus. Der Junge leidet oft unter Viren und Lungenentzündungen, weil sich seine Lunge wegen der schwachen Knochen und der vielen Rippenbrüche nie voll entfalten konnte.
Man kann sagen, dass Philipp schwer betroffen ist, aber Prognosen über den Verlauf seiner Krankheit kann niemand stellen. Deutschlandweit haben etwa 5000 bis 6000 Menschen Glasknochen. Es gibt kaum Studien zu der angeborenen Bindegewebsstörung – und bislang auch keine Behandlung, die die Ursachen angeht, sondern lediglich Therapien zur Linderung der Symptome.
Die Forschung und Entwicklung von Medikamenten sei bei seltenen Krankheiten für die Pharmaindustrie nicht lukrativ, sagt Stefanie Palm. „Es gibt kaum eine Lobby, weil zu wenige Leute betroffen sind.“ Mit Spendengeldern und ihrem täglichen Kampf um Öffentlichkeit, hofft sie, werde es irgendwann trotzdem hilfreiche Medikamente für Betroffene wie ihren Sohn geben.