Tag der Religionen im Stuttgarter Rathaus. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Zum zweiten Mal hat der Stuttgarter Rat der Religionen, ein loser Zusammenschluss von Religionsgemeinschaften, zu einem Tag der Religionen ins Rathaus geladen. Diesmal waren Schüler angesprochen. Und das zu einem aufwühlenden Zeitpunkt.

Dass der „Tag der Religionen“ in Stuttgart in die Woche nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel fällt, muss man einen Zufall nennen. Die Veranstaltung am Mittwochvormittag mit mehr als 100 Schülerinnen und Schülern aus fünf Stuttgarter Schulen im großen Sitzungssaal des Rathauses ist seit langem geplant. Durch den Überfall auf Israel erhält sie plötzlich eine Form von Dringlichkeit.

Die Ereignisse ziehen sich durch die Rede des Ordnungsbürgermeisters und Religionsbeauftragten der Stadt, Clemens Maier, der von „traurigen Vorzeichen“ spricht und betont, wie wichtig gerade jetzt der interreligiöse Dialog auch in Stuttgart sei. Sie lassen Susanne Jakubowski, Vertreterin der jüdischen Gemeinde und Koordinatorin des Stuttgarter Rates der Religionen, die Schüler um eine Schweigeminute bitten. Und sie prägen die Eingangslieder der Musiker um den Komponisten Alon Wallach, der das interreligiöse und interdisziplinäre Musikprojekt Trimum betreut.

Persönliche Gedanken eines Musikers

Wallach, der in Jerusalem geboren wurde und seit 2002 in Deutschland lebt, leitet diesen Tag der Religionen mit persönlichen Gedanken ein. Am Samstag war er bei der Hochzeit seines Bruders in den USA. Die Feier mündete am Sonntag in „einen Tag der Tränen“. Etliche seiner Familienmitglieder in Israel sind inzwischen zum Militär einberufen worden. „Warum kann es nicht einfach Frieden geben?“, fragt er in die Schüler-Runde. Die Antwort gibt er selbst: „Frieden kann nicht einfach entstehen. Er ist ein Resultat von Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Vertrauen. Wir brauchen viel mehr davon.“ Der 43-Jährige betont die religiöse Vielfalt – auch in Stuttgart – und appelliert: „Lasst uns die Suche nach Frieden nicht nur zur Gottesaufgabe machen, sondern auch zu unserer eigenen.“

Das findet Aufmerksamkeit beim jungen Publikum. Ebenso das, was Susanne Jakubowski sagt. Für den Rat der Religionen, der in Stuttgart zum zweiten Mal einen Tag der Religionen ausrichtet, nimmt sie offen Stellung: „Der Rat ist erschüttert über die barbarischen Gewalttaten“, sagt sie und fordert „entschiedenen Widerspruch und ein Eingreifen des Rechtsstaats, wenn auf deutschen Straßen der Terror gefeiert wird“. Gleichzeitig nutzt sie die Gelegenheit, bei den Schülern für das Anliegen des seit 2015 bestehenden losen Zusammenschlusses von 21 Religionsgemeinschaften zu werben: „Es ist wichtig zwischen den Religionen ein grundsätzliches Verständnis zu entwickeln“, sagt Jakubowski, die jüngst für zwei weitere Jahre in ihrem Amt als Koordinatorin bestätigt wurde. Das beginne im Kleinen sagt sie, im Kindergarten, in der Schule. Es gehe um gegenseitigen Respekt, um die Fähigkeit zum Dialog, und um das Zusammenstehen im Falle von Bedrohungen.

Ditib fehlt. Warum?

Eine Diskussionsrunde mit Verena Neuhausen (Katholiken), Fadime Onay (Aleviten), Kamal Ahmad (Ahmadiyya Muslim Jamaat) und Søren Schwesig (Protestanten) soll das unterstreichen. Auf spielerische Weise auch ein Religionsquiz. Die Schüler erhalten einen Fragebogen. „Wie viele Religionsgemeinschaften sind hier im Rathaus vertreten?“, lautet eine Frage. Antwort: 15. Wer sich umsieht, stellt jedoch fest: Ditib, die größte sunnitisch-islamische Organisation hierzulande, fehlt und damit eine wichtige muslimische Stimme. Auf eine große Leerstelle im Rat der Religionen weist am Rande auch Stadtdekan Schwesig hin: Zum arabischen Islam gebe es vom Rat der Religionen aus kaum Kontakte, was gerade jetzt besonders wichtig wäre.

Eine Lernerfahrung für viele der Schüler

Für die Schülerinnen und Schüler ist der Vormittag gleichwohl ein Gewinn. Viele fragen an den Ständen der Religionsgemeinschaften nach. Stefania (13) und Andjelija (14) von der russisch-orthodoxen Gemeinde machen sich bei den Aleviten schlau. Und die 17-jährige Selina von der Robert-Koch-Realschule findet es gut, dass man hier mit Menschen anderen Glaubens ins Gespräch kommt: „Das ist schon was ganz anderes, als wenn man die Religionen nur googelt.“