Beim Tag der Industrie sichern Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck eine verstärkte Politik zugunsten der Unternehmen zu. Da mag selbst BDI-Chef Siegfried Russwurm nicht mehr draufhauen.
Ob dies denn die neue Einigkeit sei, wird der Präsident des Bundesverbandes der Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, nach dem Auftritt von Olaf Scholz gefragt. Der wendet sich dem Kanzler direkt zu: „Ich habe selten so oft von Ihnen in einer Rede die Worte Tempo und Geschwindigkeit gehört“, lobt der Dachverbandschef. „Dieser Zungenschlag gefällt uns allen heftig.“ Und er fragt eilig nach, ab wann denn all die Ankündigungen des Regierungschefs gelten würden. „Das gilt ab sofort“, gibt Scholz zurück.
„Der erste Muskelkater schmerzt besonders“
Schon zu Beginn des Tags der Industrie in Berlin hatte der Kanzler die vielfältigen Forderungen und Appelle von Russwurm nicht nur geduldig angehört – er leitete seine eigene Rede auch mit dem Bekenntnis ein: „Ich habe viel geklatscht – insofern habe ich viel Übereinstimmung festgestellt.“ Dann bemühte sich Scholz, den Erwartungen der Industrievertreter gerecht zu werden. Der BDI habe recht, wenn er kritisiere, dass über Jahre zu wenig investiert worden sei und nötige strukturelle Reformen ausgesessen worden seien. „Wenn man viel sitzt und nach langer Zeit wieder ins Laufen kommt, dann tut es am Anfang in den Beinen erst mal weh“, sagt Scholz – als einer, der im Leben spät zum Joggen gekommen sei, wisse er: „Der erste Muskelkater schmerzt besonders.“
Gemeint sind Modernisierungsmaßnahmen, die die Ampel schon angestoßen hat oder noch anpackt – oder die sie von der neuen EU-Kommission einfordern will: „Es ist wichtig, dass wir das enorme Dickicht an Bürokratie auf EU-Ebene lichten – wir erwarten von der neuen EU-Kommission einfachere und schnellere Verfahren und einen ambitionierten Abbau von Bürokratie“, betont der Kanzler etwa und fügt hinzu: „Die europäische Lieferkettenrichtlinie werden wir in Deutschland für eine unternehmensfreundliche Gesetzgebung nutzen.“ Erwartungsfroh legt Scholz die Hand an sein Ohr, weil er den Beifall für diese Ankündigung vermisst.
„Handelsabkommen ,EU only’“ als Druckmittel?
Ferner will er sich bei der EU-Kommission „mit Nachdruck“ für Freihandelsverträge einsetzen. „Wir haben die Zuständigkeit für die Handelspolitik nicht an Europa abgegeben, damit keine Abkommen mehr abgeschlossen werden.“ Dies sei „in der geopolitischen Lage, in der wir uns befinden, nicht akzeptabel“. Er erwarte von der Kommission und den anderen Mitgliedsstaaten, „dass wir uns zusammenraufen“. Der Beschleunigung könne es dienen, „Handelsabkommen ,EU only’ abzuschließen, um jahrelange Verzögerungen durch Ratifizierungsprozesse zu verhindern“, so Scholz. „Wir brauchen mehr Pragmatismus und Geschwindigkeit.“
Habeck: Deutschland muss aus dem Quark kommen
Denselben Ton schlägt kurz darauf Wirtschaftsminister Robert Habeck an. „Wir müssen in allen Bereichen, wo wir besser sein können, die Dinge einfacher oder schneller machen“, bekennt der Grüne. Es brauche Entbürokratisierung, Steigerung des Potenzialwachstums und Investitionsanreize, „damit Deutschland aus dem Quark kommt“, drängt er. „Das Deutschland-Tempo sollte nicht zum Witzwort verkommen.“
Fußballvergleiche fehlen derzeit in kaum einer Rede – Habeck mag am allerwenigsten darauf verzichten. Während Russwurm „nicht weiter auf Abstiegsplätzen stehen will“, spricht der Minister von „Rückennummer 10, Toni Kroos, hängende Spitze und dann nach vorne spielen“, weil doch „alle in Europa darauf warten, dass Deutschland seine Führungsrolle ausübt“. Der deutsche Anspruch müsse sein, die Technologieführerschaft in allen Bereichen zu erlangen. Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sei das beste Mittel zur Resilienzstrategie. „Das ist wie beim Fußball: Auf allen Positionen müssen wir europameisterfähig besetzt sein, sonst werden wir das Spiel nicht gewinnen.“