Das Lokal Mauerwerk erstreckt sich über zwei Stockwerke. Foto: Max Kovalenko

Reisen bildet – und manchmal bringt es einen auch auf gute Ideen. Vielleicht müsste man in dem Fall besser von Eingebung oder Erleuchtung sprechen, schließlich ging es darum, was aus einer ehemaligen Kirche in Herrenberg werden sollte.

Herrenberg - Reisen bildet – und manchmal bringt es einen auch auf gute Ideen. Vielleicht müsste man in dem Fall besser von Eingebung oder Erleuchtung sprechen, schließlich ging es darum, was aus einer ehemaligen Kirche in Herrenberg werden sollte.

Der Werber Heinz Stoll, 58, besuchte seinen um die Welt segelnden Sohn Johannes, 28, in Panama. Er erzählte, dass die evangelisch-methodistische Kirche, ein stolzer Backsteinbau im Zentrum von Herrenberg, zum Verkauf stehe. Gemeinsam entwickelten sie den Plan, aus dem Gotteshaus a. D. einen Veranstaltungsort mit Gastronomie zu machen. Das Projekt Mauerwerk („Kultur genießen“) war geboren. Sowohl Vater als auch Sohn betraten damit kein Neuland: Heinz Stoll hatte vor 40 Jahren Bands wie Wishbone Ash ins Gäu geholt und in einer Viehversteigerungshalle auftreten lassen. Johannes Stoll hat das Handwerk des Veranstaltungskaufmannes im Stuttgarter Theaterhaus gelernt.

Aber gehen wir weg von der Bühne und hinein in das mit viel Liebe zum Detail eingerichtete Lokal, das sich über zwei Stockwerke erstreckt. Wir ziehen an dem Sommerabend einen Platz auf der Veranda vor und sind dankbar, dass dezenter Pop aus Lautsprechern die Geräusche vorbeifahrender Autos überspielt. Im Hinausgehen wird der Juniorchef erklären, dass die Musik von einer australischen Band stammt, die bald ins Mauerwerk kommt.

Die übersichtliche Speisekarte lässt sich am besten mit Schwäbisch international umschreiben. Man findet dort sowohl Ranzenfüller wie Kässpätzle, als auch asiatisch und mediterran angehauchte Spezialitäten. Schon der Gruß aus der Küche (ofenfrisches Brot mit Lachsbutter) ist so, dass man gern zurückgrüßt. Für Leute mit Entscheidungsproblemen hat Küchenchef Karsten Phillipp ein besonderes Angebot: dreierlei Suppen (5,40 Euro), die in Gläsern serviert werden. Sie sind allesamt vorzüglich, aber das Rennen macht für unseren Geschmack das Spinatcremesüppchen (so dass die Wahl fürs nächste Mal schon getroffen ist).

Wie für die Jahreszeit geschaffen, die andere Vorspeise: ein leichter Ziegenkäsestrudel an Mango-Chutney (8,70 Euro). Auch an den Hauptgängen gibt es nichts zu mäkeln: Der gegrillte Lachs mit Orangenvinaigrette und Reis (15,30 Euro) ist saftig, der Rostbraten mit handgeschabten Spätzle (16,90 Euro) zart, nur die frittierten Zwiebeln irritieren den schwäbischen Gaumen.

Das Mauerwerk ist ein Beleg dafür, dass es nicht zwangsläufig zum Schaden der Menschheit sein muss, wenn ein Gotteshaus aufgegeben wird. Wo man einst vom Glauben gezehrt hat, kann man nun gut essen.

Adresse und Info

Küche: Schwäbisch international

Atmosphäre: Alte Bausubstanz wunderbar belebt

Service: Freundliche, aufmerksame Bedienung

Preis-Leistungs-Verhältnis: Aus Stuttgarter Warte sehr angemessen

Adresse: Mauerwerk, Inhaber: Heinz und Johannes Stoll. Hindenburgstraße 22, 71083 Herrenberg, Telefon 0 70 32 / 9 55 32 80, www.mauerwerk.de.

Öffnungszeiten: Sonntag bis Donnerstag von 11.30 bis 24 Uhr, Freitag und Samstag von 11.30 bis 1 Uhr. Durchgehend warme Küche.

Extras: Schöner Außenbereich mit bequemen Sesseln. Mauerzwerg heißt eine ohne Filtration in Bügelflaschen abgefülltes Bier, das die Kronenbrauerei Alfred Schimpf, Neustetten, nur für das Lokal herstellt.

Anfahrt: S-Bahn-Line 1 Richtung Herrenberg bis Endhaltestelle. Von dort zehn Minuten Fußweg. Parkmöglichkeiten.