Die Tafeln in Baden-Württemberg rechnen mit einer deutlichen Zunahme von Bedürftigen in diesem Jahr. Foto: dpa

Hilfe! Seit bald eineinhalb Jahren versorgen die Tafeln immer mehr Flüchtlinge einfach mit. Die Regale sind deshalb nicht unbedingt leerer. Aber die Rufe nach mehr Unterstützung für die Helfer werden lauter. Dolmetscher sind Mangelware und auch Schulungen wären nötig.

Karlsruhe - Viele Tafeln in Baden-Württemberg rechnen im Laufe des Jahres mit einer deutlichen Zunahme von Bedürftigen und brauchen mehr Hilfe. Das liege vor allem am Zustrom von Flüchtlingen. „Je mehr Flüchtlinge in Gemeinschaftunterkünften oder eigenen Wohnungen untergebracht sind, desto mehr beziehen Lebensmittel von den Tafeln“, sagt Udo Engelhardt vom Landesverband der Tafeln in Baden-Württemberg. „Wer wieder selber kochen kann und einen Kühlschrank hat, der wird zu uns kommen.“ Diese Zahlen dürften in den nächsten sechs Monaten deutlich steigen, so Engelhardt.

Die Situation der Tafeln im Land sei sehr unterschiedlich. Bei manchen seien Angebot und Nachfrage stabil geblieben, viele aber hätten mit deutlich höheren Zahlen von Bedürftigen zu kämpfen - und auch mit Konflikten. „Vor allem die räumliche Enge und immer längere Wartezeiten belasten Kunden und Mitarbeiter“, fügte Reinhardt Seibert von der Tübinger Tafel hinzu. Rund 30 Prozent mehr Bedürftige seien dort seit Anfang des Jahres hinzugekommen, darunter immer mehr Kinder.

Der Verband will bis Ende des Monats mit einer Umfrage unter den rund 140 Tafeln im Land ermitteln, welchen Bedarf es gibt und welche Probleme die Helfer vor allem umtreiben. Die rund 100 Fragen zielen auf Themen wie etwa Diskriminierung, Verständigungsschwierigkeiten oder auch Flüchtlinge als Mitarbeiter der Tafeln. Auch ein Bedarf an Deeskalations-Schulungen soll ermittelt werden. „Wir brauchen ein objektives Bild der Lage“, betonte Engelhardt. Hilfestellung für die Tafeln sei 2016 das wichtigste Thema.

Zunehmender Neid langjähriger Kunden

In Ettlingen (Kreis Karlsruhe) gibt es so viele Flüchtlinge bei der Tafel, dass nur noch ein bis zweimal pro Woche dort eingekauft werden könne - „und auch das können wir bald nicht mehr schultern“, sagt Tafelladen-Leiterin Sybille Thoma. Mit 70 Ehrenamtlichen, darunter auch sechs Flüchtlingen, verpflegte die Tafel im Januar rund 830 Personen. Etwa 40 Prozent davon seien Asylbewerber, sagt Mitarbeiter Manfred Speck. Viele Regeln für möglichst reibungslose Abläufe seien aufgestellt worden - „nicht rennen, nicht soviel auf einmal nehmen“, sagt Thoma.

Bei der Fildertafel in Filderstadt-Bernhausen (Kreis Esslingen) ist die Zahl der einkaufsberechtigten Haushalte innerhalb eineinhalb Jahren von 900 auf aktuell 1400 gestiegen, sagt Ladenleiterin Tanja Herbrik. Sie beobachtet zunehmend Neid langjähriger Kunden auf die „Neuen“. Tafelhelfer müssten öfter Streit schlichten oder zwischen Flüchtlingen und anderen Bedürftigen vermitteln, die sich zu kurz gekommen fühlen, sagt Engelhardt.

Angst, dass Waren nicht ausreichen

In Emmendingen werden inzwischen doppelt so viele Menschen versorgt wie noch vor einem Jahr. „Es ist schon schwieriger geworden“, sagt Margit Knoblauch vom dortigen Tafelladen. „Spannungen zwischen Kunden und Flüchtlingen entstehen zwangsläufig, wenn Angst entsteht, dass die Waren nicht mehr ausreichen“, berichtet Günter Klinger, Geschäftsführer der Reutlinger Tafel. Die Tafel in Münsingen (Kreis Reutlingen) etwa sei von Flüchtlingen regelrecht überrollt worden.

Die zusätzlichen Aufgaben der Tafelmitarbeiter beginnen oft damit, den Flüchtlingen zu erklären, was Tafeln sind und wie sie arbeiten. Dafür wollen etwa die Schwäbischen Tafeln in Stuttgart in ihren vier Läden sogenannte Ladenhelfer einführen. „Die Sprachprobleme sind immens; Dolmetscher für den Alltagsbetrieb werden landauf landab händeringend gesucht“, sagte Engelhardt. Neben den Abläufen müsse den Migranten auch erklärt werden, was genau sich in den angebotenen Lebensmitteln befindet.

Das Lebensmittelangebot habe sich nicht wesentlich geändert, auch das Spendenaufkommen sei weiter meist ausreichend. „Wir haben da ohnehin nur kleinere Steuerungsmöglichkeiten“, erklärte Engelhardt. Die Lebensmittelvielfalt richte sich nach dem Angebot des Marktes. „Zur Zeit haben wir wegen der Milchschwemme viele Molkereiprodukte“, sagte er. Die Flüchtlinge fragten vor allem nach Obst und Gemüse. „Das kennen sie und da wissen sie genau, was drin ist.“