Auch in den Tafelläden in Stuttgart – wie hier in der Stadtmitte – können Bedürftige für wenig Geld einkaufen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Essener Tafel hat seit kurzem für bedürftige Menschen ohne deutschen Pass eine Warteliste eingeführt. Beim baden-württembergischen Landesverband und bei der Schwäbischen Tafel sieht man das ganz anders.

Stuttgart - Am Freitagmorgen hat bei Monika Borchwald, die die Mitarbeiter bei der Feuerbacher Tafel anleitet, gleich das Telefon geklingelt. Der Grund: Verschiedene Zeitungen hatten zuvor über die Essener Tafel berichtet, die seit Mitte Januar Lebensmittel nur noch an Menschen mit deutschem Pass ausgibt – der Migrantenanteil habe etwa 60 Prozent betragen, teilte der Vorstand der Essener Tafel, Jörg Sartor, mit. Man habe das nicht mehr bewältigt, auch seien viele deutsche Rentner deshalb ferngeblieben.

Nach der Berichterstattung über Essen hatte sich eine Person bei Borchwald persönlich beschwert: Sie will vor der Tafel in Feuerbach beobachtet haben, wie ein Mann seinen Sprinter kistenweise beladen und in einem Kebab-Laden wieder entladen hat. Solche Vorkommnisse seien ihr nicht bekannt, sagt Borchwald. Die Kunden der Tafel – Träger ist das Behindertenzentrum mit Werkstatt – sind alle bedürftig, sie leben von einer kleinen Rente, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder der Grundsicherung. „Jeder, der vor unserer Tür wartet, darf bei uns einkaufen“, sagt sie. Und der technische Werkstattleiter Michael Langer ergänzt: „Eine Unterscheidung nach Nationalität kennen wir bei uns nicht.“

Etwa 2000 Kunden hat die Schwäbische Tafel am Tag

Auch Edgar Heimerdinger, Vorstandsvorsitzender der Schwäbischen Tafel, kann die Essener Vorgehensweise nicht nachvollziehen: „Nach Tafelleitlinien ist das undenkbar.“ Man helfe Bedürftigen – Nationalität, Geschlecht oder Religionszugehörigkeit spielen dabei keine Rolle. „Das, was wir haben, wird geteilt.“ Natürlich sei der Migrantenanteil unter den Kunden hoch, auf etwa zwei Drittel schätzt er ihn in Stuttgart. Das sei schon immer so gewesen, das beziehe sich nicht nur auf Geflüchtete. Auch Vorwürfe, manche Migranten würden mit dem Mercedes vorfahren und großzügig einladen, gebe es gelegentlich.

Vier Einrichtungen in Stuttgart und Fellbach gehören zur Schwäbischen Tafel dazu. Man habe etwa 2000 Kunden am Tag, Beschwerden kämen vielleicht von zwei oder drei. „Solche Hasstiraden haben selten etwas mit Tatsachen zu tun“, ist seine Erfahrung. Der Grund für den Neid? Tafelläden sind keine Vollsortimenter. „Manche Dinge gibt es nicht oder nur portioniert.“

Etwa 400 Menschen helfen bei den Schwäbischen Tafeln ehrenamtlich, über das Jobcenter und aufgrund von Sozialstunden mit. Auch unter diesen beträgt laut Heimerdinger der Migrantenanteil zwei Drittel: „Ohne die würden wir die Arbeit gar nicht schaffen. Auch Flüchtlinge haben bei uns schon mitgearbeitet.“

Hoher Migrantenanteil bei den Helfern

Ab etwa 2015 erlebten auch die Tafeln in Stuttgart und Baden-Württemberg einen größeren Andrang von Asylbewerbern. Vor allem Sprachbarrieren sorgten für Probleme. Wie erklärt man, was eine Tafel ist? Was ist Gelatine? Und warum darf man nicht einfach alles mitnehmen? All das seien Fragen, die die Mitarbeiter in ihnen fremden Sprachen nur schwer erklären konnten, sagt Udo Engelhardt, Mitglied im Landesvorstand der Tafeln Baden-Württemberg. Gerade für die älteren Mitarbeiter sei das häufig stressig gewesen. Aus diesem Grund habe man in 2017 einen Tafelfachtag abgehalten und Lösungsansätze erarbeitet, die Mitarbeiter entsprechend geschult. „Eine Auswahl unter armen Menschen jedweder Art machen wir nicht“, ergänzt Udo Engelhardt.

Auch eine Umfrage unter den rund 140 Tafelläden hat man 2016 gemacht. Der Anteil an Geflüchteten lag durchschnittlich bei 40 Prozent, vereinzelt bei 80 Prozent. Diese Zahlen seien längst rückläufig. Engelhardt sieht absolut keinen Grund, warum Flüchtlinge nicht in den Tafeln willkommen sein sollten. Die Leute sparen Geld für anderes, für Kultur oder um dem Kind ein Buch zu schenken. „Das ist doch nur gut. Das ist der Sinn der Tafelläden.“

Auch der Vorsitzende des Dachverbands Tafel Deutschland, Jochen Brühl, betont, man verteile nach Bedürftigkeit und nicht nach Herkunft. Er kritisiert allerdings auch die Politik: „Wir erwarten von einer neuen Regierung, dass sie sich mit den drängendsten Problemen des Landes befasst und nachhaltige Lösungen für die Ärmsten findet.“