Wie auf dem Präsentierteller kommen sich manche Kunden vor, wenn sie vor dem Tafelladen auf Einlass warten. Foto: Brigitte Hess

Abstand halten – das gilt in diesen Zeiten auch für den Fellbacher Tafelladen. Statt im Vorraum müssen die Kunden bei viel Andrang draußen warten, was nicht allen behagt. Schließlich soll nicht jeder sehen, wer auf die Tafel angewiesen ist.

Fellbach - Lieber am Ende der Schlange stehen, als gar nicht einkaufen können: „Ich bin froh, dass der Fellbacher Tafelladen während der Corona-Zeit nie geschlossen hatte und meine Familie hier immer genügend Lebensmittel kaufen konnte“, sagt ein junger Mann, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Sie führte zweieinhalb Jahre lang den Cannstatter Tafelladen, seit Ende Januar leitet sie das Fellbacher Geschäft

Während etliche Geschäfte der Schwäbischen Tafel Stuttgart und beispielsweise auch der zu den Tafeln Rems-Murr gehörende Waiblinger Tafelladen während der vergangenen Wochen zumindest zeitweise geschlossen hatten, war in Fellbach durchgehend zu den üblichen Öffnungszeiten geöffnet. „Früher haben sich die Leute hier im Vorraum gedrängelt, jetzt ist durch das Schlangestehen draußen die Bedürftigkeit für alle sichtbar“, sagt die Leiterin des Fellbacher Ladens, Efstratia Liakos. Sie führte zweieinhalb Jahre lang den Cannstatter Tafelladen, seit Ende Januar leitet sie das Fellbacher Geschäft.

Durch die Schlange entstehe der Eindruck, dass es mehr Menschen seien, die aktuell auf die Tafeln angewiesen sind, dem sei aber nicht so, sagt Efstratia Liakos. Im Gegenteil: Es seien sogar einige Kunden weggeblieben, weil sie eben nicht für alle sichtbar in der Schlange warten wollten. Oder weil sie krank sind, ihre Kinder zu Hause betreuen müssen und demzufolge kaum mehr aus dem Haus kommen.

Auch auf etwa die Hälfte ihrer Mitarbeiter und Ein-Euro-Jobber muss Efstratia Liakos verzichten: „Viele davon gehören zur Risikogruppe, und wir haben ihnen gesagt, sie sollen zu ihrer eigenen Sicherheit zu Hause bleiben.“ Um die Zahl der täglichen Einkäufer bei weniger Helfern hinter den Tresen in Grenzen zu halten, darf jeder Berechtigte nun nur noch jeden zweiten Tag kommen, das hat Efstratia Liakos geregelt – ganz pragmatisch nach dem Alphabet.

Über mangelnde Zuwendungen von Obst, Gemüse, Brot und Milchprodukten kann sich die Schwäbische Tafel Stuttgart nicht beklagen

Im Ladengeschäft selbst dürfen sich momentan immer nur zehn Kunden aufhalten, die Beschränkung der Einkaufsmengen ist dafür aber etwas gelockert worden. Und über mangelnde Zuwendungen von Obst, Gemüse, Brot und Milchprodukten kann sich die Schwäbische Tafel Stuttgart nicht beklagen. „Ganz am Anfang der Corona-Krise wurden wir sogar überschwemmt, weil andere Tafelläden geschlossen waren, aber das hat sich nun wieder eingespielt“, sagt Ingrid Poppe, Projektleiterin der Schwäbischen Tafel Stuttgart, zu der auch der Fellbacher Laden gehört. Außerdem tauschen die Tafelläden untereinander Waren aus, wenn es irgendwo einen Überhang gibt oder andersherum Dinge knapp werden. Und Nudeln oder Klopapier, die in manchen regulären Geschäften zu Beginn der Krise weggehamstert waren, gibt es bei den Tafeln üblicherweise sowieso nicht.

Allerdings hat die Fellbacher Tafel vom Griechischen Elternverein vor einigen Wochen Mund- und Nase-Schutzmasken sowie vom Fellbacher Verein Kreativ Handeln und Edeka Hansen Duschgel, Seife und Shampoo gespendet bekommen. „Darüber und auch über finanzielle Zuwendungen von Privatleuten sind wir sehr dankbar“, sagt Efstratia Liakos.

Bei anderen sozialen Einrichtungen in Fellbach ist die für manche Menschen größer gewordene finanzielle Not durch Corona noch nicht angekommen. „Ich hatte statt der üblichen zehn Beratungsgespräche monatlich im April gar keine und im Mai und Juni jeweils zwei neue Klienten“, sagt Ulrich Wittke, der seit 30 Jahren für die Awo eine Schuldnerberatung anbietet. Er glaubt aber, dass sich das nur zeitlich verschoben hat, und die Nachfrage im dritten und vierten Quartal stark zunehmen wird: „Wo es eng ist, wurden ja erst einmal Kreditzahlungen und vielleicht auch Mieten gestundet. Aber die Probleme sind dadurch nur aufgeschoben“, sagt Wittke.

Bei der Fellbacher Caritas-Stelle ist ebenfalls – noch – alles ruhig: Die Kleiderkammer ist geschlossen.