Manuela Grißmer und Renato Gallacchi teilen sich die Leitung in der Filiale in der Fellbacher Wernerstraße. Foto: Patricia Sigerist

Seit mittlerweile elf Jahren gibt es den Tafelladen in Fellbach. Die Einrichtung sucht zur Unterstützung händeringend Ehrenamtliche. Über die Filiale an der Ecke Esslinger- und Wernerstraße ist in der Nachbarschaft jedoch nicht jeder glücklich.

Fellbach - Der Tafelladen macht erst in einer Stunde auf, aber der Vorraum vor dem eigentlichen Ladenbereich ist bereits voll. Wer hier sitzt, hat Zeit mitgebracht. Die Stunde vor der Öffnung um 10 Uhr nutzen die Kunden der Fellbacher Tafel als Treffpunkt. Wer will, kann sich an einem Bücherregal bedienen. Einige kennen sich und kommen ins Gespräch.

Drinnen geht es seit 7 Uhr morgens zu wie in einem Bienenstock. Schließlich sollen alle Waren sortiert und eingeräumt sein, bis die Kunden kommen. Manuela Grißmer und Renato Gallacchi teilen sich die Leitung in Fellbach. Sobald sie eine der grünen Klappkisten leer geräumt haben, fliegt diese in die Ecke. Die Regale füllen sich mit Obst und Gemüse. Nebendran im Kühlregal liegen Käse und Tortellinis. Scheinbar gibt es alles, was man auch in einem Supermarkt finden würde.

Ist die Auswahl groß, dann zeigt das, dass zuviel produziert wurde

Das ist aber nicht gut. „Wenn wir so eine große Auswahl haben, ist das zwar schön für unsere Kundschaft. Aber grundsätzlich ist es ein schlechtes Zeichen, denn es zeigt, dass wieder jede Menge überproduziert wurde“, erklärt Susanne Tylingo. Die 46-Jährige ist stellvertretende Projektleiterin der Schwäbischen Tafeln und leitet den Laden in Stuttgart-Mitte. Davor war sie dreieinhalb Jahre als Leiterin in Fellbach zuständig. Während sie durch die Räume läuft, immer wieder Bekannte begrüßt und anpackt, wo Not am Mann ist, sagt sie: „Der Laden ist schon irgendwie mein Baby.“

Gegründet wurde die Filiale an der Ecke Esslinger- und Wernerstraße vor elf Jahren. Ehrenamtliche sahen den Bedarf und wendeten sich an die Stadt. „Die drei Stuttgarter Läden wurden als Vorbild für die Fellbacher Filiale genommen“, sagt Susanne Tylingo. Zusätzlich zu der großen Ladenfläche mit Anlieferung und Lager wurde noch eine kleine Boutique eröffnet. Dort können die Bedürftigen Kleider und Haushaltswaren zu Centbeträgen erstehen.

Einkaufen darf aber sowohl dort als auch im Lebensmittelbereich nur, wer über eine Bonuscard oder eine Tafelkarte verfügt. Wer eine Bonuscard bekommt, dessen Bedürftigkeit wurde von der Stadt geprüft. „Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass wir anhand von Dokumenten feststellen, ob die Bedingungen für die Nutzung unseres Ladens erfüllt sind. Ist dies der Fall, wird eine Tafelkarte für maximal ein Jahr ausgestellt“, sagt Susanne Tylingo. Dies sei unter anderem mit Hartz IV- und Wohngeldbescheid oder Sozialhilfe der Fall. Aber auch Menschen ohne Papiere – beispielsweise Obdachlose – dürfen bis zu zweimal am Tag im Tafelladen einkaufen.

In Fellbach geht es beschaulich und familiär zu – die Mitarbeiter kennen sich gut

Generell gehe es im Fellbacher Tafelladen beschaulich und familiär zu. „Wir können eigentlich immer alle auf einmal reinlassen.“ Immer mehr Rentner müssen das Sortiment des Tafelladens nutzen. Aber auch Geflüchtete machen einen großen Anteil der Kundschaft aus. Susanne Tylingo erinnert sich, dass sich der Zustrom aber nur am Anfang richtig bemerkbar gemacht habe. „Im September 2014 hatten wir von einem Tag auf den anderen 140 Kunden mehr zu versorgen. Das war heftig. Mittlerweile hat sich das aber relativiert.“ Oft müsse man den Geflüchteten klarmachen, dass das Sortiment je nach Spendenaufkommen schwanke und nichts bestellt werden könne. „Die denken oft erst mal, wir seien ein Vollsortimenter“, sagt Susanne Tylingo. Weil das Sortiment davon abhängt, was gerade übrig ist und nicht weggeschmissen werden soll, kann es auch mal sein, dass es Eistee oder Popcorn gibt. „Es ist schön, wenn wir mal so ein Schmankerl bieten können“, sagt Susanne Tylingo.

Für diejenigen, die Probleme damit hatten, die Waren künftig mit Geflüchteten zu teilen, hatten die Verantwortlichen des Tafelladens gleich die passende Antwort parat. „Wir haben ihnen klargemacht, dass eben diese Geflüchteten die Waren für sie sortieren. Da waren sie schnell ruhig.“ Eine gute Strategie wird auch in Bezug auf die Nachbarschaft gebraucht. Denn einige stören sich daran, einen Tafelladen bei sich zu haben. „Das ist schade, aber die Stadt steht hinter uns.“ Aktuell gebe es Ärger wegen einer eingebauten Lüftungsanlage. „Wir sind hier teils 60 Leute, da muss Luft her. Die Eigentümergemeinschaft hängt sich jetzt daran auf und klagt. Das ist wohl ein Alibi für Vorbehalte“, sagt Suanne Tylingo. Man könne es nicht jedem recht machen.

Der Fellbacher Tafelladen braucht dringend Unterstützung von Ehrenamtlichen

Dabei sind die Tafeln von vielem abhängig. „Wir brauchen Ehrenamtliche, Spender und die Politik. Es gibt viele Ein-Euro-Jobber oder Mitarbeiter, die über soziale Teilhabe da sind. Wenn das wegfällt, stehen wir Ende des Jahres ohne Leute da“, sagt Susanne Tylingo. Vielleicht müsse ein Tag der offenen Tür zeigen, was die Tafeln sind.