Superangebot und wenige Kilometer – bei solchen Angeboten ist Vorsicht geboten. Foto: dpa

Wie verbreitet Tachobetrug ist, weiß niemand so genau. Aber er lohnt sich für die Betrüger. Die Stiftung Warentest gibt Tipps, was man als Käufer tun kann, um das Risiko einzugrenzen.

Berlin - Früher setzte man die Bohrmaschine an und drehte damit die Tachowelle so lange, bis der Tacho den gewünschten Kilometerstand hatte. Bei den heutigen Digitaltachos geht das mit einem passenden Gerät, das man im Internet kaufen kann, in Sekundenschnelle: Es wird an die entsprechende Schnittstelle im Auto angeschlossen – und schon gelangt man ins elektronische Innenleben des Autos und kann unter anderem den Tachostand verstellen. Es gibt auch „Dienstleister“, die diesen Service anbieten.

Um es klar zu sagen: Der Verkauf der Manipulationsgeräte ist legal, die Manipulation selbst ist verboten – darauf stehe eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe, wie der Automobilclub ADAC betont. Wie krass im Gebrauchtwagenhandel betrogen wird, belegt eine Razzia der Polizei im Jahr 2011 in München, die bis heute immer wieder zitiert wird: Damals wurde ein Auto mit einer echten Laufleistung von 700 000 Kilometern sichergestellt, das etwa 5000 Euro wert gewesen war. Der Tacho indes war auf 150 000 Kilometer zurückgestellt worden – und schon wurde der auch ansonsten aufgehübschte Wagen für 15 000 Euro verkauft.

300o Euro Gewinn

Die Stiftung Warentest hat sich in der Februar-Ausgabe der Zeitschrift „Finanztest“ nun ebenfalls des Themas angenommen. Neue Zahlen zu den möglichen Manipulationen können aber auch die Warentester nicht liefern. So bleibt aufgrund der Münchner Razzien im Jahr 2011 die Schätzung, dass ein Drittel der Gebrauchtwagen manipuliert ist. Laut Stiftung Warentest geht der Bundesverband freier Kfz-Händler von weniger als zehn Prozent aus. Gleichwohl bleibt der Verdacht, dass angesichts eines durchschnittlichen Mehrerlöses von etwa 3000 Euro der Anreiz groß ist, nicht nur das Äußere des zu verkaufenden Autos, sondern auch die Kilometerleistung zu schönen.

Für den Käufer ist es äußerst unerfreulich, wenn ihm ein Auto mit „heruntergedrehtem“ Tacho angedreht wurde. Damit ist er nämlich gleich doppelt betrogen: Zum einen zahlt er einen zu hohen Preis, zum anderen besteht die Gefahr, dass wegen des zu niedrigen Tachostandes wichtige Wartungsarbeiten hinausgeschoben werden. Besonders bedenklich kann das werden, wenn der Zahnriemen nicht rechtzeitig gewechselt wird – dann droht ein kapitaler Motorschaden, der Tausende von Euro kosten kann.

Umfassende Manipulationen

Verhängnisvoll ist zudem, dass die Manipulationen am Wegstreckenzähler immer raffinierter werden. Da wird der Kilometerstand inzwischen nicht nur am Tacho manipuliert, sondern auch an anderen, möglicherweise verräterischen Orten, etwa am Zähler für die Wartungsintervalle. Monatliche Updates für die Betrugssoftware erlauben es den Gaunern, dass ihre Aktionen stets auf dem Laufenden und technisch kaum noch nachzuweisen sind. Gerade bei Leasingfahrzeugen werde auf diese Weise schon während der Laufzeit des Vertrags die Kilometerzahl immer wieder zurückgedreht, weiß der ADAC. Eine geringere Laufleistung senkt die Leasingraten – zudem kann man die vereinbarte Kilometerleistung überziehen. So gelangen die falschen Kilometerdaten gleich von Anfang an in die „Fahrzeug-Historie“ der zuständigen Fachwerkstatt und lassen sich später kaum entdecken.

Umso wichtiger ist es, beim Gebrauchtwagenkauf besonderes wachsam zu sein und nach möglichen Indizien zu suchen, die auf eine höhere Kilometerleistung hindeuten könnten. Die Stiftung Warentest weist zudem darauf hin, dass die üblichen Formulierungen wie „gekauft wie gesehen“ oder „unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“ bei Tachobetrug nicht greifen. Auch spiele es für einen Verkäufer keine Rolle, ob er von dem Betrug wusste oder nicht – etwa weil ein Vorbesitzer den Tacho zurückgedreht hat. Kommt die Manipulation ans Tageslicht, muss er das Auto zurücknehmen.

Tachoschutz für neue Automodelle

An der Situation ändern wird sich so schnell wohl nichts. Laut ADAC würde es nur wenige Euro pro Auto kosten, den Tachochip sicherer gegen Manipulationen zu machen. „Doch die Hersteller zeigen daran kein Interesse“, bedauert die Stiftung Warentest. Schließlich entstehe ihnen ja kein direkter Schaden, weil sie – ähnlich wie die Leasingfirmen – das Auto einfach zu dem Preis weiterverkaufen würden, den es mit dem gefälschten Tachostand bringe.

Die Warentester weisen allerdings darauf hin, dass dank der EU seit September 2017 neue Pkw-Modelle einen Tachoschutz haben müssen. Dies greift bislang allerdings erst sehr begrenzt, weil die Vorschrift nur für neu entwickelte Typen gilt. Ist das Modell bereits auf dem Markt, braucht es auch keinen besseren Tachoschutz.

Worauf Gebrauchtwagenkäufer achten sollten

Vertrag Laut Stiftung Warentest finden sich in vielen Gebrauchtwagen-Kaufverträgen unverbindliche Angaben zum Kilometerstand. Beliebt sind Zusätze wie „Fahrleistung laut Vorbesitzer“, „Tachostand wie abgelesen“ oder „soweit bekannt“. Für Käufer ist das nicht gut. Denn solche Formulierungen gelten vor Gericht als Hinweis, dass der Verkäufer nicht dafür geradestehen will, dass die Angaben stimmen. Daher sollte der Tachostand verbindlich im Vertrag stehen.

Serviceheft Wichtig ist, dass ein Serviceheft, auch Scheckheft genannt, vorliegt. Fehlt es, ist dies ein guter Grund, das Auto nicht zu kaufen. Natürlich lassen sich auch Servicehefte fälschen: Verdächtig ist es etwa, wenn die Stempel mehr oder weniger alle gleich aussehen. Gut ist es auch, wenn es Rechnungen für Wartung und Reparaturen gibt – mit plausiblen Kilometerständen. „Schon kleine Hinweise, dass etwas nicht stimmt, sind Grund genug, nicht zu kaufen“, meint die Stiftung Warentest.

Verschleiß Wenn sich deutliche Gebrauchsspuren an Sitzen, Lenkrad, Pedalen und anderen Stellen zeigen, ist dies ein guter Hinweis auf eine starke Nutzung des Autos. Aber auch hier gilt: Sitze lassen sich aufhübschen und Pedalgummis oder ein Schaltknüppel für wenig Geld erneuern.

Preis Besondere Vorsicht sollte man bei scheinbar preisgünstigen Autos walten lassen. Daher ist es ratsam, sich im Internet über die gängigen Preise zu informieren. Besonders lohnend ist der Betrug übrigens bei Jahreswagen und Leasingfahrzeugen.

Vertrauen Beim Verkaufsgespräch sollte der Verkäufer einen verlässlicher Eindruck machen. Dazu gehört auch, Fragen plausibel und nicht ausweichend zu beantworten. Für einen Wiederverkauf nach kurzer Zeit etwa sollte es einen vernünftigen und im besten Fall auch nachprüfbaren Grund geben.

Verjährung Wurden verbindliche Zusagen etwa über den Kilometerstand nicht eingehalten, „geht in den ersten sechs Monaten nach Kauf das Gewährleistungsrecht davon aus, dass ein festgestellter Mangel bereits beim Kauf vorhanden war“, betont die Stiftung Warentest. Dann kann der Wagen zurückgegeben werden. Ansonsten gilt bei arglistiger Täuschung eine dreijährige Verjährungsfrist. Aber dies muss erst einmal bewiesen werden – was nach Einschätzung der Tester „häufig aussichtslos“ ist.