Bundesregierung will Tabaksteuer schrittweise anheben - Feinschnitt aber bevorteilen.
Berlin - Seitdem die Tabaksteuer auf Zigaretten kräftig erhöht wurde, weichen immer mehr Raucher auf Selbstgedrehte aus. Beim Drehtabak ist nämlich die Steuerbelastung deutlich geringer. Dabei enthält der sogenannte Feinschnitt mehr Schadstoffe.
Anfang September gehen die Haushaltsexperten der Koalition in Klausur. Dabei wird der Fahrplan für die Verabschiedung des Bundesetats 2011 festgelegt. Bei den Verhandlungen soll auch das Konzept des Bundesfinanzministeriums für eine jährliche Erhöhung der Tabaksteuer in kleinen Schritten wieder zur Sprache kommen.
Nach Informationen unserer Zeitung hat die FDP ihren Widerstand gegen Tabaksteuererhöhungen aufgegeben. Das Modell sieht vor, dass Anfang 2011 die Tabaksteuer je Zigarette um 0,22 Cent angehoben wird. 2012 und in den drei Folgejahren sind ähnliche Schritte geplant. Mit diesen kleinen Steuerschritten, so ist das Kalkül von Politik und Herstellern, werden die Raucher nicht so sehr abgeschreckt wie bei den kräftigen Erhöhungen vor einigen Jahren. Die Hersteller unterstützen das Konzept. Sie hoffen, im Windschatten der Steuererhöhungen Preissteigerungen durchsetzen zu können.
Seitdem die damalige rot-grüne Koalition die Tabaksteuer in den Jahren nach 2002 mehrfach kräftig erhöht hat, ist der Absatz regulär versteuerter Fabrikzigaretten eingebrochen. 2002 lag der Absatz noch bei 145,1 Milliarden Stück, 2009 aber nur noch bei 86,6 Milliarden Stück. Viele Raucher sind auf Schmuggelware oder Feinschnitt zum Selberdrehen umgestiegen.
Hintergrund ist, dass der Feinschnitt steuerlich deutlich besser wegkommt. Heute kostet eine Marlboro-Zigarette knapp 25 Cent, 15 Cent davon gehen auf das Konto der Tabaksteuer. Eine Selbstgedrehte kostet 13 Cent, die Tabaksteuer je Zigarette liegt mit knapp sechs Cent deutlich unter der einer Fabrikzigarette. Das Konzept des Finanzministeriums, das unserer Zeitung vorliegt, sieht zwar beim Feinschnitt bis 2015 überproportional starke Steuererhöhungen vor. Dennoch soll das Steuerprivileg beim Drehtabak erhalten bleiben. Selbst im fünften Erhöhungsjahr, also 2015, würde eine Selbstgedrehte nur mit 7,14 Cent Tabaksteuer belastet, eine Marlboro-Zigarette aber mit 15,5 Cent. Der Feinschnitt würde also immer noch nur etwa halb so stark steuerlich belastet wie eine Fabrikzigarette. Diese Rechnung geht davon aus, dass ein Gramm Tabak für eine Selbstgedrehte benutzt wird. In der Praxis sollen es nur 0,7 Gramm sein.
Diese Subventionierung ist kaum zu rechtfertigen. Schließlich ist das Rauchen von Selbstgedrehten deutlich gesundheitsschädlicher. Feinschnitt weist höhere Schadstoffe für Nikotin und Kondensat auf. Deswegen protestieren Gesundheitsexperten der Opposition gegen die Koalitionspläne. Der SPD-Politiker Karl Lauterbach fordert: "Bei einer Reform der Tabaksteuer müssen die Steuerprivilegien des Feinschnitts beseitigt werden, weil gerade Feinschnitt-Zigaretten besonders ungesund sind." Lauterbach fragt: "Warum sollte ausgerechnet der ungesündeste Tabak steuerlich bevorzugt werden?" Der grüne Drogen-Experte Harald Terpe sagt: "Es gibt gesundheitspolitisch keinen Grund, warum Feinschnitt geringer besteuert wird." Die unterschiedlichen Steuersätze müssten für alle Tabakprodukte vereinheitlicht werden. Das wäre im Hinblick auf die Prävention ein klares Signal.