Wirbt für einen Verbleib Großbritanniens in der EU: Premier Cameron Foto:  

Was wäre, wenn die Briten sich gegen die EU entscheiden? In London haben Politiker aus ganz Europa das mal durchgespielt.

London - Leszek Balcerowicz brauchte nicht viel, um seinen Missmut auszudrücken. „Viele Polen empfinden es als Beleidigung, dass sie beschuldigt werden, nur Sozialleistungen in Großbritannien zu wollen“, sagte Polens ehemaliger Vize-Regierungschef Polens. Sein mürrischer Blick in die Runde stockte bei Sir Malcolm Rifkind, der für die britische Regierung am Tisch saß und den umstrittenen Vorschlag verteidigte, Sozialleistungen für EU-Ausländer in den ersten vier Jahren zu streichen – selbst wenn sie arbeiten. „Klare Diskriminierung“, schallte es aus kontinentaler Richtung.

Die Denkfabrik Open Europe hatte am Montag Politiker aus wichtigen EU-Ländern zu einem simulierten Gipfel mit dem martialischen Titel „EU Kriegsspiele“ eingeladen. Hochrangige Repräsentanten etwa aus Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien, spielten in London die Verhandlungen über die von Großbritannien geforderten EU-Reformen durch. Am Vormittag gab es trotz des Streits um die Sozialleistungen noch viel Positives, Liebeserklärungen an die Briten inklusive. Doch am Nachmittag entwickelte sich die Debatte tatsächlich eher in Richtung Kriegsspiel.

Hitzig stritten die Politiker über das Undenkbare. Im Scheinwerferlicht saßen sie um den runden Tisch und diskutierten den Fall eines Brexits – wenn sich die Briten also in dem von Premier David Cameron versprochenen Referendum für einen Austritt entscheiden sollten. Derzeit liegen auf der Insel Europafreunde und -gegner gleichauf. Das will der Premier ändern. Er hofft, beim nächsten EU-Gipfel Mitte Februar eine Einigung mit den Mitgliedstaaten über seine vier Reformforderungen zu erreichen. Mit dem Deal in der Tasche will er ins Königreich zurückkehren, um für den Verbleib im Klub der 28 zu werben.

Vorteile für die Londoner City

Sollte es tatsächlich zur Katastrophe kommen – was würde passieren am Tag X? Spaniens Ex-Außenministerin Ana Palacio: „Ein Tsunami wäre im Vergleich eine Kleinigkeit.“ Derweil hat Lord Norman Lamont, Ex-Finanzminister und nicht gerade bekannt als Europafreund, den Part Großbritanniens übernommen. Er wirbt für eine umfassende Handelsvereinbarung und will weiter nicht auf die Vorteile für die Londoner City verzichten. Das aber sorgt für Ärger. „Warum sollten wir London einen Deal geben, der beispielsweise Frankfurts Wettbewerbsfähigkeit schadet?“, fragt Steffen Kampeter, früherer Finanzstaatssekretär, der als Vertreter Deutschlands auftritt.

Die Emotionen kochen selbst beim Rollenspiel hoch. Wie groß wäre erst die Verbitterung in der Realität? Ein neuer Deal mit dem abtrünnigen Großbritannien habe nach einem Brexit erst einmal keine Priorität, heißt es immer wieder. Zudem dürfe man nicht zu großzügig sein, so der Pole Balcerowicz. Abschreckung sei wichtig, damit andere populistische Bewegungen wie etwa der Front National nicht auf die Idee kämen, ebenfalls für einen Austritt zu werben.