Demonstraten fordern in London am 13.Dezember Russland und die syrischen Regierung auf, Überlebenden aus Aleppo kampflos ziehen zu lassen. Foto: AFP

In ihrer Verzweiflung wenden sich Zivilisten, Journalisten und Aktivisten mit einer letzten Botschaft via Twitter an den Rest der Welt – und bitten um Hilfe, denn sie sind in der Stadt gefangen.

Aleppo - „Jede Bombe ist ein Massaker. Rettet Aleppo, rettet die Menschlichkeit.“ Der Hilferuf, den Lina Shamy am 12. Dezember aus der syrischen Stadt in die Welt sendet, ist nur 39 Sekunden lang. Mit Tränen in den Augen, aber fester Stimme spricht sie ihre vermeintlich letzen Worte. „Wir sind hier einem Völkermord ausgeliefert. Das könnte mein letztes Video sein“, erklärt sie aufgebracht.

Das Video hat die junge Frau über ihren Twitteraccount veröffentlicht, auf dem sie sich öffentlich zu den Rebellen bekennt, die gegen das Assad-Regim kämpfen. Sie twittert nach eigenen Angaben direkt aus dem umkämpften Aleppo.

Unter dem Hashtag #Aleppo finden sich auf Twitter zahlreiche solcher Videos und Hilferufe aus der syrischen Stadt. Ob davon wirklich alle authentisch sind, lässt sich nicht genau nachprüfen, jedoch halten wir die Beiträge, die in diesem Artikel enthalten sind, für glaubhaft.

Anlass der verzweifelten Rufe ist der Vormarsch der Regierungstruppen des Diktators Baschar al-Assad. Die ehemalig von den Rebellen besetzten Viertel sind verlassen, in den von Assads Regierungstruppen gehaltenen Gebieten der Stadt dagegen fahren Sympathisanten im Autokorso durch die Straßen und feiern den vermeintlichen Sieg. Für viele Zivilisten sind die schweren Kämpfe um die Stadt der Grund, Aleppo zu verlassen. Binnen 24 Stunden flohen laut Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien mehr als 10 000 Zivilisten aus den seit 2012 von den Rebellen gehaltenen Vierteln in Ost-Aleppo.

Bereits am Montag veröffentlichte die Syrerin Lina Shamy ihren Hilferuf auf Twitter, denn zu diesem Zeitpunkt gab es bereits für viele Menschen in der umkämpften Metropole kaum mehr Wasser und Nahrung. Auch sei die medizinische Versorgung in der Stadt katastrophal, berichtet das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) in Syrien.

Auch die 7-jährige Bana Alabed sendet gemeinsam mit ihrer Mutter Tweets aus der zerstörten Metropole. Unter #Aleppo schreibt sie am 13. Dezember: „Mein Name ist Bana, ich bin 7 Jahre alt. Ich spreche zum Rest der Welt live aus dem Osten von Aleppo. Das ist mein letzer Moment, entweder lebe oder sterbe ich. – Bana.“

Der Tweet von Bana wurde auf Twitter bislang 37 000 Mal geteilt. Trotz der angeblichen Waffenruhe fallen offensichtlich weiterhin Bomben und Mutter Fatemah fragt sich: „Liebe Welt, hier fallen gerade viele Bomben. Warum bleibst du stumm? Warum? Warum? Warum? Die Angst bringt mich und meine Kinder um.“

Aber nicht nur Hilferufe sind unter den Beiträgen auf Twitter: Bei den Überlebenden herrscht große Enttäuschung, den Glauben an die Unterstützung der internationale Gemeinschaft und an Hilfe von den Vereinten Nationen haben sie längst verloren, erklärt Mr. Alhamdo, der nach eigene Angaben Reporter, Lehrer und Aktivist ist. „Es scheint so, als mag diese Welt die Freiheit nicht. Glaubt ja nicht, ihr wärt freie Menschen in eurem eigenen Land!“, erklärt er aufgelöst in einem Video, während im Hintergrund Schüsse zu hören sind:

Nach dem Sieg der Regierungstruppen ist seit Mittwoch eine Waffenruhe mit den Rebellen vereinbart worden, die der Zivilbevölkerung die Möglichkeit geben sollte, die Stadt endlich zu verlassen. Doch die Abmachung scheint nicht eingehalten zu werden. Die Konfliktparteien beschuldigen sich gegenseitig, den Waffenstillstand zu missachten. Den Zivilisten, die eben noch gehofft hatten, aus Aleppo zu entkommen, ist der Weg versperrt. Zudem wollen viele die Stadt trotz der Kämpfe nicht verlassen, aus purer Angst vor den Regierungstruppen, wie der Journalist Bilal Abdul Kareem live aus Aleppo berichtet: