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Der Südwestrundfunk (SWR) hat die Fusion seiner beiden großen Orchester ab 2016 beschlossen. Der Geschäftsführer des Berufsverbands der Orchestermusiker ordnet ein und bezieht Stellung.

Stuttgart - Der Südwestrundfunk (SWR) hat die Fusion seiner beiden großen Orchester ab 2016 beschlossen. Der Geschäftsführer des Berufsverbands der Orchestermusiker ordnet ein und bezieht Stellung.


Herr Mertens, „Man zerstört mehr, als man spart“: Mit diesem Satz haben Sie die Fusion der SWR-Klangkörper kommentiert. Was haben Sie genau damit gemeint?
Ich behaupte, dass die 166 Millionen Euro Einsparsumme, die der SWR die ganze Zeit vor sich herträgt und zu der auch seine Klangkörper ihren Beitrag leisten sollen, letztlich nur eine politische Summe sind. Auch der tatsächliche Einspareffekt aus der Fusion der beiden Orchester ist nicht mit konkreten Zahlen unterfüttert. Man kann zwar ausrechnen, welche Summe eine Musikerstelle bei einem der SWR-Orchester jährlich etwa kostet. Was bei all diesen Zahlen von Musikerplanstellen und Einsparsummen aber vergessen wird, ist der kulturelle Mehrwert, der an den beiden Standorten durch die Orchester entsteht. Kulturelles Leben und kulturelle Geschichte werden da zerstört.

Zwischen Freiburg und Stuttgart liegen zwei Stunden Reisezeit. Hat es eine Orchesterfusion über eine so weite Entfernung hinweg in Deutschland schon einmal gegeben?
Nein. Deshalb habe ich da noch keine Erfahrungswerte. Aber wenn Musiker weiter reisen müssen, wird automatisch Kapazität auf die Landstraße verlegt.

Wie definieren Sie den Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender, und in welcher Weise rechnen Sie diesem die Klangkörper zu?
Würden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland keine eigenen Klangkörper unterhalten, dann müssten sie sich im Vergleich mit privaten Rundfunkanbietern noch häufiger fragen lassen, was eigentlich ihr Alleinstellungsmerkmal ist. Wir hatten erst kürzlich eine ausführliche Debatte mit der EU-Kommission zum Stichwort duales Rundfunksystem. Worin, wurde dort gefragt, liegt letztendlich die Rechtfertigung gegenüber den privaten Rundfunkanbietern dafür, dass die öffentlich-rechtlichen Sender über eine Gebühr oder zukünftig über eine Haushaltsabgabe finanziert werden? Da war auf einmal der Unterhalt eigener Klangkörper ein ganz wichtiges Argument, denn mit ihm konnten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten deutlich machen, dass sie nicht nur Kulturvermittler, sondern auch Kulturproduzenten sind, die mit eigenen Klangkörpern auch randständiges und nicht marktfähiges Repertoire produzieren.

Die beiden SWR-Klangkörper in Stuttgart und in Baden-Baden/Freiburg haben schon ein sehr eigenes Profil. Wie lange könnte der Verschmelzungsprozess dauern?
Bis das neue, 120 oder 130 Mann starke „Superorchester“ wirklich super ist und ebenfalls ein Alleinstellungsmerkmal hat, vergeht eine ganze Generation. Wenn man in der internationalen Liga mitspielen will, auf die man jetzt immer schielt, ist das ein sehr langfristiger Prozess, und man kann nicht damit argumentieren, dass das bei der Deutschen Radiophilharmonie in Saarbrücken/Kaiserslautern ja irgendwie auch funktioniert. Die ist zwar ein gutes Orchester, aber international erstklassig ist sie nicht.

Der Landesmusikrat Baden-Württemberg will noch neue Finanzierungsmodelle erarbeiten. Die liefen dann auf eine gemischte Trägerschaft hinaus. Welche Probleme würde eine Überführung in eine GmbH bereiten?
Der SWR hat Alternativmodelle abgelehnt und gesagt, er zieht das jetzt so durch und sucht nach einem Standort. Von einem Rechtsformwechsel ist nicht mehr die Rede, und es ist auch kein großer Co-Finanzierer in Sicht. Der SWR wird die Sache also öffentlich-rechtlich alleine schultern müssen.

Die Freiburger Musiker wollten dem Sender einen Verzicht auf bestimmte tarifvertragliche Leistungen anbieten.
Das war ein offizieller Vorschlag von uns. Es ging um den Verzicht auf einen Teil der tarifvertraglich zugesicherten Gehaltserhöhungen in der Zukunft, um damit einen Eigenanteil des Orchesters an einem Alternativmodell zur Fusion anzubieten. Das hat der SWR letztlich abgelehnt.

Haben die Stuttgarter das auch angeboten?
Nein, aber sie waren auch nicht in der Situation, es anbieten zu müssen, denn das Bedrohungsszenario war von Anfang an eindeutig erst einmal gegen Baden-Baden/Freiburg gerichtet.