Schaukampf in Halle, Westfalen, im Juni 2011: Zehntausend Zuschauer sind gekommen, sie alle wollen Steffi Graf bewundern und zujubeln – zwölf Jahre nach dem Ende ihrer Tenniskarriere. Foto: SWR

SWR-Film über Steffi Graf: Im Sport war sie vom Erfolg fast besessen, heute will sie ein normales Leben führen.

Stuttgart - Mehr als eineinhalb Stunden nimmt sich der Film Zeit und skizziert das Bild der öffentlichen Person Steffi Graf, die unter ständiger Beobachtung stand. Doch was das bedeutet, wird vor allem deutlich in den allerletzten 90 Sekunden der Dokumentation. Da ist Steffi Graf nach ihrem Schaukampf in Halle, Westfalen, auf dem Weg ins VIP-Zelt. Sie will nur etwas essen.

So einfach geht das nicht. Für wenige Meter Strecke benötigt die berühmteste deutsche Sportlerin mehr als eine Minute. Ständig werden ihr Autogrammkarten hingehalten. Immer ist irgend eine Handykamera auf sie gerichtet. Wer ihr Gesicht beobachtet, registriert darin eine gewisse Abneigung. Sie knipst ihr Lächeln an. Ganz der Profi. Sie absolviert diesen Job mit Disziplin. Aber er behagt ihr nicht.

Was für ein Mensch ist Steffi Graf? Wie ist es ihr gelungen, neben den sportlichen Höchstleistungen die öffentliche Hetzjagd ohne bleibende Blessuren zu überstehen? Bis heute gibt es keine von der Sportlerin autorisierte Biografie, auch keinen umfassenden deutschsprachigen Dokumentarfilm. Friedrich Bohnenkamp vom SWR hat bei seinem Porträt darauf verzichtet, einen Matchball an den anderen zu reihen. Ihre fantastische Tenniskarriere, 377 Wochen war sie die Nummer eins der Weltrangliste, ist umfassend beschrieben.

Graf gibt nur so viel von sich preis, wie sie mag

Ihre Persönlichkeit eher selten. Was auch daran liegen mag, dass die heute 41-Jährige nur so viel von sich preisgibt, wie sie mag. Bohnenkamp ist es nicht gelungen, Stefanie Maria Graf, die alle nur Steffi nennen, zu einem Interview zu bewegen. Trotz mehrfacher Versuche, obwohl kurzzeitig sogar eine Zusage auf seinem Schreibtisch lag. „Sie hat, glaube ich, einfach keine Lust mehr, von Journalisten vor laufender Kamera vorgeführt zu werden“, sagt er. Die private Steffi Graf hat mit der öffentlichen abgeschlossen. „Ich kann die Absage verstehen“, sagt er, auch wenn er es bedauere. Kann eine Charakterstudie treffend sein, wenn der Mensch, der im Mittelpunkt steht, sich gar nicht äußert. „Natürlich nicht“, sagt Bohnenkamp. Aber er hat eine stattliche Zahl an Wegbegleitern, Sportlerkolleginnen und Freunden befragt, um dieses Defizit aufzufangen.

Da wird mit manchem Mythos aufgeräumt, der die Karriere der 22-fachen Grand-Slam-Siegerin begleitete. Hat Peter Graf seine Tochter zum Erfolg gezwungen? Hat er sie als Kind auf dem Tennisplatz gequält. „Nein“, so das eindeutige Statement von Hans-Jürgen Pohmann, Ex-Daviscup-Spieler und langjähriger Tennis-Kommentator der ARD. Heinz Günthardt, lange Jahre ihr Trainer, sieht es genauso. „Sie wollte immer spielen“, sagt er. „An manchen Tagen schon morgens um 5 Uhr.“

In Martina Navratilovas Aussage ist heute noch, nach einem Vierteljahrhundert, die Verwunderung darüber zu spüren, wie stark dieses junge Mädchen war. „Sie war so unheimlich schnell auf den Beinen“, sagt die frühere Weltklassespielerin. Steffi Graf war eine, die nie ein Spiel verloren gegeben hat. Das klingt nach Klischee, bei der Deutschen trifft es aber den Kern ihres Erfolgs. Sie habe alles für den Erfolg getan, urteilt Hans-Jürgen Pohmann. Richtige Ernährung, genügend Schlaf, hartes Training: viele Mosaiksteinchen für das eine Ziel. Steffi Grafs Persönlichkeit hat viele Facetten, nicht nur die sportlichen. Ihre Aufgabe als Unternehmerin und Vorsitzende ihrer Stiftung geht sie mit demselben Engagement an, den sie beim Tennis gezeigt hat. Vor allem aber wolle sie ein normales Leben führen, sagt Bohnenkamp. In Las Vegas, wo sie mit ihrem Mann Andre Agassi und den beiden Kindern lebt, ist das möglich. Dort lässt man sie in Ruhe. In Deutschland wäre das unvorstellbar. Hier bleibt sie immer unsere Steffi.

SWR, Mittwoch, 22.30 Uhr