Matthias Siegle vom SV Fellbach hält sich in einem ehemaligen Lagerraum fit. Obwohl hier nur Familienangehörige trainieren dürfen, hat er Luftfilter aufgestellt. Foto: Michael Käfer

Muskelaufbau ist zurzeit nur noch im privaten Rahmen und praktisch ohne Trainingspartner möglich. Die Schwerathleten des SV Fellbach haben sich einiges einfallen lassen, um den coronabedingten Kraftverlust in Grenzen zu halten.

Fellbach - Muskeln mit ebenso konzentriertem wie hartem Krafttraining aufzubauen ohne die unsportliche Abkürzung über Dopingmittel zu nehmen, ist ein mühevoller Prozess. Überaus ärgerlich ist es deshalb, wenn Kraft und Muskulatur trotz hoher Trainingsmotivation wegen äußerer Umstände wie die coronabedingte Schließung von Trainingsstätten schrumpfen. „Ohne spezifisches Training fängt man fast bei Null wieder an“, sagt Laszlo Szabo, der Trainer der Gewichtheber des SV Fellbach und vielfache ungarische Meister. Bei ambitionierten Athleten kann es mehrere Monate dauern, bis sie wieder an ihr ursprüngliches Leistungsniveau herankommen.

Die Kraftsportler haben sich einiges einfallen lassen

Um die Auswirkungen des seit November andauernden Lockdowns in Grenzen zu halten, haben sich die Kraftsportler so einiges einfallen lassen. In Fellbacher und Kernener Gewerbegebieten ist so mancher Trainingsraum entstanden. Ein (früh-)abendlicher Spaziergang offenbart hinter beleuchteten Fenstern schon mal Powerracks, Schlingentrainer oder Hantelstangen. Letztere sind mancherorts längst ausverkauft oder wegen coronabedingt geschlossener Sportgeschäfte nicht verfügbar. Als kürzlich ein bundesweit bekannter Discounter einen Langhantelsatz, Hantelscheiben in verschiedenen Ausführungen sowie Kurzhanteln im Internet anpries, war der Onlineshop schon vor dem offiziellen Verkaufsstart leergekauft.

Einige im SV Fellbach organisierte Kraftsportler waren indes noch schneller. „Viele unserer Mitglieder haben eine Art Homegym, das schon während des ersten Lockdowns immer mehr ausgebaut wurde“, sagt Daniel Ruprecht, der Technische Leiter aller im SV Fellbach organisierten Kraftdreikämpfer. „Mittlerweile haben einige Leute privat fast bessere Bedingungen als bei uns im Verein“, sagt der 30-Jährige, der auf Landesebene und im – derzeit pausierenden – Bundesligateam des SVF eigene sportliche Erfolge sammelt. Bei deren Realisierung ist er gegenwärtig jedoch trotz Unterstützung seitens des SV Fellbach eingeschränkt. „Ich habe die Möglichkeit vom Verein erhalten, mir Trainingsutensilien auszuleihen“, sagt Daniel Ruprecht. Weil bei dem beruflich stark eingespannten Entwicklungsingenieur für ein ordentliches Training aber gleich mehrere Zentner Eisen auf die Hantelstange gepackt werden müssen, lagert das Gerät nicht in seiner Wohnung – und die bisher nach dem Feierabend einsetzende Ausgangssperre verhinderte mitunter den Gang in den fernab der Wohnung liegenden Kraftkeller.

Matthias Siegle hat einen Lagerraum in einen Fitnessraum umgewandelt

Einfacher hat es da Matthias Siegle, der ehemalige Abteilungsleiter der Fellbacher Kraftsportler. Der 57-Jährige, dem selbst übel meinende Zeitgenossen sportlichen Ehrgeiz nicht absprechen, hat einen zwei Etagen unter seiner Wohnung angesiedelten und knapp 150 Quadratmeter großen Lagerraum in einen Fitnessraum umgewandelt. Dort bereitet sich der ehemalige Senioren-Europarekordhalter auf längerfristig geplante Meisterschaften vor: „Ich trainiere hier regelmäßig und konsequent.“ Zwei Beinmaschinen, mehrere Hantelstangen, eine Heberplattform, Kniebeugenständer und zentnerweise Eisenscheiben hat er angesammelt, um sich für seine nächsten deutschen Meisterschaften und den zu diesem Anlass geplanten Wechsel von der Gewichtsklasse bis 74 Kilogramm in die nächsthöhere Kategorie vorzubereiten. Im Jahr 2023 soll dann endlich der Weltmeistertitel her.

Selbstredend erhält Matthias Siegle angesichts der – bis auf die Temperaturen in dem ungeheizten Betonkeller – fast paradiesischen Trainingsmöglichkeiten immer wieder Anfragen von Sportkollegen. So konsequent wie er seine mindestens vier wöchentlichen Trainingseinheiten absolviert, so konsequent lehnt er diese Begehrlichkeiten ab, um nicht mit den geltenden Coronaregeln zu kollidieren. Obwohl der Zentralheizungs- und Lüftungsbaumeister gleich zwei Hepa-Filter der für Reinräume erforderlichen Kategorie H13 eingebaut hat und damit 99,95 Prozent aller Kleinstpartikel aus der Luft saugt, will er kein Risiko eingehen.

Umgebaute Schlaf- und Wohnzimmer dienen als Trainingsfläche

Bei den Gewichthebern um Laszlo Szabo ist ebenfalls Heimtraining angesagt. „Es sind so gut wie alle Sportgeräte ausgeliehen“, sagt der 63-Jährige über das abteilungseigene Inventar des Kraftraums in der Zeppelinhalle. Umgebaute Scheunen, Schlaf- und Wohnzimmer sowie Kellerräume dienen jetzt als Trainingsfläche. Die originären Gewichtheber feilen nach Vorgaben von Laszlo Szabo an ihrer Form. Die Crossfit-Athleten, bei deren Wettkämpfen das Gewichtheben ebenfalls Bestandteil ist, haben derweil eigene Trainingspläne. Allen gemeinsam ist, dass sie sich sputen müssen, um in Form zu kommen, denn im Mai sind bereits wieder erste Wettkämpfe geplant.