Die Fusion des Branchenprimus Edeka mit dem deutlich kleineren Rivalen Tengelmann ist umstritten. Die OLG-Entscheidung wird wahrscheinlich nicht das letzte Wort sein. Foto: dpa

Das OLG Düsseldorf setzt die Ministererlaubnis vorläufig außer Kraft. Die Richter werfen dem Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel Befangenheit und fehlenden Neutralität vor. Edeka bleibt noch der Gang vor den Bundesgerichtshof.

Stuttgart - Die Übernahme derSupermarktkette Kaiser’s Tengelmanndurch den Marktführer Edeka droht zu scheitern. Das Oberlandesgericht Düsseldorf erklärte am Dienstag die Sondererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel für den Deal in einer Eilentscheidung für rechtswidrig und setzte sie außer Kraft. Gabriel habe „über die Erteilung der Erlaubnis nicht entscheiden dürfen, da sein Verhalten im Erlaubnisverfahren die Besorgnis seiner Befangenheit und fehlenden Neutralität begründe“, übten die Richter ungewöhnlich scharfe Kritik. Edeka und das Ministerium prüfen nun rechtliche Schritte gegen die Entscheidung. Konkurrent Rewe begrüßte sie dagegen und bekräftigte, die Kölner stünden weiter bereit, Tengelmann selbst zu übernehmen.

Das Bundeskartellamt hatte Edeka die Übernahme des deutlich kleineren Rivalen Tengelmann im April 2015 untersagt. Gabriel hatte dann im März dieses Jahres unter Auflagen grünes Licht für den umstrittenen Zusammenschluss gegeben und damit das Veto der Wettbewerbshüter ausgehebelt. Der Minister überging damit auch die eindeutige Empfehlung der Monopolkommission, deren Chef Daniel Zimmer als Konsequenz zurücktrat.

Die Supermarktketten kämpfen mit harten Bandagen um die Fusionspläne und haben eine Flut von Klagen losgetreten. Gegen die Ministererlaubnis hatte unter anderem Rewe vor dem OLG Düsseldorf geklagt. Tengelmann und Edeka gehen gegen die Kartellamts-Entscheidung vor.

Gabriel habe „geheime Gespräche“ unter sechs Augen geführt

Die OLG-Richter kritisierten das Vorgehen des Ministers: „Gegen die (...) Ministererlaubnis bestehen ernsthafte Rechtmäßigkeitszweifel“, heißt es in dem Reuters vorliegenden Begründungstext der Richter. „Bereits die summarische Prüfung der Rechtslage“ führe zu dem Ergebnis, dass sechs Gründe für eine Aufhebung die Erlaubnisentscheidung Gabriels sprächen. Ob das Ministerium noch weitere Fehler gemacht habe, könne deshalb „auf sich beruhen“.

Gabriel habe in der entscheidenden Phase des Erlaubnisverfahrens „geheime Gespräche“ mit Kaiser’s Tengelmann und Edeka geführt, kritisieren die Richter. Sie wurden erst bekannt, weil das Gericht Akten beim Bundeswirtschaftsministerium anforderte. Der Inhalt der Gespräche wurde „nicht aktenkundig gemacht“. Sie liefen zudem, ohne dass die anderen Beteiligten des Ministerverfahrens davon wussten. Beispielsweise blieb der Edeka-Konkurrent Rewe außen vor.

So sei etwa Mitte November mit den Beteiligten mündlich verhandelt worden. Zugleich habe aber ein Übernahmeangebot des Konkurrenten Rewe vorgelegen. Dies habe – anders als die damalige Edeka-Offerte – den Erhalt aller 16 000 Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann vorgesehen. Zudem habe der SPD-Minister und Vizekanzler im Dezember in „Sechs-Augen-Gesprächen“ direkt mit den Chefs von Edeka und Tengelmann verhandelt. Gabriel habe damit die für ein transparentes Verfahren „unverzichtbare gleichmäßige Einbeziehung und Information aller Verfahrensbeteiligten unterlassen“. Eine Ministererlaubnis kann erteilt werden, wenn die gesamtwirtschaftlichen Vorteile kartellrechtliche Bedenken aufwiegen oder es ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gibt. Dies kann beispielsweise der Erhalt der Arbeitsplätze sein. Gabriel nannte aber bei der Erteilung der Ministererlaubnis zusätzlich den Erhalt der Arbeitnehmerrechte bei Tengelmann – etwa durch Tarifverträge – als Gemeinwohlbelang. Aus Sicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist das rechtswidrig. Es argumentiert, dass das Grundgesetz neben dem Recht, Gewerkschaften zu bilden, „gleichrangig und unterschiedslos“ auch das Recht beinhalte, sich nicht gewerkschaftlich zu organisieren.

Das Ministerium könnte noch weitere Fehler gemacht haben

Das Wirtschaftsministerium wies die Vorwürfe der Richter zurück: „Die vom Gericht behauptete Befangenheit wurde von keinem Verfahrensbeteiligten zu keinem Zeitpunkt vorgetragen“, heißt es in einer Stellungnahme. Wie in solchen Verfahren üblich, habe Gabriel auch Gespräche mit den Antragstellern geführt. Dies sei „üblich, möglich und zulässig“. Nicht nachvollziehbar sei zudem, betonte das Ministerium, dass Arbeitsnehmerrechte vom Gericht nicht als Gemeinwohlgrund angesehen würden: „Denn es geht hier um die Existenz von vielen tausenden Beschäftigten und deren Familien, die eine Berücksichtigung in solchen Verfahren erforderlich machen.“ Das Ministerium prüft nun das Urteil und will dann entscheiden, ob es juristisch dagegen vorgeht.

Der OLG-Entscheid ist noch nicht rechtskräftig. Dem Wirtschaftsminister bleibt ebenso wie Edeka und Tengelmann der Gang vor den Bundesgerichtshof. „Wir prüfen zunächst, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen“, teilte Edeka mit. „Im Interesse der Beschäftigten von Tengelmann hätten wir uns eine andere Entscheidung gewünscht“, erklärte der Branchenprimus. Konkurrent Rewe begrüßte die Entscheidung dagegen. Der erbitterte Edeka-Rivaleerwarte angesichts der Aussagen des Gerichts, dass auch die endgültige Entscheidung nicht anders ausfällt, „weil sich die Fakten nicht mehr ändern“.