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Superhelden haben unglaubliche Fähigkeiten. Unmöglich ist das nicht, sagen Physiker.

Dortmund - Physik zählt an Schulen sicher zu den meistgehassten Fächern. Zentrifugalkraft, Erdbeschleunigung, Energieerhaltungssatz: alles bäh. Das muss nicht sein, sagt Metin Tolan. Der Professor an der Technischen Universität Dortmund garniert seine Vorlesung mit Szenen aus Hollywoodfilmen, und die Studenten müssen herausfinden, welche Tricks und Kniffe gegen Naturgesetze verstoßen.

Als James-Bond-Fan wählt Tolan vorzugsweise die Krimis mit dem britischen Geheimagenten aus. Für unsere Zeitung hat er sich die Fähigkeiten von Superheroen angeschaut. Spider-Man zum Beispiel kraxelt im Film in Windeseile an Häusern hoch. Hände und Füße haften an den Wänden, als wären sie mit Pattex eingeschmiert.

Die Natur macht vor, wie das funktioniert. Geckos halten sich mit Millionen winziger Borsten selbst an spiegelglatten Flächen fest – ohne Kleber. „Das geht theoretisch auch bei Menschen“, sagt Tolan, „man muss die Oberfläche der Hände dazu nur deutlich vergrößern.“ Zum Beispiel durch ganz, ganz viele kleine Fädchen, die aus der Haut ragen. Forscher aus den USA entwickelten dazu gummiartige Fasern auf Polymerbasis. Sie sind etwa ein Zehntel so dick wie ein Haar. Platziert man genügend davon auf einen Handschuh, könnten sie Menschen ermöglichen, auf den Aufzug zu verzichten.

Flugeinlagen des Spinnenmanns sind kein Hexenwerk

Wie steht es um die akrobatischen Flugeinlagen des Spinnenmanns? Aus Sicht des Physikers ist das kein Hexenwerk. Ein Spinnenfaden von einem Zentimeter Durchmesser könne zehn Tonnen Gewicht aushalten, ohne zu reißen. Heruntergerechnet auf einen 80-Kilo-Mann, kommt Tolan auf etwa ein bis zwei Millimeter Dicke. Doch wie kommt man an das kostbare Naturmaterial Spinnenseide? „Kein Forscher hat es bisher geschafft, sie künstlich herzustellen“, sagt Tolan. Schade. Wenn Spider-Man durch die Häuserschluchten saust, sei das nicht viel anders als bei Tarzan, der sich an einer Liane von Baum zum Baum hangelt. Nach Tolans Aussage sei dabei das doppelte Körpergewicht zu schultern. Ein Klacks, kräftige Oberarme vorausgesetzt.

Nichts mit der Realität gemein hat es, wenn der Maskenmann von einem Haus auf die Erde springt – und sich kein bisschen wehtut. „Springt ein Mensch aus fünf Metern auf einen Betonboden und federt dann mit den Knien etwa einen Meter ein, muss er das Gewicht von 500 Kilogramm schultern, so viel wie zehn Zementsäcke“, rechnet der Physiker vor. Das hält kein Kniegelenk aus. „Spider-Man muss die Beine eines Insekts haben. Sonst brechen ihm alle Knochen.“

Superman kennt solche Probleme nicht. Er ist unverwundbar. Das ist pure Fiktion. Aber nicht alles, was der Held im blauen Dress zu leisten imstande ist, geht als wissenschaftlicher Unfug durch. Als der erste Comic 1938 erschien, konnte Superman nicht fliegen, aber hohe Häuser mit einem Satz überqueren. Das sei plausibel, sagt Tolan, wenn man akzeptiert, dass auf seinem Heimatplaneten Krypton die Gravitation 15-mal stärker sein muss als bei uns. Superman springt auf der Erde nach dem gleichen Prinzip herum wie Astronauten auf dem Mond, sagt Tolan.

Industrielaser kann es mit Supermans Laserblick aufnehmen

Der Superheld durchbohrt gern mal Widersacher mit einem tödlichen Laserblick. Industrielaser aus dem Jahr 2012 könnten das auch. „Damit können sie sogar härteste Materialen durchdringen“, sagt der Physiker. Woher Superman die benötigte Energie hernimmt, darauf kennt Tolan leider keine Antwort.

Batman im freien Fall

James Kakalios, ein Kollege von Tolan aus den USA, studiert ebenfalls die Physik der Superhelden – und hat den einen oder anderen Patzer entdeckt. Wenn der Stählerne etwa ein Hochhaus aus dem Boden reißt und davonfliegt, sind die Superkräfte des Helden nicht das Einzige, was dies unmöglich macht. Das Gebäude würde unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammenkrachen, sobald es in der Luft ist.

In der Luft bewegt sich Batman ebenfalls rasend schnell. Ein paar Studenten der britischen Universität Leicester, die offenbar nicht viel von Fantasy halten, haben die Fähigkeiten studiert. Streng wissenschaftlich, versteht sich. Fazit der Untersuchung mit dem Titel „Flugbahn eines Batmans im freien Fall“: Wenn der Rächer in Fledermausgestalt seine atemberaubenden Einsätze von Wolkenkratzern überleben wollte, bräuchte er dringend einen größeren Umhang.

Batman mit Fallschirm will keiner sehen

Im Kinohit „Batman begins“ hat das Cape demnach eine Spannweite von 4,70 Metern. Bei einem Sprung von einem 150-Meter-Hochhaus gleitet der Held damit bis zu 350 Meter weit. Doch dann knallt der dunkle Ritter den Berechnungen zufolge mit einer Geschwindigkeit von bis zu 110 Kilometern pro Stunde äußerst unsanft auf den Boden. Autsch. Mit so einem Umhang durch die Luft zu gleiten sei eindeutig keine sichere Art zu reisen, schlussfolgern die Studenten in der Zeitschrift „Journal of Physics Special Topics“. Besser wäre ein Fallschirm. Na ja, die Jungforscher mögen sicher recht haben. Aber mit Fallschirm kann das doch jeder. Und wer will schon Batman an einem Fallschirm hängen sehen.

Buchtipps – James Kakalios: „Die Physik der Superhelden“, Rororo. 9,99 Euro; Metin Tolan: „Gerührt, nicht geschüttelt“, Piper-Verlag. 9,95 Euro