Mit diesem Plakat will der Arbeitskreis Leben das Schweigen brechen. Foto:  

Am 10. September ist Suizid-Präventionstag. Mit Plakaten wirbt der Verein Arbeitskreis Leben in Stuttgart um Aufmerksamkeit.

Stuttgart - Schwer am Leben zu tragen, so unerträglich schwer, dass der Freitod als einziger Ausweg erscheint, ist eine Erfahrung, die viele kennen. Statistisch haben laut dem Arbeitskreis Leben Stuttgart (AKL) 80 Prozent aller Deutschen in Belastungssituationen schon einmal Suizidgedanken gehabt. Die Zahl derer, die den Schritt am Ende gehen, ist kontinuierlich hoch. Weltweit sterben jährlich rund eine Million Menschen an Suizid, in Deutschland sind es rund 10 000, davon 1600 in Baden-Württemberg. In Stuttgart sind pro Jahr 80 Menschenleben durch Freitode zu beklagen. Insgesamt sterben daran jedes Jahr dreimal so viele Menschen wie bei Verkehrsunfällen. Um darauf hinzuweisen sowie den Opfern und Angehörigen zu gedenken, wurde 2003 durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) der 10. September zum Welttag der Suizidprävention ausgerufen. In Stuttgart startet der AKL am Dienstag im Stadtgebiet eine groß angelegte Plakataktion. „ICH kann NICHT mehr“ prangt auf dem Plakat, das die nächsten zehn Tage an 290 Stellen zu sehen sein wird. Darunter steht „Lebensmüde? Wir haben Zeit für Ihre Probleme“ sowie die Adresse samt Hilfe-Hotline der Organisation.

Suizidzahlen sind hoch, die Ausmaße sind kaum bekannt

„Die Suizidzahlen sind erschreckend hoch“, sagt Christa Wenzelburger vom AKL, die in Stuttgart gemeinsam mit Ellen Wittke den Verein für Hilfe in Lebenskrisen leitet. „Die Ausmaße des Problems sind kaum bekannt und werden selten öffentlich thematisiert.“ Ein Hauptanliegen der Kampagne sei daher, einen offenen Umgang mit dem Thema Suizid anzustoßen. Diejenigen, die Suizidgedanken hegen, sollen wissen, dass es in ihrer Situation Ansprechpartner gibt. Auch Menschen im Umfeld von Betroffenen möchte die Kampagne ansprechen. „Wir wollen ein Bewusstsein für die Stellen schaffen, die in Krisensituationen Betroffenen sowie deren Angehörige und Freunde zur Seite stehen“, betont Wittke.

Dass das Thema Freitod so selten thematisiert wird, liegt laut Wittke in der Scheu vor dem sogenannten Werther-Effekt. Häufig wird nicht über Suizid berichtet, aus Angst, die Berichterstattung könne zur Nachahmung anregen. In der Prävention von Selbstmorden sei aber auch der sogenannte Papageno-Effekt relevant. Der bestehe darin, dass es Gefährdeten hilft zu wissen, nicht in einer einzigartigen Situation zu sein und es gelingen kann, Lebenskrisen zu meistern. „Angehörige und Freunde sollten den Mut haben, direkt und offen Suizidalität anzusprechen.“ Hilfreich sei schon, Betroffenen zuzuhören. Die Kampagne ist ein Versuch, das Schweigen zum Thema Suizid zu brechen. Eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft, auch wenn die Plakate längst wieder aus dem Stadtbild verschwunden sind.