Der Aktionstag der Stuttgarter Krisendienste zur Suizidprävention in der Innenstadt war unübersehbar. Bei Passanten hat er die von den Veranstaltern erhoffte starke Wirkung hinterlassen.
Auf die Kraft der Bilder setzten der Arbeitskreis Leben und die evangelische und katholische Telefonseelsorge, um am Welttag der Suizidprävention am Dienstag auf ein Thema aufmerksam zu machen, mit dem existenzielle Nöte verknüpft sind, das öffentlich jedoch häufig ausgespart wird, weil es im Allerpersönlichsten spielt. Schachbrettförmig haben die Seelsorger 69 T-Shirts auf den Platten vor dem Kunstmuseum am Schlossplatz ausgelegt. Jedes der T-Shirts symbolisiert ein Menschenleben. So viele sind im Jahr 2023 in Stuttgart durch Suizid verloren gegangen.
Bundesweit 10 304 Tote durch Suizid in 2023
Das Bild verfehlte seine Wirkung nicht. Viele Passanten blieben stehen, zeigten sich betroffen, informierten sich und suchten das Gespräch. „Es ist uns wichtig, das Thema in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen“, sagte Christa Wenzelburger vom Arbeitskreis Leben. Es sind aufrüttelnde Zahlen, die sie und die Mitarbeitenden der Telefonseelsorge veranlassen, tätig zu werden: 10 304 Menschen haben sich im vergangenen Jahr in Deutschland das Leben genommen. „Diese Zahl übersteigt deutlich die Zahl der Menschen, die durch Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag, illegale Drogen und Aids insgesamt zu Tode gekommen sind“, rechnen die Krisendienste vor. In Baden-Württemberg waren es 1378 Menschen.
„Reden kann Leben retten“
Auffällig ist, dass 2023, wie schon im Jahr zuvor, bundesweit die 10 000er-Marke überschritten wurde. Davor waren die Suizidzahlen zurückgegangen. Meist sind Männer betroffen (zuletzt 73 Prozent). Zuletzt habe die Zahl der Frauen jedoch zugenommen, sagt Wenzelburger. Über die Gründe für die Entwicklung will sie nicht spekulieren. Klar ist für sie nur: Prävention und Hilfe tun not. „Wir möchten mit dem Aktionstag Verständnis und Unterstützung fördern und Menschen ermutigen, über suizidale Krisen zu sprechen, denn Reden kann Leben retten.“
Das Bild von den ausgelegten 69 T-Shirts war an diesem Tag übrigens nicht das einzige starke Symbol: Passanten waren eingeladen, bei sich zu Hause abends eine brennende Kerze ins Fenster zu stellen – zum Zeichen des Gedenkens.
Hilfsangebote
Krisendienste
Menschen in suizidalen Krisen und Angehörige können sich kostenlos an die Telefonseelsorge wenden (Telefon: 0800 / 111 0111 und 0800 / 111 02 22). Die Anrufe sind anonym. Neben dem rund um die Uhr besetzten Telefon bieten die beiden Seelsorge-Stellen auch online Krisenberatung per Mail und Chat an: online.telefonseelsorge.de
Gedenkfeier
Am Samstag, 19. Oktober, findet um 15 Uhr in der evangelischen Markuskirche im Stuttgarter Süden eine ökumenische Gedenkfeier statt für alle, die durch Suizid verstorben sind. Das Thema der diesjährigen Feier lautet: „Ich habe dich erwähnt . . .“ Sie wird vom Arbeitskreis Leben Stuttgart e. V., Angehörigen und der Notfallseelsorge durchgeführt.