Daimler baut in diesem Werk in Hosdere, am Stadtrand der türkischen Metropole Istanbul, Mercedes-Benz-Busse. Foto: Daimler

Die Türkei ist ein wichtiger Geschäftspartner für viele Firmen aus Baden-Württemberg. Doch die Wirtschaftskrise und die jüngste Kursentwicklung der türkischen Lira sorgt bei ihnen für eine zunehmende Verunsicherung.

Stuttgart - Die Firmen im Südwesten sehen die Krise in der Türkei zunehmend mit Sorge, denn das Land ist ein wichtiger Handelspartner. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben die Unternehmen Waren im Wert von 1,9 Milliarden Euro in die Türkei ausgefahren – zehn Prozent mehr als noch im ersten Halbjahr 2017. Mittlerweile jedoch hat sich die Lage geändert. Den Firmen macht die Talfahrt der türkische Lira zu schaffen. Sie hat seit Jahresanfang gegenüber dem Euro um 35 Prozent an Wert eingebüßt. Der Verfall der Währung verteuert Waren, die in das Land eingeführt werden, und verringert daher die Nachfrage. „In den letzten vier Monaten sind unsere Ausfuhren in die Türkei rückläufig“, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK).

Problematisch ist auch die extrem hohe Inflationsrate. Sie ist im September auf den Rekordwert von 24,5 Prozent gestiegen. Damit ist nicht nur das Leben in der Türkei spürbar teurer geworden, sondern auch die Preise für Güter und Dienstleistungen. Für deutsche Firmen vor Ort steigen also auch die Produktionskosten: Die Erzeugerpreise sind um 32 Prozent in die Höhe geschnellt, heißt es bei der Außenwirtschaftsagentur der Bundesrepublik (GTAI).

Bei Bosch macht sich die Krise am Bosporus bereits bemerkbar

„Die Betriebe aus Baden-Württemberg und der Region Stuttgart, die in der Türkei aktiv sind, haben in den letzten beiden Jahren einen Vertrauensverlust zu spüren bekommen, der ihr Engagement vor Ort nicht leichter macht. Auch die jüngste Kursentwicklung der türkischen Lira sorgt bei ihnen für weitere Verunsicherung“, sagt Johannes Schmalzl, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart. Die Attraktivität der Türkei als Investitionsstandort „orientiert sich vor allem an Rechtssicherheit sowie einer stabilen Währung“. Beides sei für Investoren in der Türkei zurzeit nicht optimal. Bei Bosch macht sich die Krise am Bosporus bereits bemerkbar. „2018 hat sich der Umsatz von Bosch in der Türkei in der Landeswährung bisher positiv entwickelt, in Euro hingegen sind die starken Wechselkurse deutlich zu spüren“, sagt eine Konzernsprecherin. Das heißt: Der Umsatz fällt bislang hauptsächlich wegen des Lira-Einbruchs geringer aus als im Vorjahr. Mit 18 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 1,5 Milliarden Euro gehört der Technologiekonzern zu den größten deutschen Unternehmen, die in der Türkei produzieren.

Daimler spürt die Einschnitte im Türkeigeschäft ebenfalls. Der Autobauer produziert in dem Land Busse und Lastwagen und beschäftigt dafür 6000 Mitarbeiter. „Wir sehen in den aktuellen Entwicklungen Risiken, die zu einer neuen Einschätzung der Marktlage führen können“, teilt der Konzern mit. Was dies konkret bedeutet, lässt er offen. Zuletzt hat Daimler erklärt, dass der Busmarkt in den ersten sechs Monaten eingebrochen ist – um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Der Energieversorger EWE, der in der Türkei seit 2007 Erdgas vertreibt, prüft nach Angaben der Außenwirtschaftsagentur GTAI sogar den kompletten Ausstieg aus dem Markt. Grund seien gestiegene Einkaufspreise für Erdgas infolge des Währungsverfalls. DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier fordert deshalb mehr Rechtssicherheit und den Abbau von Handelshemmnissen. „Exporterlöse müssen verpflichtend zu mindestens 80 Prozent in türkische Lira konvertiert werden.“ Das sei alles andere als ein Lockmittel für Investoren, beklagt er.