Mitglieder des Ku Klux Klans bei einem Treffen in den USA. Foto: EPA

Von 1992 bis mindestens 2007 existierte im Raum Stuttgart – Heilbronn ein weiterer Ku-Klux-Klan. Sicherheitsbehörden geben sich schmallippig. Sie hatten mindestens zwei V-Leute in der Geheimtruppe.

Stuttgart - Der Weihnachtsmann knallt die Hacken zusammen und reißt seinen rechten Arm in die Höhe. „Heil, mein Führer!“, schmettert er durch seinen weißen Kunstbart. Die Männer in brauen Hemden und schwarzem Koppelzeug kringeln sich vor Lachen – im US-amerikanischen Laurens im Bundesstaat South Carolina sind an diesem 4. Dezember 2009 etwa drei Dutzend Neonazis aufmarschiert: Die American Nazi Party (ANP) und die International Knights of Ku-Klux-Klan (IK KKK) treffen sich zur gemeinsamen Weihnachtsfeier.

Die beiden Gruppen verbindet viel. Vor allem gedenken sie gemeinsam des 3. Novembers 1979. Damals überfielen 40 Klansmänner und ANPler im amerikanischen Greensboro einen Protestzug von Gewerkschaftern und Kommunisten, schossen wild um sich und töten fünf Demonstranten. Wenig später wurde es ruhig um die Nazis. Ein Sprecher der US-Bundespolizei FBI ist sich sicher, dass viele damals erst einmal in den Untergrund abtauchten. Dort blieben sie nicht tatenlos: „Aus beschlagnahmten Dokumenten wissen wir, dass der IK KKK beschloss, sich nach Europa auszudehnen.“

Offenbar auch nach Baden-Württemberg. Ermittler der von Innenminister Reinold Gall (SPD) eingesetzten „Ermittlungsgruppe Umfeld“ halten in ihrem Abschlussbericht kurz angebunden fest, ihnen seien bei ihren Recherchen „Aktivitäten der Klan-Gruppierung ‚IK KKK‘ mit Sitz im Raum Stuttgart/Heilbronn im Zeitraum der Jahre 1992 bis mindestens 2007 bekannt“ geworden. Die Fahnder sollten mögliche Beziehungen der mutmaßlichen Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) nach Baden-Württemberg aufklären. Weiter hinten stellen die Verfasser des „Umfeld-Reports“ fest: Dem Landesamt für Verfassungsschutz lägen „keine Erkenntnisse über Aktivitäten anderer KKK-Gruppen in Baden-Württemberg vor“.

Eine Bankrotterklärung der Inlandsgeheimen. Denn zu den Mitgliedern des Geheimbundes gehörte auch ein damaliger Informant der Verfassungsschützer: Achim Schmid wurde im Juni 1998 bei einem NPD-Sommerfest in Winnenden für den IK KKK rekrutiert, dem das FBI in den USA„rechtsterroristische Tendenzen“ bescheinigt. Mit Schmid in der Kapuzentruppe: Thomas Richer, der für das Bundesamt für Verfassungsschutz in der rechtsextremen Szene spitzelte. Und Steffen B., dessen Bruder als Kriminalbeamter in Stuttgart bei Brandstiftungen ermittelt.

Baden-Württembergs Sicherheitsbehörden wurden auch durch andere Informationen mit der Nase auf den rassistischen Geheimbund gestoßen: Am 24. März 1999 faxten Staatsschützer der Polizei Schwäbisch Hall dem Geheimdienst in Stuttgart einen Hinweis auf Klanstrukturen im Südwesten. Als Beamte der Polizeidirektion Winnenden am 6. September 2000 in Weissach einen Neonazi ansprachen, berichtete dieser von sechs Kapuzenmännern aus dem Großraum Stuttgart – unter ihnen Achim Schmid. Der wiederum berichtete bei einer Vernehmung am 21. Februar 2001 über den IK KKK.

Fünf Monate zuvor hatte er zusammen mit Steffen B. seine eigene Klan-Truppe European White Knights of Ku-Klux-Klan (EWK KKK) aufgestellt. Der Verfassungsschutz hatte deswegen seinen V-Mann rausgeworfen. In den EWK KKK werden später offiziell auch die beiden Polizeibeamten Jörg W. und Timo H. aufgenommen. H. ist am 25. April 2007 der Gruppenführer Michèle Kiesewetters, als diese in Heilbronn mutmaßlich vom Nationalsozialistischen Untergrund erschossen wird.

Auch deshalb finden sich aktuell in 262 Akten der Sicherheitsbehörden Hinweise auf den Ku-Klux-Klan. Aber nur in sechs Akten werden mit dem immer selben Hinweis die „International Knights“ des KKK thematisiert: Der US-Journalist Notker Wiedhopf erwähnt sie in einem Aufsatz, den Verfassungsschützer im Internet fanden.

In den Akten findet sich kein Hinweis, dass baden-württembergische Ermittler bei US-Kollegen nachfragten. Obwohl diese seit „Beginn der 1990er Jahre ein wachsendes Interesse Rechtsradikaler aus Europa an Klangruppen in den USA“ registrierten. Sie sind sich sicher, dass das neueste Projekt des IK KKK und der inzwischen zur Partei New Order umbenannten American Nazi Party in Europa „aufmerksam verfolgt wird“: Die Neonazis haben in New Berlin im Bundesstaat Wisconsin ein 88 Acre großes Grundstück gekauft. 88 steht bei Rechtsextremen für „Heil Hitler“. Auf 360 000 Quadratmetern soll hier Modellprojekt „Nordland“ entstehen – die neue Ordnung eben.