Gastlichkeit wird in Korea großgeschrieben. Die Koreaner essen gern auswärts und in Gesellschaft. Davon zeugen unzählige Restaurants und Garküchen in Seoul. Foto: Rettig

Die koreanische Küche ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Ein kulinarischer Streifzug durch Garküchen und Restaurants der Millionenmetropole.

Seoul - Als der junge Food-Blogger Ho KiHeon die Skepsis im Blick sieht, muss er grinsen. Für ihn ist es nichts Außergewöhnliches, was da gerade auf den Tisch kommt. Für einen Europäer allerdings ist es eine der größeren kulinarischen Herausforderungen, die die koreanische Küche so auffahren kann. Die traurige Hauptzutat: Ein kleiner Oktopus, der gerade noch unbehelligt durchs Aquarium im Schaufenster des Sashimi-Restaurants in Seoul schwamm. Nun allerdings, ein paar gnadenlose Scherenschnitte später, liegt er auf dem Teller. Roh, in Stücke zerteilt versucht er trotzdem noch, vom Teller zu kriechen.

Die Einzelstücke winden sich um die Stäbchen und saugen sich daran ebenso fest wie am Gaumen, wo sie sich nur mit einem ploppenden Geräusch wieder lösen lassen. Warum er sich noch bewegt? „Weil er frisch ist“, lacht die Restaurantbesitzerin ungerührt und wünscht guten Appetit. Der Oktopus-Imbiss lässt Ausländer kräftig und Tierschützer sicher doppelt kräftig schlucken - und doch lieber zu den weniger abenteuerlichen Korea-Kreationen greifen. Und von denen gibt es in der Megacity Seoul unzählige. Fisch und Meeresfrüchte sind häufig Bestandteil der Korea-Küche. Sie kommen in der Regel vom Fischmarkt. Der Weg in die große Halle führt vorbei an Netzen und großen Wannen voller Krebse. Auf den Auslagen liegen Berge unterschiedlichster Meerestiere. Mehr als 800 Shops und Restaurants reihen sich dort aneinander. Rund 370 Arten werden verkauft.

Seoul hat etwa 10 Millionen Einwohner

„Meist handelt es sich bei den Ständen um Familienbetriebe, die von Generation zu Generation weitergegeben werden“, erklärt Ho KiHeon, der Ende zwanzig ist und sich für Touristen der Einfachheit halber Lupy nennt. Viele Fische warten noch lebendig auf ihren Verkauf. Sie schwimmen in Aquarien und Plastikwannen. Verkäufer und Verkäuferinnen in Gummistiefeln sorgen dafür, dass die Tiere Frischwasser und genügend Sauerstoff bekommen. Die Luft in der Halle riecht nach frischem Meerwasser. Und die ganze Szenerie wirkt ein bisschen so, als hätte sich Kinofantast Terry Gilliam eine Filmkulisse für einen Fischmarkt ausgedacht. Seoul, heute eine Metropole mit etwa zehn Millionen Einwohnern, hat im vergangenen Jahrzehnten einen rasanten Aufschwung erlebt.

Nach dem Koreakrieg Anfang der 50er Jahre völlig zerstört und verarmt, hat sich Seoul mittlerweile zur hochmodernen Überfluss-Boomtown entwickelt. Das zeigt sich auch beim Essen: Hier wird scheinbar überall gegessen - vom Bibimbab-Nudelgericht-Klassiker bis zum Tintenfisch-Snack am Straßenrand. Allein die Auswahl an Restaurants und Garküchen, die sich oft auf ein Gericht spezialisiert haben, scheint grenzenlos. Lupy steuert einen großen Supermarkt an, wo er zeigen will, welche Zutaten die koreanische Küche ausmachen - vor allem aber Kimchi. „Die koreanische Küche wäre nicht das, was sie ist, ohne Kimchi“, sagt Lupy. Kimchi ist eingelegter Chinakohl.

Man kann Kimchi mit dem deutschen Sauerkraut vergleichen, wenn man sich auf die Herstellung und Lagerung bezieht. Es schmeckt aber anders. Nicht zuletzt deshalb, weil es Hunderte Arten von Kimchi gibt: den allgemein als Kimchi bezeichneten, sehr scharf eingelegten Chinakohl, dann Wasserkimchi, Gurkenkimchi, Rettichkimchi. „Jede Region, jedes Dorf, sogar jede Familie hat ihr eigenes Kimchi- Rezept“, weiß Lupy. Dann geht die Führung weiter durch die Straßenschluchten jenes Stadtteils, der durch einen Tanz und ein You-Tube-Video global bekannt geworden ist: Gangnam. In seinem Song „Gangnam Style“ machte sich der koreanische Rapper Psy über den abgehobenen Lifestyle der Schönen und Reichen lustig.

Ganz simpel, aber ganz köstlich

Tatsächlich ist der Stadtteil Gangnam das Style- und Business-Zentrum Seouls und die wohl teuerste Gegend des ganzen Landes. Eom In-Hwan, der sich Chuck nennt und als Genuss-Führer arbeitet, steuert dort eines der zahlreichen Korean-BBQ-Restaurants an, die ganzjährig Grillsaison haben. Jeder Tisch hat einen Grill und ein Abzugsrohr darüber. Die glühende Kohle bringt der Inhaber von draußen herein. Ganz simpel, aber ganz köstlich: Den Fisch, das Rind- oder Schweinefleisch wickelt man gegrillt in große Sesamblätter und bestreicht sie mit einer würzigen Paste. Nicht nur dazu wird in Korea gern Alkohol getrunken. Dabei gelten einige Tischregeln, die bei den Touristen allerdings nicht allzu genau genommen werden.

„Um ihnen Respekt zu zeigen, schenken die Jüngeren als Erstes den Älteren ein und halten dabei die Flasche mit beiden Händen“, erklärt Chuck. „Beim Trinken wendet der Jüngere außerdem den Blick ab. Die Rechnung übernehmen die Älteren.“ Zu der relaxten Atmosphäre in dem Lokal bildet der traditionelle Gwangjang-Markt einen denkbar starken Kontrast. Selbst am späten Abend ist es dort pulsierend voll: Überall wird gegessen, getrunken, gelacht, genossen, angestoßen.

Eine Melange an Gerüchen unterschiedlichster Gerichte zieht durch die Gassen. Auf dem letzten Stopp der Tour gibt es zum süffigen, leichten Bier koreanische Puffer, die mit einer am Esstisch vielfach verwendeten Schere zerschnitten werden. Knusprig sind sie, vegetarisch und gebraten nach einem Rezept aus Nordkorea. Beim Verlassen des Marktes hält eine Verkäuferin der Gruppe fermentierte, knallrote Minikrebse zum Probieren hin. Die Neugierde siegt diesmal allerdings nicht. Der Bauch ist bereits voll, und überhaupt war der Oktopus erst einmal kulinarische Herausforderung genug.

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Infos zu Seoul

Anreise
Ab Stuttgart nach Seoul hin und zurück beispielsweise mit KLM ( www.klm.de ) ab 620 Euro oder mit Lufthansa ( www.lufthansa.de ) ab 750 Euro.

Unterkunft
Das Hamilton Hotel bietet ab 110 Euro im Doppelzimmer solide Mittelklasse im zentralen Bezirk Itaewon, www.hamilton.co.kr.

Eine luxuriösere Alternative ist das Hotel JW Marriott in Gangnam, DZ ab 200 Euro, www.jw-marriott.co.kr

Allgemeine Informationen
Korea Tourism Organization, Baseler Straße 35-37, 60329 Frankfurt/Main; Tel. 069 / 23 32 26, www.visitkorea.or.kr.

Wer die kulinarische Stadtführung nachmachen möchte: O‘ngo Food Tours bietet täglich unterschiedliche Touren an, Informationen und Buchungen unter www.ongofood.com.

Touren in Seoul (u. a. mit Lupy) und zur demilitarisierten Zone (DMZ) organisiert Cosmojin Tours, www.cosmojin.com.

Sehenswürdigkeiten und Ausflüge
Ein Tagesausflug an die nordkoreanischen Grenze, die nur knapp 60 Kilometer von Seoul entfernt ist: In der sogenannten Joint Security Area in der demilitarisierten Zone (DMZ) stehen sich Soldaten aus dem Norden und dem Süden in direktem Blickkontakt gegenüber. Außerdem gehören ein Fernrohrblick auf die gemeinsam betriebene Industriezone Kaesong und der Abstieg in den dritten „Tunnel of Aggression“ dazu, der einst geheim von nordkoreanischer Seite aus in Richtung Süden gegraben wurde - bis die Aktion aufflog.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sollten Sie das „Dragon Hill Spa“ besuchen. Es ist eines der größten traditionellen Badehäuser in Seoul, ein sogenanntes Jjimjilbang. Der rund um die Uhr geöffnete Erholungskomplex bietet unter anderem eine gemeinsame Etage für beide Geschlechter, zahlreiche Pools und - nun ja - sehr eigenwillige Saunaerfahrungen.

Keinesfalls sollten Sie die nordkoreanischen Spirituosen, die man in der DMZ kaufen kann, als Souvenir mitnehmen. Die Schraubverschlüsse der Flaschen sind nicht immer wirklich so dicht, dass man sie unbedenklich in den Koffer packen kann.

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