Das Bild zeigt die schweren Schäden im französischen Saint-Martin-Vésubie Foto: dpa/Valery Hache

Überschwemmungen treffen wieder einmal Südfrankreich. Regierungschef Castex eilt ins Krisengebiet. Auch in Norditalien richten Unwetter schwere Schäden an. Es gibt Tote und Vermisste.

Nizza/Venedig - Überflutete Dörfer, weggerissene Häuser, gesperrte Straßen: Unwetter und Überschwemmungen haben im Hinterland der südfranzösischen Ferienmetropole Nizza chaotische Zustände ausgelöst. Mindestens acht Menschen wurden vermisst. Von zahlreichen anderen fehle eine Nachricht, sagte der französische Regierungschef Jean Castex am Samstag. Es gebe „große Sorge über die endgültige Bilanz“.

Dramatisch war auch die Lage im benachbarten Norditalien. Dort kamen zwei Menschen ums Leben. Ein freiwilliger Feuerwehrmann aus der Gemeinde Arnad im Aostatal starb bei einer Rettungsaktion durch einen umgestürzten Baum, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Im Piemont geriet laut Agentur ein Mann in der Nacht im Auto bei Vercelli in die Wassermassen des Flusses Sesia - er wurde weggespült. Auch in Ligurien richteten überschwemmte Flüsse und umgekippte Bäume starke Schäden an. Zahlreiche Menschen wurden vermisst. Viele Haushalte waren ohne Strom.

Etwa 100 Häuser zerstört

Castex und der französische Innenminister Gérald Darmanin waren nach Südfrankreich geeilt, um sich ein Bild im betroffenen Département Alpes-Maritimes zu machen. Castex sicherte der Bevölkerung Unterstützung zu; an diesem Mittwoch werde das Kabinett den Katastrophenzustand für die betroffenen Gemeinden ausrufen.

Der im ganzen Land bekannte Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, war sichtlich betroffen: „Wir sind mit einem Unglück konfrontiert, wie ich es im (Département) Alpes-Maritimes noch nicht erlebt habe.“ Der konservative Politiker kündigte laut Medien an, dass die Armee in der Region eingesetzt werden solle. Etwa 100 Häuser seien in der Region zerstört oder beschädigt worden, so Estrosi.

Friedhof wird weggerissen

Der Abgeordnete Éric Ciotti sprach von „Horrorszenen“. Sein Heimatdorf Saint-Martin-Vésubie in den Bergen nördlich von Nizza sei teilweise zerstört worden. Laut Medien wurde der Friedhof des Ortes fortgerissen.

Viele Straßen der Region mit tief eingeschnittenen Gebirgstälern waren nicht mehr passierbar. Dörfer waren von der Außenwelt abgeschnitten. Tausende Haushalte waren ohne Strom. Am dem Flughafen Nizza laufe der Flugbetrieb wieder normal, teilte der Airport via Twitter mit.

Viele Vermisste

In der norditalienischen Region Piemont meldeten die Behörden zeitweise um die 20 Vermisste. Auch eine deutsche Trekkinggruppe habe sich zunächst nicht bei einem Hotelier gemeldet, der sie nach einer mehrtägigen Tour bei Terme di Valdieri abholen sollte, hieß es. Die Wanderer wurden von der Bergrettung auf einer Hütte entdeckt und in Sicherheit gebracht. Im Aostatal waren einige Orte nach Erdrutschen und Brückenschäden zeitweise vom Verkehr abgeschnitten.

Es gab Hunderte von Noteinsätzen in den italienischen Unwettergebieten seit Freitagabend. Tunnel wurden durch Wassermassen überflutet und Straßen mussten gesperrt werden. Besonders heftig traf es dabei die piemontesische Provinz Cuneo. Am Samstagmorgen hatte sich die Wetterlage in vielen Teilen im Nordwesten an der französischen Grenze wieder etwas beruhigt, hieß es im Fernsehen.

Venedig trifft Vorkehrungen

Die Schlechtwetterfront zog auch in Richtung Venetien. In Venedig wurde die neue Hochwasserschutzanlage Mose hochgefahren, wie Ansa schrieb. Die Tore der Flutschleusen an den Öffnungen der Lagune seien in Betrieb genommen worden. Die neu gebaute Anlage war in den vergangenen Monaten ausgiebig getestet worden. Sie soll schlimme Hochwasser in der Lagunenstadt verhindern.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sprach Menschen, die vom Herbststurms „Alex“ getroffen wurden, via Twitter sein Mitgefühl aus. Der Sturm hatte in der Bretagne im Nordwesten des Landes erhebliche Schäden verursacht. „Gemeinsam werden wir diese Bewährungsprobe bestehen“, schrieb der 42-Jährige.

Schlimme Unwetter bereits im vergangenen Jahr

Unwetter mit schweren Folgen sind in Südfrankreich keine Seltenheit. Im Herbst vergangenen Jahres kamen 14 Menschen ums Leben. Die dicht bebaute Côte d’Azur wurde genau vor fünf Jahren von schweren Unwettern getroffen, 20 Menschen starben damals. Nizza und die Côte d’Azur sind insbesondere in den Sommermonaten bei Urlaubern beliebt, auch aus Deutschland. Die Corona-Krise beeinträchtigt jedoch seit dem Frühjahr den Tourismus, der für die Region eine wichtige Einnahmequelle ist.