Gold beflügelt seit jeher die Fantasie und die Gier der Menschen. Foto: dpa

Ist der Nazi-Goldzug in einem stillgelegten Kohlestollen in Niederschlesien eine Legende oder liegt er wirklich in Polen verschüttet? Zwei Hobbyschatzsucher wollen darauf eine Antwort geben, die Grabungsarbeiten haben begonnen.

Warschau/Walbrzych - Die jüngere deutsche Vergangenheit hat für Schatzsucher einiges zu bieten – wie den angeblichen Nazi-Goldschatz. Dabei handelt es sich angeblich um Wert- und Vermögensgegenstände - also nicht nur Gold-, die die Nationalsozialisten vor allem jüdischen Bürgern, die in die Konzentrationslager deportiert wurden, geraubt hatten.

Wo ist das Nazi-Gold?

Der Verbleib des Raubgolds nach dem Zweiten Weltkrieg ist bis heute weitgehend ungeklärt. Gut zwei Drittel der geraubten Goldreserven konnten bis 1996 durch die damit beauftragte „Tripartite Gold Commission“ (TGC) an die Ursprungsländer zurückgegeben werden.

Die TGC (mit vollem Namen „Tripartite Commission for the Restitution of Monetary Gold“) war eine Einrichtung der drei Siegermächte Großbritannien, Frankreich und den USA in Brüssel, die 1946 gegründet wurde. Sie hatte den Auftrag, das von Nazi-Deutschland entführte oder geraubte Gold (circa 337 Tonnen) an die Ursprungsländer zurückzugeben.

Angeblich soll Adolf Hitlers Privatsekretär Martin Bormann das Raubgold in den letzten Tagen des Krieges im Toplitzsee im österreichischen Salzkammergut oder im Walchensee bei Bad Tölz im oberbayerischen Mittenwald versteckt haben. Ein US-Taucherteam scheiterte im Juli 2000 im Toplitzsee. Auch die intensiven Suchaktionen im Stolpsee im Norden Brandenburgs wurden 2013 ergebnislos abgebrochen.

Gold-Sucher in Niederschlesien

Nun ist es wieder soweit. Schatzsucher buddeln in Niederschlesien nach dem angeblichen Nazi-Raubgold. Ein Jahr lang haben Piotr Koper und Andreas Richter diesem Tag entgegengefiebert. Endlich ist er da: Am frühen Dienstagmorgen rollen zwei Bagger am Bahnkilometer 65 zwischen Walbrzych (Waldenburg) und Wroclaw (Breslau) an.

Mit viel Lärm graben sie ihre Schaufeln in die Erde. Nach langen Spekulationen soll das schwere Gerät nun Klarheit schaffen: Liegt hier der angebliche deutsche Panzerzug mit Nazi-Gold aus dem Zweiten Weltkrieg begraben, in dem die Nationalsozialisten Raubgut vor der Sowjet-Armee versteckt haben sollen?

Zumindest die Hobbyhistoriker Koper und Richter sind davon überzeugt. Einen unterirdischen Tunnel mit einem Zug wollen sie auf Bodenradarbildern entdeckt haben. Das meldeten sie vergangenen August den Behörden und lösten damit weit über Polen hinaus ein Schatzfieber aus. Gerüchte und Spekulationen über einen angeblichen Goldzug gibt es in der Region schon seit den 1970er Jahren - bislang fehlen aber die Beweise.

Entsprechend groß sind die Erwartungen an das Schatzgräber-Duo. „Klar, wir spüren die Verantwortung auf unseren Schultern lasten“, sagt Koper vor Grabungsbeginn. Doch davon wolle er sich nicht stressen lassen. „Es geht darum, etwas Gutes zu erleben“, betont er. „Das ist Leidenschaft“. Und die muss groß sein - schließlich zahlen Koper und Richter die nach ihren Angaben bislang etwa 33 000 Euro teure Suche aus eigener Tasche. Sie haben schon mal zehn Prozent Finderlohn an ihrer vermeintlichen Entdeckung angemeldet.

Sponsoren sind längst abgesprungen

Die Sponsoren sprangen nämlich ab, als Experten der Bergbauakademie Krakau das Terrain bei Walbrzych untersuchten und erklärten, einen Zug gebe es dort nicht. Ein weiterer Fachmann erklärte, die Bodenradarbilder der Hobbyschatzsucher seien eine Fotomontage. „Das ist mit bloßem Auge zu sehen, man muss sie nur vergrößern und die Pixel vergleichen“, sagte Wieslaw Nawrock, Experte eines Prüfinstituts in Krakau, der Zeitung „Gazeta Wyborcza“. Koper hält dagegen: „Wir suchen die Wahrheit und werden sehen, wie es ist“.

Ende Juni hatten die Schatzgräber alle Genehmigungen, in den vergangenen Tagen trafen sie letzte Vorbereitungen: Der Boden wurde geebnet, das Suchgebiet abgeschirmt, Bäume wurden gefällt. Zuschauer haben keinen Zutritt. „Aus Sicherheitsgründen“, erklärt Andrzej Gaik, einer der beiden Sprecher des Teams. Schließlich arbeite man mit schwerem Gerät. „Außerdem sind wir ganz nah an den Gleisen“, sagt er, während nur wenige hundert Meter entfernt immer wieder Züge vorbeirattern.

Auf 100 Meter Länge wird gegraben

An drei Stellen solle auf einer Strecke von knapp 100 Metern gegraben werden und das etwa sechs Meter tief. Das Team erwarte, einen unterirdischen Bahntunnel und Gleise zu finden. Diese könnten zum nahegelegenen riesigen Stollensystem der Nazis - dem „Projekt Riese“ - führen, das nie fertiggestellt wurde. Für die Suche sind zunächst zwei Wochen angesetzt. Die Schatzgräber hoffen aber auf frühere Ergebnisse. „Das hängt von Boden und Steinen ab“, heißt es.

„Ich hoffe, dass ich im Laufe dieser Woche bereits gute Neuigkeiten vom Bahnkilometer 65 verkünden kann“, sagt Gaik. „Ein Zug ist schließlich keine Nadel im Heuhaufen. Wenn er hier liegt, werden wir ihn finden“, ist er überzeugt. „Mit den Gütern, die praktisch aus ganz Europa geraubt worden waren“, sagt Gaik. „Das ist die wichtigste Sache.“

Wo das Nazi-Gold versteckt liegen könnte

Am 8. Mai 1945 erfolgte die bedingungslose Kapitulation aller deutschen Truppen. In Europa war der Zweite Weltkrieg damit beendet. Bis in die letzten Kriegsmonate hatte die Reichsbank in Berlin Raubgold verkauft – so an die Schweizerische Nationalbank.

Im Frühjahr 1945 stellte die 3. US-Armee unter General George S. Patton einen großen Teil des Goldes der Reichsbank sicher: einige 100 Tonnen Gold in zugemauerten Stollen einer Kaligrube im thüringischen Merker, in Verstecken in Bayern und in Filialen der Reichsbank.

Sechs Tonnen Gold, die auf Schloss Fuschl in Österreich deponiert waren, wurden gegen Kriegsende von den Nazis in Bad Gastein und Hintersee versteckt und später von amerikanischen Truppen entdeckt.

Auch nach Argentinien soll angeblich Raubgold mit U-Booten verschifft worden sein. Beweise für diese abenteuerliche Theorie gibt es aber nicht.