Wolfram König ist als Atomaufseher zuständig für die Endlagersuche. Foto: dpa

Droht ein neuer Jahrhundertstreit, wenn nächsten Sommer die ersten Deutschland-Karten mit möglichen Endlagerstandorten veröffentlicht werden? Deutschlands oberster Atomaufseher Wolfram König hält dies nicht für möglich.

Stuttgart - Nächsten Sommer wird es zum ersten Mal ernst bei der Suche nach einem Atomendlager. Wolfram König, der Chef des Bundesamts für Entsorgungssicherheit (BfE), nimmt Politiker in Bund und Ländern in die Pflicht.

 

Herr König, in einem Jahr sollen erstmals Regionen genannt werden, die auf ihre Tauglichkeit als Endlager untersucht werden. Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: Was wird dann los sein in Deutschland?

Das werden wir sehen. Ich teile nicht die Erwartung, dass sich eine breite Protestwelle aufbaut und sich Bilder von Demonstrationen wie in Gorleben wiederholen.

Woher kommt Ihre Zuversicht?

Die Voraussetzungen sind heute andere. Das Verfahren, das der Gesetzgeber beschlossen hat, beteiligt die Bürger frühzeitig, legt alle Entscheidungsstufen offen und macht die wissenschaftlichen Grundlagen des Verfahrens transparent. Und das Wichtigste: Der Kernkonflikt zur Atomenergienutzung ist für Deutschland mit dem breit getragenen Ausstiegsbeschluss beantwortet. Das trägt dazu bei, dass die Diskussionen rationaler ablaufen.

Trotzdem ist nächsten Sommer Showtime für Ihre Behörde. Dann müssen Sie zeigen, dass durch eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit ein Jahrhundertstreit à la Gorleben verhindert werden kann. Haben Sie manchmal Bammel, dass es scheitern könnte?

Kein Unternehmen und keine Behörde kann alleine die Rationalität dieses Verfahrens glaubhaft machen. Da müssen schon alle Verantwortungsträger sich beteiligen. Selbstverständlich wird es in den Regionen, die nächstes Jahr auf den Karten auftauchen, erhöhte Aufmerksamkeit geben. Aber ich baue auf Aufklärung und Dialog. Am Ende wird ein einziger Standort für die sichere Verwahrung der hochgefährlichen Abfälle tief unter der Erde ausgewählt. Es ist nicht vertretbar, die Atomabfälle dort liegen zu lassen, wo sie jetzt sind: in den Zwischenlagern. Für dieses Vorgehen zu werben ist eine Gemeinschaftsaufgabe.

Im Moment sind Sie allein in der Mission unterwegs. Kein Politiker redet darüber.

Das wird sich ändern, wenn im nächsten Jahr das erste formale Beteiligungsinstrument zum Tragen kommt. Das mit der Suche beauftragte Unternehmen wird dann in einer Teilgebietskonferenz seinen Bericht zur Diskussion stellen. Dort sind erste Gebiete benannt, die für die Endlagersuche näher zu betrachten sind. Dass es derzeit so ruhig ist, liegt auch daran, dass bei vielen das Thema Atomenergie mit dem Abschalten des letzten Atomkraftwerks im Jahr 2022 als abgehakt gilt. Auch deshalb besuche ich derzeit alle Landeshauptstädte. Bund und Länder haben sich gemeinsam auf ein Verfahren zur Standortsuche geeinigt. Ich fordere alle auf, sich laufend aktiv dazu zu bekennen.

Waren Sie schon in München? Die bayerische Landesregierung unter Ministerpräsident Söder hat sich im Koalitionsvertrag schon von der Möglichkeit eines Endlagerstandortes in Bayern verabschiedet.

Das ist überhaupt nicht hilfreich. Aber diese politische Meinung wird uns nicht an unserem systematischen Vorgehen hindern. Es gibt ein Bundesgesetz, das umzusetzen ist und dem auch Bayern zugestimmt hat. Das Land stellt derzeit auch die nötigen Daten bereit. Wir müssen immer wieder deutlich machen: Länder, die das hintertreiben, schaden sich selbst.

Wieso?

Bayern war ein großer Nutzer der Kernenergie, und die Abfälle stehen in Zwischenlagern an den Standorten der Atomkraftwerke. Ich bin gespannt, wie die Landesregierung vermitteln will, dass es offenbar vertretbar sein soll, diese auf unbefristete Zeit dort stehen zu lassen.

Vor den Landtagswahlen im Herbst verwahren manche Stimmen sich dagegen, den strahlenden West-Müll in ostdeutschen Regionen zu lagern. Die AfD steht in den Startlöchern, um aus diesem Thema Honig zu saugen. Zerbröselt der Endlagerkonsens, bevor die heiße Phase der neuen Standortsuche überhaupt beginnt?

Es gibt die Gefahr, dass einfache populistische Antworten verfangen, obwohl sie falsch sind. Deshalb ist es so wichtig, dass auch Politiker die inhaltliche Auseinandersetzung suchen und deutlich machen, dass das Stehenlassen der Abfälle in den Zwischenlagern keine Lösung ist. Es geht jetzt darum, ein faires Verfahren zu gewährleisten, an dessen Ende ein einziger Standort steht, der im Gemeinwohlinteresse eine Last übernimmt. Diese Region muss von Anfang vermittelt bekommen, dass sie keineswegs ein Verlierer ist.

Es soll sich für die betroffene Region auszahlen?

Es muss sehr früh klargestellt werden, dass die Standortregion für ein Endlager massive Unterstützung erhalten wird. Und gleichzeitig muss deutlich werden, dass bei der Standortauswahl die Sicherheit die entscheidende Rolle gespielt hat. Ich mache übrigens die erfreuliche Erfahrung, dass die jüngere Generation die Herausforderung der Endlagersuche nüchterner angeht und von alten Kämpfen wenig fasziniert ist. Ich glaube, dass im Lauf der Zeit eine größere Nüchternheit in die Debatte einkehrt.