Im Gespräch mit Chefredakteur Joachim Dorfs berichtete Axel Veiel (ganz rechts) von seiner journalistischen Arbeit in seiner Wahlheimat Frankreich. Rund 600 Leserinnen und Leser verfolgten die Veranstaltung im Haus der Wirtschaft, viele von ihnen beteiligten sich mit Fragen an der Diskussion. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Axel Veiel schilderte seine Eindrücke aus rund 15 Jahren Korrespondententätigkeit in Frankreich. Besonders geprägt haben ihn die Schrecken des Terrors, unter dem das Land leidet – aber auch viele kleine, alltägliche Beobachtungen.

Stuttgart - Wenn Axel Veiel von Frankreich erzählt, kommt er ins Schwärmen. Der Korrespondent der Stuttgarter Zeitung reiht Geschichten an Geschichten, die er während der vergangenen 15 Jahre als Journalist in Paris erlebt hat. „Es ist manchmal schwierig, die nötige kritische Distanz zu wahren“, gesteht Veiel.

Im Laufe des Abends wird deutlich, dass er tief in das französische Leben eingetaucht ist. Seine „Lebensschule“ sei das Hallenbad um die Ecke gewesen, sagt der Journalist am Dienstagabend unter dem Gelächter der rund 600 Zuhörer im Haus der Wirtschaft im Rahmen der Reihe „StZ im Gespräch“.

Allein die Preisliste dieses Hallenbads sei ein Wunderwerk sozialer Gerechtigkeit. „Ich bin nun über 60 Jahre alt und wohne in der Nähe des Schwimmbades, da wird der Eintritt schon zweimal wesentlich billiger“, erläutert Veiel. „Wäre ich Kriegsversehrter, arbeitslos oder hätte viele Kinder, würde es noch weniger kosten.“ Die Liste der Ermäßigungen sei noch viel länger, kaum eine Gruppe werde ausgelassen. „Im Schwimmbad selbst arbeiten drei Bademeister, von denen jeder ein extra Examen abgelegt hat, und die es sich in ihren Stühlen bequem machen“, beschreibt Veiel den französischen Arbeitsalltag. Die Erlaubnis, die Massagedüsen im Kinderbecken aufzudrehen, habe allerdings nur einer der drei Männer. Es herrsche eine sehr entspannte Atmosphäre.

Der Terrorismus ist in den letzten Jahren stärker geworden in Frankreich

Das Leben sei aber nicht nur sorglos und angenehm in Frankreich, betonte Joachim Dorfs, der den Abend moderierte. Der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, der früher selbst Frankreichkorrespondent war, verwies insbesondere auf den Terrorismus, der sich in den vergangenen Jahren zu einem traurigen Thema entwickelt habe.

„Der Terror traf die Franzosen aus heiteren Himmel – auch mich selbst“, sagte Axel Veiel. Zu den Aufgaben des Korrespondenten gehöre in solchen Situationen nicht nur die kühle Analyse, er habe versucht, „das Entsetzen über die Taten“ zu vermitteln. Was ihn tief beeindruckt habe, sei nach den Anschlägen 2015 die unglaubliche Solidarität zwischen den Menschen gewesen. „Ich war bei den Demonstrationen dabei, untergehakt mit anderen Menschen und habe mich noch nie so integriert gefühlt.“ Der Kampf gegen den Terror habe alle Teilnehmer dieses Marsches durch die Pariser Straßen, die sich zuvor noch nie gesehen hätten, verbunden.

Aber das sei nur eine Seite des Bildes. Die Anschläge hätten gezeigt, dass Frankreichs Gesellschaft von tiefen Rissen durchzogen sei. In den Gettos der Vorstädte würden sehr viele Nachfahren von Migranten wohnen, die eine Art Gegenkultur entwickeln und den Staat ablehnen. An diesem Punkt zeichnet der Journalist eine pessimistische Perspektive. „Dieses Problem ist nicht gelöst und es wird noch lange dauern, bis erste Erfolge im Kampf gegen diese Entwicklung sichtbar werden.“

Gemischte Gefühle hat Axel Veiel auch, wenn er an die aktuelle Zusammenarbeit mit Deutschland denkt. „Wenn die Franzosen auf Deutschland blicken, gibt es ein bisschen Hoffnung und sehr viel Sorge.“ Kanzlerin Angela Merkel sei die letzte wichtige Verbündete des Präsidenten Emmanuel Macron. In Ländern wie Österreich, Polen oder Italien wachse der Nationalismus – und nun sei das politische Ende Merkels abzusehen. Das mache vielen Franzosen Angst. Allerdings gebe es auch die Hoffnung, dass sich Merkel endlich zu den erwarteten Reformen der Europäischen Union durchringe, weil sie sich ins Buch der Geschichte einschreiben wolle.

Die Franzosen und Deutschen sind eng miteinander verbunden

Um das deutsch-französische Verhältnis generell macht sich Axel Veiel keine Sorgen. Die von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer eingeleitete Versöhnung der Kriegsgegner sei besiegelt. Weltweit gebe es keine Nationen, die enger zusammenarbeiten, enger miteinander verflochten seien als Franzosen und Deutsche.

Mehr Sorgen macht sich Veiel um die politische Zukunft des Präsidenten Macron, der mit einem zentralen Problem zu kämpfen habe. „Macron hat sehr hohe Erwartungen geweckt und nun bleiben die Erfolge seiner groß angekündigten Reformen aus“, sagte der Paris-Korrespondent. Die anfängliche Aufbruchstimmung sei dahin. Vor allem Macrons gelegentlich selbstherrlich wirkendes Gebaren habe das Volk verstört. Verlassen habe den Präsidenten auch das Glück des Tüchtigen. Weltweit lahmt die Konjunktur. Frankreichs Wirtschaftswachstum stehe auf tönernen Füßen. Der finanzielle und damit auch der politische Spielraum des Staatschefs schrumpfe. Dennoch halte Macron, trotz starker Proteste insbesondere der Gewerkschaften, an seinem Reformkurs fest.