Vier Wochen lang feiert Frl. Wommy Wonder mit einer Sommershow im Theaterhaus den 40. Geburtstag. Im Interview blickt Stuttgarts Travestiestar auf eine bewegte Karriere zurück und sagt, was für Kleinkünstler zwischen den Großen wie AC/DC und Pink übrig bleibt.
Der Travestiekünstler Michael Panzer ist stolz, dass er den 40. Geburtstag seiner Kunstfigur Frl. Wommy Wonder feiern kann, weil das „in der Branche nicht sehr viel feiern können“. Mit wechselnden Gästen (darunter Kevin Tarte und Georg „Mary“ Preuss) tritt er vier Wochen lang im Stuttgarter Theaterhaus auf. Premiere der Sommershow „Was ... schon vierzig?!“ ist am Donnerstag, 25. Juli, 19.30 Uhr.
Fräulein Wonder, angeblich wird der Schwabe mit 40 g’scheit. Wie sieht es bei schwäbischen Fräuleins aus?
Ich bin g’scheit genug zu erkennen, dass ich nicht wirklich g’scheit bin, auch wenn sich das Gerücht hartnäckig hält. Ich hatte so was wie humanistische Erziehung, war an vielem interessiert, konnte gut auswendig lernen und das Gelernte anwenden, aber alles, was drüber hinausgeht, ist bei mir zum Scheitern verurteilt.
Und wie sieht’s aus mit praktischer Intelligenz?
Die ist bei mir – wie mein Vater immer meinte – „nicht vorhanden und kommt auch in diesem Leben nicht mehr rein“. Muss man so akzeptieren, hat bisher geklappt, irgendwie zumindest.
Das Wort Fräulein ist aus der Zeit gefallen. 1972 verfügte das Bundesministerium, dass man Fräulein durch Frau zu ersetzen habe. Warum halten Sie daran fest? Sind sie so konservativ?
Wenn man den Irrsinn betrachtet, der einen momentan umgibt, ist „aus der Zeit gefallen“ fast ein Kompliment, und wenn der Begriff nicht so belastet wäre, würde ich mich unter „wertkonservativ“ einordnen. Früher war sicher nicht alles besser, aber heute ist halt manches schlechter, daher versuche ich, die guten Werte und Ansichten von früher mit dem Guten von heute zu verbinden.
Was sind Ihre Erinnerungen an Ihren allerersten Auftritt vor 40 Jahren.
Der ist noch so präsent, als ob es gestern gewesen wäre – und ich bin dem Himmel dankbar, dass es damals noch keine sozialen Netzwerke gab, die diese Jugendsünden hätten festhalten können. Es war alles irgendwie herzergreifend naiv und unbekümmert. Wenn es für damalige Verhältnisse nicht irgendwie schräg oder besonders gewesen wäre, hätte sich das Thema schnell erledigt, insofern schaue ich mehr mit Lächeln als mit Fremdscham auf meine Anfänge.
Hat sich das Lachverhalten in 40 Jahren verändert?
Man lacht heute im Grunde über dieselben Dinge – aber anders. Und man lacht irgendwie im Privaten anders als in der Öffentlichkeit, in ungezwungener Umgebung amüsiert man sich auch heute noch über Sachen, bei denen man in öffentlicher Runde kein Gesicht verzieht aus der Befürchtung heraus, jemand könnt sich auf den Schlips getreten fühlen.
Sie meinen, man achtet zu sehr auf Political Correctness?
Es hat was Gutes, dass man heute Sachen hinterfragt, über die man früher ohne Nachdenken gelacht hat, aber wie so oft wird der eigentlich gute Ansatz gern mal durch Übertreibung an die Wand gefahren. Man sollte auch Gags von früher, die in ihre Zeit eingebettet waren, nicht mit dem Moralkodex von heute betrachten. Einfach mal ein bisschen mehr Lockerheit und „Fünfe grad sein lassen“ würde uns gut tun, denn bei allen Bestrebungen, durch möglichst viel Rücksicht die Menschen einander näherzubringen, sind wir heute gefühlt weiter voneinander entfernt als früher.
In diesem Sommer häufen sich die Großkonzerte und Großevents in Stuttgart. Haben die Leute dann noch Geld für ein Fräulein?
Das hoffe ich doch, denn dann bleibt die Kohle hier im Land und wird hier versteuert. Wer sich Pink leisten kann, zahlt Wommy aus der Portokasse, und das ist gewollt so: Faire Preisgestaltung ist mir wichtig, ich möchte ja die Menschen aus allen Schichten bespaßen und nicht nur die aus der Halbhöhenlage.
Sie singen den Song zur Pride in Stuttgart. Warum ist der CSD aus Ihrer Sicht immer noch so wichtig?
Ich bin glücklich, dass ich das diesjährige Lied schreiben und singen durfte. „Jetzt erst recht!“ ist ein gutes Motto, denn allen toleranten Strömungen zum Trotz sieht der Alltag für die Betroffenen immer noch steiniger aus, als die verordnete bunte Vielfalt im Fernsehen es glauben lassen will. Um es ironisch zu sagen: Selbst die Tolerantesten sind zusehends genervt, wenn queere Themen und oktroyierte Toleranz die Medienlandschaft bestimmen – die Glaubwürdigkeit leidet, und leider haben viele Firmen und Sender „queer“ als neues Geschäftsmodell entdeckt, mit dem man sich Sozialpunkte und ein paar Euro zusätzlich verdienen kann. Dann wird die Diskrepanz zwischen medialer Berichterstattung und erlebtem Leben irgendwie grotesk.
Hat sich die Einstellung der Menschen zur Travestiekunst verändert?
Danke, dass Sie Travestie unter „Kunst“ ablegen, für viele ist sie nach wie vor Nischenunterhaltung und pfui – wobei auf der Bühne bei den wenigsten Kolleginnen das stattfindet, was die Kritiker befürchten. Travestie ist in stetem Wandel; war sie früher eine authentisch gelebte Sonderform der Kleinkunst, die eher abseits der üblichen Unterhaltung stattfand, ist sie seit Mary & Gordy aus der Schmuddelecke heraus und in den Wohnzimmern angekommen. Man muss halt herausfinden, wessen Unterhaltungsform dem eigenen Geschmack am ehesten entspricht.
Gibt es schon mal heftigen Streit zwischen Wommy und Michael?
Nicht wirklich, im Grunde sind wir ein Herz und eine Seele, aber Michael ist der Wommy manchmal zu introvertiert und schüchtern, und Wommy ist dem Michael nicht nur lieb, sondern auch recht teuer. Und die Schäufele will eine neue Kette. Kurios ist, dass alle drei auf dieselbe Steuernummer arbeiten, ich muss das mal mit einem Psychologen besprechen.
Worauf kann sich Ihr Publikum in ihrer Jubiläumsshow zum 40-Jährigen freuen?
Wir feiern eine Jubiläumsparty, auf die ich stolz bin, weil das in der Branche nicht sehr viele feiern dürfen. Ich erzähle aus meinem Leben, mach mich über alles lustig, auch über mich selber, wir beleuchten aktuelle Geschehnisse und bleiben dabei nur im Ansatz politisch korrekt – und zwischendurch wischt Elfriede Schäufele, der Hausdrachen aus den SWR-Fasnetssendungen, durch die Reihen und gibt ungefragt ihren Senf zu allem und jedem.
Ist Wommy immer noch zu haben? Oder wird sie doch noch vom Fräulein zur Frau?
Seien wir ehrlich: Wenn so altes und morsches Holz noch in Flammen geriete, wär’s schlecht fürs Klima und die CO2-Bilanz, das hat man immer im Hinterkopf – und wenn’s nur als Ausrede taugt. Aber immerhin tauchen immer wieder Menschen in der Biografie auf, für die man gerne temporär das Fräulein-Dasein außer Betrieb setzt. Der Gentleman genießt und schweigt … das Fräulein auch. Und wenn die Schäufele nix mitkriegt, bleibt’s in der Familie.
Tickets und weitere Informationen gibt es unter www.wommy.de