Seit 1948 sind Stuttgart und St. Helens Partnerstädte. Dieses Bild ist von 1999. Foto: privat

Die englische Stadt St. Helens ist die älteste Partnerstadt Stuttgarts. Was wird sich nach dem Brexit, dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, für diese Freundschaft ändern?

Stuttgart - Es ist soweit: Heute um 23 Uhr britischer Zeit tritt Großbritannien aus der Europäischen Union aus. Neben all den nervenaufreibenden Verhandlungen, Börsenberichten und politischen Diskussionen der letzten Tage, Wochen und Monate lohnt es sich, einen Blick nach Stuttgart zu werfen. Seit 1948 pflegt Stuttgart eine Städtepartnerschaft mit der englischen Stadt St. Helens. Diese ist die erste Partnerschaftsstadt Stuttgarts und eine der ersten zehn Städtepartnerschaften weltweit. Was bedeutet der EU-Austritt für diese deutsch-englische Freundschaft und die langjährige Zusammenarbeit der beiden Städte?

Die heutige Städtepartnerschaft zwischen Stuttgart und St. Helens entstand dank den beiden damaligen Bürgermeistern Arnulf Klett und Walter Marshall. Arnulf Klett bemühte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schon früh, Kontakte mit einer britischen Stadt herzustellen und eine Städtepartnerschaft aufzubauen. „Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann mit dem Besuch von Bürgermeister Walter Marshall aus St. Helens die Öffnung Stuttgarts für zahlreiche Verbindungen nach Europa und in die Welt. Dabei stand insbesondere der Versöhnungsgedanke im Mittelpunkt, später auch die Integration Deutschlands in die neue europäische Wertegemeinschaft“, schreibt Oberbürgermeister Fritz Kuhn 2018 in seinem Vorwort in einer Broschüre zum 70-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft.

Da Stuttgart nach dem Krieg schwer zerstört war, bot der englische Bürgermeister bei einem Besuch in Stuttgart an, für die Reparaturen Fensterglas aus St. Helens, dem damaligen europäischen Zentrum der Glasproduktion, zu liefern. Die Grundlage für die Freundschaft zwischen den Bürgermeistern und den beiden Städten war somit geschaffen.

Glas als Freundschaftsgeschenk

Bereits ein Jahr darauf, im Oktober 1949, organisierten die beiden Stadtverwaltungen gegenseitige Besuche. Die Schulpartnerschaften spielen auch heute noch eine wichtige Rolle für die beiden Städte. Seit dem Jahr 2013 findet so zum Beispiel das Austauschprogramm zwischen der Kaufmännischen Schule 1 (KS1) und der Chamber of Commerce statt. „Wir möchten unseren Auszubildenden die Möglichkeit geben, eine Zeit im Ausland zu leben“, sagt der Rektor der KS1 Uwe Peleikis. „Und das vor allem in Zeiten des Brexits.“ Die dual ausgerichtete Schule sendet regelmäßig Auszubildende im Bereich der öffentlichen Verwaltung nach St. Helens, die dort zum Beispiel im Rathaus unterkommen und für vier bis sechs Wochen die Strukturen der englischen Stadt kennen lernen dürfen. Im Gegenzug kommen Schüler aus St. Helens an die Stuttgarter Schule. „Bei einem solchen Besuch darf das Mercedes-Benz-Museum und schwäbisches Essen nie fehlen“, erzählt Peleikis, der das Austauschprogramm als Bereicherung für jeden Schüler sieht. „Die Jugendlichen sammeln in diesen sechs Wochen so viele Erfahrungen wie sonst in einem halben Jahr“, ergänzt auch der Verantwortliche für Logistik und Touristik der KS1, Thomas Bartel.

Beim Austausch Lernen fürs Leben

Dass der Austausch mit St. Helens auch nach dem Brexit weitergehen wird, ist für die beiden Zuständigen der KS1 keine Frage, und auch Laura Brogden, die in St. Helens für das Programm zuständig ist, meint: „Es wird sich nichts ändern. Vielleicht werden die Flüge nach Stuttgart teurer aber der Schüleraustausch bleibt bestehen!“ Diese Haltung ist vor allem deshalb möglich, weil das Programm nicht mit EU-Mitteln, sondern zum Großteil vom Förderverein der Kaufmännischen Schule 1 finanziert wird und laut Rektor Peleikis auch in Zukunft weiterfinanziert werden soll. „Mit unserem Schüleraustausch ist es wie beim VfB: Wenn es regnet, regnet es. Wir spielen trotzdem.“