Polizeieinsatz war „völlig richtig“, eine Äußerung aber „unglücklich“: Polizeipräsident Franz Lutz zu den Vorgängen am 18. August. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Aus einer Polizei-Absperrung wurde eine Debatte um die Pressefreiheit. Auf die Vorwürfe, die Arbeit von Journalisten bei einer Demonstration am 18. August behindert zu haben, hat sich nun Polizeipräsident Franz Lutz geäußert.

Stuttgart - Die Aufregung ist groß – speziell nach den Vorgängen in Dresden: Hat die Stuttgarter Polizei Journalisten an ihrer Arbeit behindert? Präsident Franz Lutz widerspricht energisch, sieht aber auch Verbesserungsbedarf im Umgang mit den Medien.

Herr Lutz, alle wollen von Ihnen Aufklärung: Die Polizei soll am 18. August bei einer Demonstration Journalisten an einer Absperrung aufgehalten und die Pressefreiheit eingeschränkt haben.

Davon kann überhaupt keine Rede sein. Als das Aggressionspotenzial immer größer wurde, haben die Einsatzkräfte am Charlottenplatz am Zugang zur Haltestelle eine Absperrung eingerichtet, um die Demonstrationsteilnehmer der rechten Identitären Bewegung und der linken Aktivisten voneinander zu trennen. Da konnte zwei bis drei Minuten lang niemand durch. Das betraf nicht nur die Aktivisten der Linken, sondern alle, auch drei Männer mit Kameras, die an der Absperrung aufliefen.

Und dann nicht weiterkamen . . .

Eine Absperrung ist eine polizeiliche Standardmaßnahme. Das gibt es in vielen Fällen: Das können Sportveranstaltungen sein wie die Deutschland-Tour oder Unfallorte, wo es sogar Sichtschutzwände gegen Gaffer gibt. Da kommt dann kein Zuschauer, kein Bürger und in diesem Moment auch kein Journalist rein. Solche Sicherheitsbereiche gibt es bei allen möglichen Gefahrenlagen. Auch bei Bombenfunden. Während der Entschärfung kann man auch einen Journalisten nicht zuschauen lassen.

Eine Bombe leuchtet ja ein. Das ist eine objektive Gefahr. Die Einschätzung der Lage einer Demonstration ist aber eine andere. War das wirklich so explosiv?

Schon zu Beginn der Demonstration gab es gegenseitige Beleidigungen, wir haben drei Anzeigen noch während der Veranstaltung aufgenommen. Die Kontrahenten der beiden politischen Lager standen Nasenspitze an Nasenspitze. Das schaukelte sich immer mehr auf, und als die Versammlung beendet war, wurden die 22 Teilnehmer von den etwa 50 linken Aktivisten umringt. Das führte dazu, dass der Einsatzleiter zu den 55 eingesetzten Beamten weitere 25 zur Unterstützung hinzuholen musste. Erst dann war die Polizei in der Lage, die Gruppe sicher zum Charlottenplatz zu bringen. Auf dem Weg kam es zu Schubsereien und Rangeleien. Für den Einsatzleiter war klar, dass man die zwei Lager beim Zugang zur Stadtbahnhaltestelle trennen muss. Nicht auszudenken, was bei einem Gedränge am Gleis oder in der Enge der Stadtbahn hätte passieren können. Es war deshalb völlig richtig, den Abgang für ein paar Minuten dicht zu machen.

Für alle?

Für alle!

Auch mit Presseausweis?

Ja. In dieser Situation gilt es erst einmal, die Lage zu bewältigen. Wenn das länger gedauert hätte, wären Sie als Journalisten vielleicht mit einer Begleitung hinter die Absperrung gekommen. Aber es waren ja nur zwei bis drei Minuten.

Wie kommt es dann zu dieser Aussage eines Beamten, die Pressefreiheit sei ausgesetzt?

Der Beamte hat sich inzwischen gemeldet. Er stellt den Vorgang etwas anders dar.

Nämlich?

Er sagt, auf ihn seien linke Aktivisten zugekommen, von denen drei Kameras dabei hatten. Die Anweisung des Einsatzleiters war eindeutig, jetzt niemanden durchzulassen. Eine taktische Maßnahme, die auch im Mai bei einer Demo gegen die Ditib-Moschee in Feuerbach so gehandhabt wurde. Auch da war beim Abmarsch der AfD-Demonstranten der Abgang zur Haltestelle abgesperrt.

Aber ohne eine solche Aussage.

Der Beamte, ein 37-jähriger Polizeihauptmeister, schildert den Vorgang so: Ein Journalist habe seinen Presseausweis gezückt und Durchlass verlangt, daraufhin habe der Beamte erklärt, dass das jetzt nicht so funktioniere. Der Journalist habe gefragt: „Wie? Ist die Pressefreiheit jetzt ausgesetzt?“ Daraufhin habe der Beamte geantwortet: „Ja, genau, die ist jetzt ausgesetzt, weil das jetzt ein Sicherheitsbereich ist.“ Der Beamte habe die Frage als nicht ernsthaft eingestuft und augenzwinkernd hinzugefügt: „Sie wissen aber schon, wie ich das meine?“

Das hätte er auch anders formulieren können.

Das Ganze ist ja erst Tage später problematisiert worden. Das kam mit den Ereignissen in Dresden hoch, wo ein ZDF-Team behindert worden ist. Das hatte einen katalysatorischen Effekt. Dabei ist das überhaupt nicht vergleichbar. Klar ist: Die Äußerung war unglücklich. Der Beamte hat die Verantwortung übernommen, und es ist ihm arg, dass er seine Dienststelle und seine Kollegen in die Bredouille gebracht hat. Er weiß, dass erst gar nicht der Eindruck entstehen durfte, als hätte er die Pressefreiheit ausgesetzt. Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, wir würden die Pressefreiheit nicht gewährleisten, ist völliger Unfug. Das wäre auch nicht die Linie der Stuttgarter Polizei.

Welche Konsequenzen ziehen Sie?

Der Umgang mit Medien steht auf unserer Liste für eine intensive Fortbildung. Es ist jetzt schon Gegenstand der Ausbildung, und wir werden das weiter intensivieren.

Manchmal entsteht der Eindruck, dass die Polizei eher dem rechten Spektrum zugeneigt ist, als dem linken. Ist die Polizei so neutral, wie sie sein sollte?

Die Polizei hat eine klare verfassungsrechtliche Aufgabe: Sie ist neutraler Garant der Versammlungsfreiheit – die der rechtsgerichteten Identitären Bewegung ebenso wie die der linken Aktivisten. Uns ist klar, dass dabei nach außen hin manchmal schwierige Bilder entstehen. In dem Fall könnte es so aussehen, als schützten wir nur die Identitäre Bewegung. Solche Bilder können einen falschen Eindruck erwecken. Das war auch bei einer Demonstration von Nationaltürken so, die wir mit einer Polizeikette begleitet haben, um sie zu schützen. Das Bild kann man auch völlig anders sehen. Aus der Ferne betrachtet sah es nämlich so aus, als hätten wir die Nationaltürken eingeschlossen.

Die nächste Bewährung steht bevor: die rechte Demo für alle am 14. September.

Da wird es wieder zu einer Rechts-Links -Auseinandersetzung kommen und wieder wird die Polizei die Versammlungsfreiheit aller Beteiligten sicherstellen, solange es friedlich bleibt. Damit verbinde ich einen Appell an die Teilnehmer. Wir sind jedenfalls vorbereitet.