Simulation eines Klotzes in Halbhöhenlage. Foto: Baldenhöfer

Anwohner der Halbhöhe, Stuttgarts Wohnbau-Markenzeichen, wehren sich gegen Monsterbauten.

Stuttgart - Wo es in Stuttgarts Westen am schönsten ist: In der Gaußstraße reihen sich zumeist großzügige Häuser aus den Anfangsjahren des vorigen Jahrhunderts aneinander, viele sind umgeben von Gärten mit alten Bäumen. Doch mit der Idylle könnte es zumindest in einer Ecke bald vorbei sein. Vom Balkon seiner Wohnung im Haus Nummer 17 zeigt Jürg Baldenhofer auf das angrenzende Grundstück. Wo jetzt noch zwei kleine Gebäude mit riesigem Garten stehen, soll bald ein modernes Mehrfamilienhaus mit sieben Luxuswohnungen und einer Tiefgarage entstehen. Das Gebäude, das die geltende Ortsbausatzung in vielen Punkten überschreitet, ist dennoch so vom Baurechtsamt genehmigt worden. Jürg Baldenhofer und einige Anwohner wollen dies nicht hinnehmen und haben deshalb eine Initiative gegen Monsterbauten gegründet. Zu hoch, zu tief, zu groß ist das geplante Gebäude ihrer Meinung nach - wie, so sagen sie, weitere Bauvorhaben in der näheren Umgebung.

Im konkreten Fall will die Bürgerinitiative allein bei der Grundfläche eine Überschreitung der Vorgaben aus der Ortsbausatzung um 40 Prozent ausgemacht haben. Hinzu komme, dass vier Stockwerke genehmigt wurden, wo nur zwei üblich seien.

Statt einer Wohnung pro Stockwerk und nicht mehr als zwei selbstständigen Einheiten pro Haus sei das Haus mit sieben Luxuswohnungen auf einer Fläche von rund 800 Quadratmetern völlig überdimensioniert. "Bei der Tiefgarage haben wir außerdem das Problem, dass die Abfahrt bis in den Garten hineinläuft, der bisher als Grünoase dient", sagt Anne Poklekowski, die unterhalb in der Hauptmannsreute wohnt.

472 Unterschriften haben sie auf der Internetseite ihrer Initiative bisher gesammelt. Dabei geht es den Mitgliedern und Unterzeichnern nicht nur um den Einzelfall. Auch in der Hauptmannsreute 44 oder in der Köllestraße 54 und an einigen anderen Stellen seien ähnlich überdimensionierte Projekte geplant. Allesamt sprengten sie "die Siedlungsform, welche die Gegend als gutes Wohngebiet in Halbhöhenlage" auszeichne. "Wozu haben wir denn einen Rahmenplan, wenn es dann nur Ausnahmen davon gibt", fragt Anne Poklekowski. Das Grundstück liege sogar in der höchsten Qualitätsstufe, für die ein besonderer Schutz gelte.

Im zuständigen Baurechtsamt zeigt man sich von solchen Überlegungen unbeeindruckt. "Als Baurechtlerin kann mich der Rahmenplan nicht interessieren, da er keine Rechtswirkung hat", sagt die Leiterin der Behörde, Kirsten Rickes. Es sei Aufgabe der Stadtplanung, gegebenenfalls für eine Änderung der Bebauungspläne zu sorgen. Zwar würden Bauvorhaben in diesen Gebieten besonders sensibel betrachtet und die Umgebung mit einbezogen.

Im vorliegenden Fall aber seien die Änderungen alle genehmigungsfähig gewesen. "Aus zwei kleinen Häusern ein großes zu machen, ist nicht verboten", so Rickes. Bei der Zahl der Geschosse komme es nach der gültigen Ortsbausatzung auf die Ansicht der Straßenseite an. Von dort aus gesehen seien es die erlaubten zwei Geschosse, nur auf der Gartenseite seien es vier.

Der Architekt Bernd Frank, der nur einen Steinwurf entfernt wohnt und für einen privaten Bauherrn plant, kann die Aufregung um das Haus ebenfalls nicht verstehen. "Das fällt nicht aus dem Rahmen", sagt er. Die Tiefgarage werde komplett begrünt und sei nach der Fertigstellung kaum mehr sichtbar. Außerdem sei die Straße ohnehin verkehrsreich, zehn unterirdische Stellplätze würden da kaum ins Gewicht fallen. "Wir sind nun mal in einer Großstadt", sagt Frank, "und wer absolute Ruhe will, der muss auf die Alb ziehen." Wenn die Stadt in diesem Bereich solche Häuser verhindern wolle, "dann muss sie die Grundstücke aufkaufen und Bäume darauf pflanzen", so Bernd Frank.

Jürg Baldenhofer und Anne Poklekowski jedenfalls wollen ihren Kampf gegen grobe Klötze am Hang nicht aufgeben. Ihre und 18 weitere Widersprüche gegen die Baugenehmigung liegen bereits beim Regierungspräsidium. Einen Eilantrag hat das Verwaltungsgericht jedoch abgelehnt. Sollte der Rechtsweg nicht erfolgreich sein, wollen sie trotzdem weitermachen. "Dann müssen wir eben politischen Druck erzeugen", sagt Anne Poklekowski.

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